Von Lia Buchner
Der Stein des Anstoßes ist ein verhältnismäßig schlichtes Kunstwerk: eine fünf Meter breite, schwarze Tafel mit pinkfarben umrandeten Buchstaben. Ursprünglich an der Autobahn bei Kufstein aufgestellt, begrüßte es die nach Tirol Einreisenden mit „Grüß Göttin“. Und es regte die Tiroler richtig auf. Mehr als 60 Übermalungen, Zerstörungen, unzählige Briefe und Einsprüche zeigen die Wirkung, die Kunst im öffentlichen Raum haben kann. Die Eingriffe reichen von „Grüß Gott“ als wenig originelle Zurechtrückung der Machtverhältnisse über ein lokalpatriotisches „Grüß Hötting“ zu „Grüß Allah“, der ja weder männlich noch weiblich ist. Eine doppelt konnotierte Intervention gelang mit „Grüß Luder“, das die „widerwärtiges Luder“-Entgleisung von Josef Geisler aufgreift, die Überschreibung des Kunstwerkes aber lediglich digital per Grafiksoftware realisiert.
Jetzt grüßt die Göttin in einer Neuedition vom Dach des Tirol Panorama am Bergisel. Vor diesem durch Kaiserjäger und Freiheitskampf ausgesprochen männlich besetzen Hintergrund darf man auch hier auf produktive Unruhe hoffen. Dazu wurde eine die Ausstellung begleitende Facebook-Gruppe (Grüß Göttin am Bergisel) eingerichtet, die den aktuellen Stand des Diskurses abbildet. Reflexhafte Empörung von Seiten der FPÖ steht neben Überlegungen zur Freiheit und Schnappschüssen einer „mobilen Göttin“ als pinkes Graffiti in Innsbruck.
Die Ausstellung selbst, die durch den aktuellen Lockdown etwas rumpelig angelaufen ist, zeigt die vielen meist anonymen Reaktionen und Überschreibungen, die Beiler in einer collagehaften Dokumentation sammelt. Sie nimmt diese oft hochemotionalen Reaktionen gleichsam selbst als künstlerische Interventionen wahr und macht damit die Wirkmacht und Entwicklungsfähigkeit von Kunst sichtbar.
Ursula Beiler, gebürtige Inzingerin, ist als anerkannte Künstlerin mit ihren Land-Art Projekten und Installationen bis Korea, Japan und Australien vertreten. Immer wieder geht es ihr auch um die weibliche Seite des Sakralen, die gerade in den großen Religionen in eine Nebenrolle gedrängt worden ist. Das Gipfelkreuz am Schönjoch in Fiss (2018) stattete sie mit einer Venussymbolik aus, die temporäre Installation „Blaue Kapelle“ (2015) im Stamser Kreisverkehr erinnert an die verlorene Ganzheit von männlichen und weiblichen Anteilen in den Weltreligionen. Die Kollage „Aura“, ebenfalls im Tirol Panorama zu sehen, feiert das Göttliche in jedem Menschen.
Die Intervention „Grüß Göttin“ ist – je nach Corona-Regelungen – bis 28. März 2021 im Tirol -Panorama mit Kaiserjägermuseum zu sehen. Besucherinnen und auch Besucher sind ausdrücklich eingeladen, persönliche Eindrücke und Kommentare einzubringen.
Die Silzer Künstlerin Ursula Beiler bei der Gestaltung der Diskussionsplattform zu „Grüß Göttin“ im Tirol-Panorama. Foto: Wolgang Lackner