Von Lia Buchner
Heldin des Abends war Maria. Ihr großer Lobgesang aus dem Lukasevangelium, das Magnifikat, proklamiert nichts weniger als eine Revolution: Gott stürzt die Mächtigen. Gott lehrt die Gedemütigten aufrecht zu gehen. Und konsequent radikal fordert die Interpretation der Bibelverse durch die junge Komponistin Antonia Manhartsberger eine Neuverhandlung der Machtverhältnisse: SIE stürzt die Mächtigen. Doch der Reihe nach.
Salve Regina. Den Beginn des Konzertes macht Felix Mendelssohn-Bartholdy. Sein anmutiges „Salve Regina“ bittet die Heldin des Abends auf die Bühne. Erst 15-jährig komponierte er diese seit dem Mittelalter beliebte Anrufung Mariens als harmonisch reiches Lied, noch ganz im Stile der Wiener Klassik.
Feministische Theologie. Eine völlig andere Klang-sprache spricht die Innsbruckerin Antonia Manhartsberger in der Uraufführung ihres „Sie stürzt die Mächtigen“. Sie verwebt Tonschnipsel von Weltfrauentag-Demos mit einem elektronischen Grundpulsieren und dem geflüsterten Text des Magnificat zu einem berührenden Hörerlebnis: „Sie zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind.“ Manhartsberger lässt dem Ensemble viel Gestaltungsfreiraum, ihre Komposition über die Selbstermächtigung klingt mit einem einvernehmlichen Neuanfang als freie Improvisation aus. „Es erscheint mir konzeptuell schlüssig, auch das Machtverhältnis zwischen Komponistin und Ausführenden in Frage zu stellen.“
Volkslied. Zwei Generationen älter ist das Werk von Ralph Vaughan Williams, einem Max Bruch und Maurice Ravel Schüler. Sein Orchesterstück „Five Variants of Dives and Lazarus“ basiert auf dem Gleichnis vom reichen Mann und dem armen Lazarus, der zu Lebzeiten nicht einmal die Brotreste des Reichen bekommt.
Aus dem im englischsprachigen Raum bekannten Volkslied „Dives and Lazarus“ entwickelt Williams das melodienreiche Thema in fünf Variationen, die viel Raum für Soli lassen.
Die frohe Seele. Die zweite Uraufführung des Abends kommt von dem Haller Komponisten Franz Baur. In seinem „Magnificat“ möchte er der Frohen Botschaft Mariens über ihre Empfängnis auch das Bild des Neuanfangs nach dem hoffnungslos erscheinenden Gefangensein unserer Tage einweben: Neue Freude für das Leben. „Die komponierte Musik soll eine helle, lichtdurchflutete Stimmung verbreiten, nicht ohne dazwischen auch dunklere Farben des dramatischen Ermahnens zu zeichnen.“
Eine inspirierende Programmierung, die kluge Themenwahl und zwei Uraufführungen von Auftragswerken für das Tiroler Kammerorchester: schöner kann Neue Sakrale Musik kaum sein.
Franz Baur komponiert und unterrichtet am Mozarteum: Neues Leben trägt Maria.
Neue Sakrale Musik im Barockjuwel: Wunderbare Atmosphäre und Akustik in der Wallfahrtskirche Götzens.
Das 29-jährige Ausnahmetalent Antonia Manhartsberger studiert Computermusik in Graz.