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Musikalischer Augenblick

Cultura Sacra eröffnet die „Tiroler Barocktage“ in der Wallfahrtskirche Götzens

Die Wallfahrtskirche Götzens ist ein Kleinod des Rokokos: bildschön, liebevoll gepflegt und mit bester Akustik. Was lag also näher, als in der Kirche wieder regelmäßig zu musizieren. Inzwischen ist Götzens mit drei Konzertreihen zu einem Zentrum für sakrale Musik in Tirol geworden.
17. Mai 2021 | von Lia Buchner
Musikalischer Augenblick<br />
Eva-Maria und Federico Zogg sind der unermüdliche Motor von „Cultura Sacra“, zwischen ihnen der künstlerische Leiter der „Tiroler Barocktage“, Wolfgang Kostner.
Von Lia Buchner

Begonnen hatte alles in den späten neunziger Jahren, als das kunstsinnige Ehepaar Eva-Maria und Federico Zogg nach Götzens zog. Beide waren sofort von der wunderbaren Atmosphäre und der baulichen Stimmigkeit der Wallfahrtskirche begeistert und überlegten, wie die Kirche musikalisch zu beleben wäre. Von Anfang an war klar, dass die Kirche im Mittelpunkt stehen soll, es kam also nur sakrale Musik in Frage. Sie gründeten den Kulturverein „Cultura Sacra“ und begannen 1998 erste Kirchenkonzerte zu organisieren. Als ehemalige Konzertsängerin gestaltete Eva-Maria Zogg die frühen Aufführungen mit Unterstützung von Gastorchestern noch selbst.

Drei Konzertzyklen. Aus den Anfängen sind mittlerweile drei Konzertzyklen hervorgegangen: die „Tiroler Barocktage“ im Mai, der „Musiksommer Götzens“ mit geistlicher Volks- und Hausmusik, und im Herbst die Reihe „Neue sakrale Musik“. Gerade mit Neuer Kirchenmusik konnte sich „Cultura Sacra“ sowohl bei zeitgenössischen Komponisten als auch beim Publikum einen Namen machen: zahllose Uraufführungen und eigens für die Wallfahrtskirche Götzens geschriebene Werke verführen mit Hörerlebnissen weit jenseits des Mainstreams. Die Programmierung der einzelnen Zyklen haben Federico und Eva-Maria Zogg längst professionalisiert und in die Hände künstlerischer Leiter gelegt. „Diese wunderbaren Künstler sind sehr in ihrem jeweiligen Fach verankert und bringen ganz viele neue Ideen und auch neue Musiker mit. Das ist eine große Bereicherung für die Konzerte“, erzählt Eva-Maria Zogg.

Barock im Mai. Für die „Tiroler Barocktage“ konnte mit Wolfgang Kostner ein gleichermaßen vielseitiger wie maßgeblicher künstlerischer Leiter gefunden werden. Kostner leitet das Vocalensemble „NovoCanto“, das Orchester der „Tiroler Barockinstrumentalisten“, ist aber auch fest in der dörflichen Musikszene in Hatting eingebunden und unterrichtet an der pädagogischen Hochschule. Als man ihn fragte, ob er sich für die Barocktage engagieren möchte, sagte er ohne zu überlegen zu. „Diese herrliche Kirche, diese einzigartige Konzentration auf sakrale Musik, das ganze Konzept von ‚Cultura Sacra‘ hat mich sofort angesprochen: Die Kirche nicht als Konzertraum zu missbrauchen, sondern mit der Musik zu bespielen, die für sie geschrieben wurde“, erzählt Kostner.

Kontrast als Programm. Bei der Programmierung wie bei der Besetzung der Barocktage setzt Kostner auf Vielfalt und Kontraste. Dramatische Choräle stehen neben apart Schlichtem, große Komponistennamen treffen auf zu entdeckende Kleinmeister, einheimische Ensembles musizieren mit international arrivierten Spezialisten. Die Vernetzung der Barockszene ist eine wertvolle Begleiterscheinung der Konzertreihe: Musikpädagoge Kostner führt immer wieder Ensembles zusammen und ermöglicht jungen Künstlern, sich auf hohem Niveau mit der historischen Aufführungspraxis auseinanderzusetzen. „Tirol hat eine sehr lebendige Alte Musik-Szene, die ‚Festwochen der Alten Musik‘ haben da ganz viel Aufbauarbeit geleistet. Jetzt arbeiten wir daran, dass das kein Strohfeuer bleibt. Und daran, dass sich die ‚Barocktage‘ auch nach der Ära Zogg und Kostner weiterentwickeln können.“

2021 ohne Publikum. Die Barocktage finden heuer pandemiebedingt ohne Live-Publikum statt. „Wir wollten nicht absagen, also werden wir mit einem professionellen Team versuchen, die Atmosphäre in der Kirche und den musikalischen Augenblick einzufangen und als Livestream erlebbar zu machen“, erzählt Federico Zogg. Das Auftaktkonzert der „Tiroler Barocktage“ 2021 am vergangenen Sonntag stand unter dem Titel „Wenn Händel jubelt“, mit der großartigen Chormusik aus den „Chandos Anthems“ von Georg Friedrich Händel, die dieser als Gast beim Londoner Herzog von Chandos „in der fruchtbarsten Epoche seines Lebens“ schrieb. Wolfgang Kostner dirigierte seinen Chor NovoCanto und die Tiroler Barockinstrumentalisten. „Schon bei den Proben war es Balsam, sich gemeinsam musizierend wiederzufinden“, erzählt Kostner. Die sehr gelungene Videogestaltung machte die Übertragung lebendig, und ja, der musikalische Augenblick war spürbar, der Geist der Musik wehte bis in die entlegensten Stuben. Und doch „ist es sehr tröstlich, dass selbst die perfekte Videokonserve das lebendige Konzert nicht ersetzen kann“. Am 23. Mai folgt das Konzert „Franz Sebastian Haindl: David auf dem Ölberg“ und am 30. Mai „Italienisch-österreichischer Spätbarock“, Beginn jeweils 19:00 Uhr. Den Link zur Übertragung gibt es auf www.cultura-sacra.at.
 
Musikalischer Augenblick<br />
Nicht einfach nur abfilmen: Wolfgang Kostner mit dem Leiter des Kamerateams, Harry Triendl, auf der Suche nach der perfekten Kameraposition.
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Sehr gelungene Videoübertragung des Auftaktkonzertes. „Und es ist sehr tröstlich, dass selbst die perfekte Videokonserve das lebendige Konzert nicht ersetzen kann.“ Fotos: Buchner/Cultura Sacra

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