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Herz auf den Tisch

Gregor Bloéb erzählt im RUNDSCHAU-Gespräch über Elfriede Jelinek, Felix Mitterer und wie man beginnen soll

Gregor Bloéb verantwortet seit September die künstlerische Leitung der „Tiroler Volksschauspiele“. Es ist nicht das erste Festival, dem er seinen Stempel aufdrückt: bereits 2009 bis 2013 leitete er den „Theatersommer Haag“. Mit großem Erfolg. Seine erste Regiearbeit legte der Schauspieler im vergangenen Jahr mit der Opernregie der „Zauberflöte“ im Tiroler Landestheater vor. 2023 wird er mit den „7 Todsünden“ nun auch sein Debüt als Theaterregisseur geben. Die RUNDSCHAU sprach mit Gregor Bloéb über die vielen Facetten von Gregor Bloéb.

12. Dezember 2022 | von Lia Buchner
Herz auf den Tisch
Der Herr Direktor holt die Autorin Lisa Wentz persönlich am Bahnhof Telfs/Pfaffenhofen ab. Foto: ÖBB-Mitarbeiter mit bestem Dank
Von Lia Buchner

RUNDSCHAU: Man sagt Ihnen nach, dass es Ihnen in Haag gelungen sei, die Menschen in das Festival einzubinden. Was ist der Trick?
Gregor Bloéb:
Das ist kein Trick, das ist meine Persönlichkeit. Das bin ich. Mich interessieren Menschen, ich liebe Menschen. Alle. Und ich mag ihre Geschichten. Vielleicht kann man daraus ableiten: Ich kann gut mit Menschen. Das ist nichts Anstrengendes für mich. 

RS: Es gibt in Telfs eine große Sehnsucht nach diesen „endlich wieder gemeinsamen“ Volksschauspielen.
Bloéb:
Diese Sehnsucht, gern und gut miteinander zu arbeiten und freundlich miteinander umzugehen, gibt es überall. Ich merke ja, wie hier alle neugierig sind. Die Menschen kommen auf mich zu, im Supermarkt, oder wenn ich wo einkehre, und nehmen Anteil. Die Menschen spüren: da passiert etwas, das wird wieder lässig. Das wird ein Miteinander. Und das ist genau meine Geschichte: Es wird ein großes Miteinander werden.

RS: Sie werden in der ersten Spielzeit Ihre erste Theaterregie machen?
Bloéb
: Das Regieführen ist für einen Schauspieler nach über 40 Jahren im Beruf nicht so eine große Überraschung. Es gibt natürlich das Handwerk des Regisseurs - und das hab ich nicht. Ich brauche deswegen länger. Viel länger. Daher habe ich sofort nach der Entscheidung angefangen zu arbeiten.

RS: Es war von Anfang an klar, dass Sie eine Regie übernehmen möchten?
Bloéb:
Nicht sofort, aber es hat sich schnell herauskristallisiert. Denn es geht darum, den Spirit der neuen Volksschauspiele gleich auf den Tisch zu legen. Ohne Ausreden. Natürlich kann ich einen Starregisseur wie Martin Kušej vom Burgtheater anrufen, dann macht der das auch, aber das meine ich nicht. Wir legen gleich am Anfang das Herz auf den Tisch. Das birgt mehr Risiko, aber es ist auch ehrlicher und wahrhaftiger und klarer. Und wenn man sich einmal so geöffnet hat, dann kann daraus eine Beziehung werden, dann kann etwas weitergehen. Um das Herz am Tisch geht es mir. Und ob es den Menschen dann gefällt, ob sie es nehmen, ob sie drauftreten, das ist dann ihre Entscheidung. Aber ich lege mein Herz erst mal auf den Tisch. So soll man beginnen.

RS: Sie sind bereit, sich als Intendant sehr zu exponieren.
Bloéb:
Ich glaube, es ist notwendig. Ganz nüchtern betrachtet war der Punkt erreicht, an dem sich entscheidet, ob es die Volksschauspiele noch gibt, oder eben nicht mehr gibt. Und wenn wir entscheiden, uns soll es noch geben, dann müssen wir alles auf den Tisch legen. Und schauen, ob es noch einmal geht.

RS: Warum haben Sie Felix Mitterer zurückgeholt?
Bloéb:
Das war einerseits ein Wunsch der Gemeinde. Ich habe mit Felix dann über die „7 Todsünden“ gesprochen und gefragt, ob es möglich wäre, diesen alten Konflikt zu bereinigen und zu beenden. Und er hat mich eigentlich das Gleiche gefragt. Wenn sich da gegenseitig Leid zugefügt wurde, braucht es oft nur einen, der sagt, schau, jetzt sitzen wir wieder gemeinsam am Tisch. Und andererseits passt Felix fantastisch in diese  Zusammenstellung der unterschiedlichen Autorinnen und Autoren hinein. Genau das wollte ich ja, wir haben die 27-jährige Lisa Wenz, wir haben den 73-jährigen Felix Mitterer, wir haben Helene Adler aus der Literatur und Uli Brée oder David Schalko vom Drehbuch. Diese absolut unterschiedlichen Persönlichkeiten und Herangehensweisen zusammen zu bringen, wird letztendlich die Quintessenz der Volksschauspiele sein.

RS: Dient Felix Mitterer dem Neuanfang der Volksschauspiele?
Bloéb:
Mich interessiert das Produkt und die Qualität. Für die „7 Todsünden“ finde ich Felix genau richtig. Sicher ist es schön, wenn es dann noch etwas gibt wie Freundschaft, aber es ist nicht notwendig. Ich habe kein Harmoniebedürfnis beim Arbeiten.

RS: Die vakante siebente Autorin…
Bloéb
: … Ist eben noch vakant.

RS: Ist es Elfriede Jelinek?
Bloéb:
Ich kann das, glaube ich, jetzt sagen: Elfriede Jelinek hat 860 Seiten über Neid geschrieben. Einen sehr, sehr schönen Text. Aber letztendlich ist es sich nicht ausgegangen, diesen großartigen lyrischen Text zu dramatisieren. Daher werden wir das als Marathonlesung machen. Ich stelle mir vor, dass wir über sechs, sieben Stunden mit all den Schauspielstars, die da sind, lesen, und man kann sich hineinsetzen und zuhören, oder etwas essen und wieder hineingehen. Ja, der Jelinektext wird passieren. Mir ist da die Programmpressekonferenz ein bissl zu früh gewesen. Da habe ich die Schnauze ein bisschen zu voll genommen, das passiert mir manchmal, das ist eine Charakterschwäche.

RS: Sie haben gelegentlich eine sehr laute Art, sich zu verkaufen, und jetzt sehe ich, nein, der ist gar nicht so laut.
Bloéb:
Ja, manchmal bin ich zu viel, ich weiß, meine Frau sagt dann oft „Sei normal“. Das ist der Satz, den ich daheim am häufigsten höre. Bei der Pressekonferenz hatte ich mit  vielleicht 100 Menschen gerechnet, dass dann so viele da waren, hat mich zutiefst berührt, ich wusste nicht, ob ich jetzt weinen soll. Dann eben laut. Ich wollte es eigentlich ein bisschen souveräner und sachlicher gestalten, aber es sind ein paar Pferde mit mir durchgegangen.

RS: Sie sehen trainiert aus. Welchen Sport machen Sie?
Bloéb:
Von allem ein bisschen. Aber dieses Jahr ist es mühsam, ich komme nicht hinein. Zum Glück ist meine Frau extrem diszipliniert und reißt mich jetzt mit, ich war in den letzten zwei Jahren dem Alkohol und dem Rauchen erlegen.

RS: Sie rauchen?
Bloéb:
Ja, sehr gern. Da braucht es ein kleines Korrektiv.

RS: Wie feiern Sie Weihnachten?
Bloéb:
Das ist ein gutes Stichwort. Denn das schönste Geschenk ist heuer sicher ein Ticket für die Volksschauspiele. Im Ernst, es sind schon Vorstellungen ausverkauft. Kauft ein Ticket, ihr habt ein tolles Geschenk, und wir können besser planen. Es gibt auch Gutscheine, da muss man den Termin nicht jetzt schon festlegen. Ach ja, wir feiern Weihnachten natürlich zu Hause. Und Familie und Verwandtschaft werden heuer hoffentlich wieder eintrudeln.

Vielen Dank für das Gespräch!
 

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