Von Peter Bundschuh
Bürgermeister Klaus Gritsch in seiner Begrüßung: „Kematen wurde bereits im Jahr 1940 zur Heimat für viele Südtiroler, die sich zur Option und somit zum Verlassen des italienischen Staatsgebietes entschlossen hatten. Angst und Vertreibung führten dann die Donauschwaben in das ehemalige Zwangsarbeiterlager der 'Messerschmittwerke'. Und nun ist es wieder soweit, Krieg mitten in Europa. 150 Menschen aus der Ukraine leben derzeit in unserer Gemeinde, und ich bitte die Bevölkerung, die Kriegsflüchtlinge in jeder Weise zu unterstützen.“ „Es gibt mehrere enge Bezüge zwischen der Gemeinde Kematen und Fluchtgeschichten vertriebener Menschen. Kematen ist ein Platz um sich sicher zu fühlen“, ergänzt der „kematen kultur“- Obmann Markus Scheiber.
In Zeiten wie diesen... In Zeiten wie diesen bekommt das Thema (leider) wieder Aktualität und schafft einen Bezug zu Geschehnissen, die einige Kemater selbst miterlebt haben und vielen Jüngeren durch Erzählungen präsent sind. Der Vortrag befasst sich mit der Geschichte der Donau-schwaben und ihrer Zuflucht im Lager nach Ende des zweiten Weltkrieges. Elisabeth Salvador–Wagner hielt ihr historisches Referat unter Beibringung zahlreicher Zeitdokumente, die das Leben im Lager illustrieren. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf die Beziehungen zwischen den Lagerbewohnern und der ansässigen Bevölkerung gelegt, denn hier wurden die ersten Schritte zur Integration in Österreich gegangen. Verbindungen und persönliche Bindungen sind bis heute spürbar. Grundlagen dafür waren besonders die Schule, die Kirche aber auch der Fußballsport.
Zur Ruhe kommen. Das ehemalige Messerschmitt–Lager wurde ab 1946 zur Unterkunft vertriebener Volksdeutscher. „Für viele Familien war das Lager Kematen nach langen Irrfahrten und verschiedenen Stationen endlich ein Ort, an dem sie zur Ruhe kommen konnten. Manche Flüchtlinge waren in Trecks von hunderten Pferdewagen und Traktorengespannen aus Rumänien oder der Batschka von der deutschen Wehrmacht bis nach Schlesien geführt worden, mussten beim Anrücken der Roten Armee wieder weiterziehen und kamen schließlich mit dem Rest ihrer Habseligkeiten in Österreich an.“ So die Vortragende und Buchautorin.
Fußball verbindet. Dass in der Welt einiger Fußballfans auch Aggression recht deutlich mitmischt, ist unübersehbar, aber es geht auch ganz anders, nicht nur in Kematen. Die Geschichte des SV Kematen ist ein gutes Beispiel für völkerverbindenden Mannschaftssport. Nicht etwa die Burschen aus dem Lager lernten von den Kemater Jungs das Fußballspiel, es war genau umgekehrt, die Lagerbewohner waren federführend in diesem Sport. Hier aus der Broschüre „70 Jahre SV Kematen“: „Mit der Gründung eines Fußballvereins im damaligen Flüchtlingslager Kematen wurde bereits im Jahre 1946 der Grundstein für den SV Kematen gelegt. Alle Funktionäre und Spieler stammten damals aus dem rumänisch–ungarisch-–jugoslawischen Raum, die nach dem Zweiten Weltkrieg ausgesiedelt worden waren. Im Herbst 1947 erfolgte schließlich die Gründung des Arbeitersportvereins Kematen.“ An anderer Stelle: „Problematisch war zu dieser Zeit das Spielfeld am Messerschmittplatz. Da der Platz einer schiefen Ebene glich, musste eine Mannschaft immer ‘bergauf‘ spielen. Auch Elisabeth Salvador-Wagner beschreibt die verbindende Rolle des Fußballs: „So wie viele Tiroler Gemeinden hatte auch Kematen in dieser Zeit noch keinen Fußballplatz, während bei den Donauschwaben der Fußball schon lange eine wichtige Rolle spielte. Ein Fußballer aus dem Banat war sogar vor dem Krieg in der jugoslawischen Nationalmannschaft.“
Das Buch. Das Buch zum Flüchtlingslager Kematen und der Siedlung Frieden in Völs trägt den Titel „Gemeinsame Erfahrungen von Flucht, Vertreibung und Integration“. Es ist die erste umfassende Publikation zur Geschichte des Flüchtlingslagers Kematen und der Siedlung Frieden in Völs, wo die Autorin selbst lebte. Das 237 Seiten starke Werk umfasst Anschauungsmaterial wie Karten und Pläne sowie über 200 Fotografien. Es ist auf hohem geschichtswissenschaftlichen Niveau angesiedelt und als Unterlage zur Verfassung zeithistorischer Arbeiten hervorragend geeignet. Erschienen im Universitätsverlag Wagner, ISBN 978-3-7030-6526-2
Der zeithistorische Vortrag von Elisa-beth Salvador-Wagner war hervorragend recherchiert und vermittelte den Zuhörern die Nachkriegsjahre in Kematen in sehr persönlichen Worten.
Das Thema „Gemeinsame Erfahrungen von Flucht, Vertreibung und Integration“ stieß im Kemater Gemeindesaal auf reges Publikumsinteresse.