Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Seltene Begabung

Probenbeginn zu Angelo Soliman bei den Volksschauspielen

Angelo Soliman ist eine der spannendsten Produktionen der diesjährigen Spielzeit der Tiroler Volksschauspiele. Die Uraufführung verbindet Schauspiel mit Schatten- und Puppenspiel und eröffnet damit reizvolle weitere Ebenen des Erzählens.
2. August 2021 | von Lia Buchner
Seltene Begabung<br />
Alle drei Spielerinnen spielen die Puppe Soliman. Fotos: Simone Tegischer
Von Lia Buchner

Die Proben zu Angelo Soliman haben im Ausweichquartier des Theaters im Container gerade erst begonnen. Noch schleppen Arbeiter Stahlrohre und Traversen in den Raum, und in einer Ecke vor einem hellen Tuch sitzt er: Angelo Soliman. Soliman ist eine Puppe, zartgliedrig, mit feinen Händen und sanften Gesichtszügen. Ein Junge ungefähr in dem Alter, in dem den historischen Angelo Soliman aus heiterem Himmel das Schicksal der Verschleppung traf. Mit acht Jahren wurde er eingefangen, nach Europa in das Haus einer reichen Dame verkauft, weiter verschenkt und gelangte schließlich in den Haushalt des Fürsten Lobkowitz. Er wurde sein Diener, sein Soldat, Freund, Vertrauter und auch das Objekt seiner Begierde. Und obwohl Lobkowitz unglaubliche Dinge mit ihm anstellte, beanspruchte Soliman auf seine feine Art die wenige Freiheit, die man ihm ließ, verliebte sich, heiratete heimlich und bekam ein Kind. Er hatte die seltene Begabung, aus seinem Leben unter jeglichen Bedingungen das Beste zu machen.

Drei Frauen. Die Geschichte des Angelo Soliman wird von drei völlig unterschiedlichen Frauen erzählt, die sich zufällig im Museum begegnen: Eine Kuratorin, eine Nachfahrin von Soliman und eine Reinigungsangestellte, die die Vorbereitungen zur Soliman Ausstellung beobachtet und ihre sehr menschlichen Fragen stellt. Und von der Puppe, die ihre Geschichte aus Solimans Perspektive erzählt. „Die Puppe gibt uns die Möglichkeit, nicht nur über Soliman zu sprechen, sondern ihn zu verlebendigen“, erzählt die Regisseurin Magdalene Schäfer. „Die Puppe kann Dinge tun, die kein Spieler kann, sie kann fliegen, sie kann in verschiedene Rollen schlüpfen, und auch andersherum: man kann sie loslassen, wenn man sich nicht mehr traut, sie zu spielen. Dann ist sie sofort wieder das unbelebte Objekt, das sie ja tatsächlich ist.“ Die drei Spielerinnen von Soliman agieren in offener Spielweise, sie sind also immer sichtbar, „das Reizvolle ist aber, dass man die Spielerinnen völlig ausblendet, sobald die Puppe den Fokus hat“. Josephine Buchwitz und Eileen Freiin von Hoyningen sind ausgebildete Puppenspielerinnen und Schauspielerinnen, „sie können beides. O’tooli Fortune Haase hatte vorher noch nicht mit Puppen gearbeitet. Aber schon während der Probenzeit in Berlin hat sie sich sehr intensiv auf die Puppe eingelassen und einen ganz eigenständigen Zugang entwickelt. Es ist ein wunderbares Team“.

Fragen stellen. Die Textfassung von Ramsès Alfa ist ein Auftragswerk für die Tiroler Volksschauspiele. „Es ist sehr gut, dass Ramsès als afrikanischer Autor den Text geschrieben hat, er kommt aus einem völlig anderen System, einem anderen Zusammenhang und hat andere Erfahrungen mit Rassismus gemacht. Er kommt durch Soliman zu Wort“, sagt Magdalene Schäfer. Das Produktionsteam hat sich sehr viele Gedanken über Ungleichheit und Rassismus gemacht. „Für uns ist das wirklich heikel, wir wollen und können nicht sagen: das ist die richtige Sicht auf die Dinge, die damals passiert sind. Und auch heute noch passieren. Wir können nur eine Geschichte erzählen und Fragen stellen und das Publikum einladen, selbst Antworten zu finden, selbst genauer hinzuschauen. Aber natürlich kann man sich das Stück auch einfach nur ansehen und denken: spannende Geschichte.“
Sobald „Indien“ abgespielt ist, zieht das Soliman-Team für die Schlussproben in den Kranewitterstadl um. Die Premiere von „Hochgelobt und ausgestopft – Das Leben des Angelo Soliman“ findet am Mittwoch, dem 11. August statt.

 
Seltene Begabung<br />
Im Spiel verlebendigen die Spielerinnen die Puppe und treten selbst aus dem Fokus.
Seltene Begabung<br />
Teile des Stückes erzählt die Produktion Soliman als Schattenspiel.

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