Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Doch, es war die Lerche

Gastspiel der „Sendersbühne“ Grinzens mit dem Kishon Klassiker „Es war die Lerche“ im Kulturstadl Mieming

Was wäre, wenn das berühmteste Liebespaar der Welt, wenn Romeo und Julia nicht in romantischer Liebensverzweiflung ihren Doppelselbstmord zelebriert hätten, sondern ordentlich verheiratet wären und nun – 29 Jahre später – vor den Scherben ihrer Ehe stünden? Zu wenig Geld, zu selten Sex und eine pubertierende Tochter sind das nervenaufreibende Resümee in Ephraim Kishons amüsant-klugem Gedankenspiel. Selbst der Geist Shakespeares ist ratlos.
18. Juli 2022 | von Lia Buchner
Doch, es war die Lerche
Peter Wolf und Katharina Troyer von der „Sendersbühne“ in Grinzens spielen Romeo „Momo“ Montague und Julia Montague-Capulet (v.l.) nach 29 Ehejahren. RS-Fotos: Buchner
Von Lia Buchner

Aus dem glutvoll-poetisch liebenden Romeo ist ein ältlicher, etwas zu dicker Ballettlehrer (!) geworden, der wenig verdient, keinerlei Lust mehr auf Julia hat („jung, neurotisch und exaltiert, wie ich damals war“) und eine Wärmflasche namens Lisa liebt. Julia kocht schlecht, hat kein Dienstmädchen und zankt sich mit ihrer aufsässig pubertierenden Tochter Lucretia, die im gleichen Alter ist, wie sie damals. Gelegentlich weint sie sich beim inzwischen hochbetagten und leicht verwirrten Bruder Lorenzo aus, der ihr vor 29 Jahren den verhängnisvollen Schlaftrunk zugesteckt hatte („Ich habe einen Vollkretin geheiratet“). Romeo wünscht sich etwas halbherzig mit der ebenfalls steinalten Amme Julias den Tod von Mama Capulet herbei, um sie vielleicht doch noch zu beerben.

Shakespearescher Geist. So weit die klamaukige Handlung. Doch dann kommt William Shakespeares Geist ins Spiel und ein ebenso witziger wie kluger Zitate-Spaß beginnt. Shakespeare spricht in Versen, verwechselt seine Figuren immer mal wieder („Nicht Ophelia?“), das Ehepaar Montague-Capulet erinnert sich in immer längeren Rezitationen des Shakespeare-Textes seiner damaligen Liebe – und möchte dennoch lieber heute als morgen seine eigene Geschichte umgeschrieben bekommen. Der Dichter ist erstmal empört über die Entwicklung der Dinge („Ich habe euch erdacht als Liebenspaar, wie es die Welt noch nicht gesehen hat. Doch nicht als Ehepaar!“) und versucht irgendwie zu vermitteln. Im ewigen Streit der beiden, ob es denn nun die Lerche oder die Nachtigall war, befindet er „viel Lärm um nichts“ und dichtet diplomatisch „Ob es die Lerche, ob die Nachtigall, gleich, die Vögel zwitschern überall“. Aber ans Umschreiben denkt er nicht einmal im Traum. Ganz im Gegenteil: Gift muss her.

Bäumchen wechsle dich. Kishon hat sein Stück für drei Personen geschrieben, die „Sendersbühne“ spielt zu zweit: Katharina Troyer ist Julia, ihre Tochter Lucretia und die Amme, Peter Wolf spielt den Romeo und Pater Lorenzo. Und wenn man schon mal beim Rollentausch ist, kann auch jeder der beiden William Shakespeare spielen. Oder den Ehepartner. Regisseurin Caroline M. Hochfelner hat dieses Verwirrspiel auf die Spitze getrieben, ihre Schauspieler bewältigen den Rollenwechsel mit Perücke, Stimme und Körpersprache bravourös. Zu wirklich berührender Hochform laufen die beiden allerdings in den Shakespeareschen Originalpassagen auf. In der Schlussszene, nachdem man sich gegenseitig doch noch zu vergiften versucht hat, versinken sie in einen innigen Liebesdialog, der Gänsehaut macht. Aber es wäre nicht Kishon, wenn er das Publikum nicht mit einem Lacher verabschieden würde. Und so endet dieser Theaterabend im Kulturstadl Mieming, wie er begonnen hat: ausgesprochen vergnüglich.
 
Doch, es war die Lerche
Rollen- und Kostümwechsel geht auch auf offener Bühne.
Doch, es war die Lerche
Und sie spielen auch William Shakespeare (Peter Wolf) und sich selbst als Paar (Katharina Troyer).
Doch, es war die Lerche
Oder den jeweils anderen: Peter Wolf als Julia und Katharina Troyer als Romeo. Und natürlich auch Pater Lorenzo oder die rotzfreche Tochter Lucretia.

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