Uraufführung der Volksschauspiele 2023: „Narrentanz“
Als Gegenentwurf zu den „Todsünden“ kreiste der „Narrentanz“, die zweite Produktion der Tiroler Volksschauspiele folgerichtig um die Kardinaltugenden. In acht Bildern zeigten Amateurtheater aus ganz Tirol, was aus Glaube, Liebe, Hoffnung geworden ist.
Von Lia Buchner
Die Bühne im Telfer Rathaussaal erinnerte an einen roh gezimmerten Laufsteg. Quer ragte sie in den Zuschauerraum und holte so das Spiel sehr nahe heran. In der ersten Reihe um die Bühne saßen die 36 Schauspieler des Abends – mitten unter uns – was sich nicht nur sehr persönlich anfühlte, sondern vor allem flüssige Szenenwechsel erlaubte. Das war nicht die einzige schöne Idee von Regisseur Thomas Gassner, der den „Narrentanz“ auch textlich verantwortete.
BESTSELLER ALS VORLAGE. Gassner hatte das Stück in einer mittelalterlichen Atmosphäre ange-legt und sich vom Bestseller der Zeit inspirieren lassen: Sebastian Brants „Narrenschyff“. Von ihm entlehnte er vor allem den Narren als durchgängiges Leitmotiv, der in Telfs am Kopf der Bühne thronte und die einzelnen Szenen etwas behäbig kommentierte. Doch anders als Brant, der die Narrheit der Welt den Lastern zuschrieb, zeigte Gassner die Kardinaltugenden als Kehrseite der immer gleichen Medaille: Als nur von den Reichen und Mächtigen erfundenes Mani-pulationsinstrument. Die schönen Bilder der Produktion (Licht, Bühne, Ausstattung) stehen dann auch in merkwürdigem Gegensatz zur Gewalt in den Szenen. Da wird erwürgt, erschlagen, geschändet, geraubt, dass es dem lachlustigen Publikum erstmal den Atem verschlägt. Doch der professionelle Rahmen hilft den Amateuren: manche darstellerische Leistung lässt aufhorchen, manche Szene überzeugt. Und in jedem Moment ist die Beglückung spürbar, genau hier spielen zu können, vor genau diesem Publikum.
ACHT BÜHNEN. Die Idee zu dieser neuerlichen Koproduktion der Tiroler Volksschauspiele und dem Theaterverband war auf reges Interesse bei den Laienbühnen des Landes gestoßen. „Bei den ‚Kreuzköpfen‘ vor zwei Jahren musste ich noch sehr konkret nach Bühnen suchen, heuer gab es schon ziemlich viele Anfragen“, erzählt Gassner. Die ausgewählten acht Bühnen kommen aus ganz Tirol, s‘Theata Niederndorf war dabei, die theatermacher Fügen, das Theater Humiste aus Imst, die Innsbrucker Ritterspiele, diebühne Kirchberg, der Theaterauflauf Osttirol, die Volksbühne Fritzens und das Theater ohne Pölz aus Schwaz. Die Bühnen haben ihre Szene eigenständig entwickelt und geprobt, Gassner hat sich lediglich in der Schlussphase angeschaut, was da entstanden ist. An den letzten beiden Wochenenden vor der Uraufführung trafen sich alle in Telfs zu den Endproben und legten die Übergänge fest.
GEMEINSAM. Der Narrentanz wurde insgesamt viermal aufgeführt, alle vier Abende waren weitgehend ausverkauft. Nicht nur das nehmen die Amateurbühnen als Motivationsturbo mit nach Hause, auch den tosenden Applaus des Publikums, die inspirierende Arbeit mit dem Profiteam der Volksschauspiele und die Selbstwahrnehmung in der Gemeinschaft der Laienschauspieler. „Es ist wunderbar, dass Bühnen aus dem ganzen Land hier in den ‚heiligen Hallen‘ der Volksschauspiele auftreten dürfen“, fasste es Thomas Widemair, Vizeobmann des Theaterverbandes und Schauspieler beim „Theaterauflauf Osttirol“ in berührte Worte. „Diese spürbare künstlerische Weiterentwicklung der Bühnen strahlt ins ganze Land aus“, ergänzt Gassner. „Und noch viel wichtiger: diese Produktion schafft eine Gemeinschaft unter den Schauspielern, die hier so intensiv miteinander proben und spielen.“ Und möglicherweise auch feiern: die Liebe zum Theater, die Tapferkeit im Spiel, den Glauben an das Wort. Eine Fortsetzung bei den Volksschauspielen 2024 ist bereits in Planung.
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