Von Beatrice Hackl
Um 16 Uhr haben in Tirol 48 Prozent – also fast die Hälfte – der Kindergärten bereits geschlossen. Ein Umstand, der laut den SPÖ-Frauen nicht mehr länger tragbar ist. Sie bekräftigen deshalb ihre Forderung nach einem Rechtsanspruch auf ganztägige, ganzjährige und kostenlose Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr. „Aufgrund der fehlenden Ganztagesplätze in Kinderbetreuungseinrichtungen sehen sich viele Frauen gezwungen Teilzeit zu arbeiten, obwohl das weniger Lohn, weniger Pension, mehr Armut und gegebenenfalls eine Abhängigkeit vom Partner bedeutet. In Österreich arbeiten mittlerweile drei Viertel der Frauen, deren Kinder unter 15 Jahre alt sind, in Teilzeit. Wie sollen Eltern ganztags arbeiten, wenn der Kindergarten zu Mittag schließt? Der Ausbau muss jetzt rasch erfolgen. Wir fordern die längst fällige Kinderbetreuungsmilliarde und den Rechtsanspruch auf ganztägige, gratis Kinderbildung“, untermauert SPÖ-Bundesfrauenvorsitzende NR Eva-Maria Holzleitner und ergänzt: „Aktuell bezahlen die Gemeinden in puncto Kinderbetreuung den Löwenanteil, und hier muss der Bund endlich seine Verantwortung wahrnehmen.“
Eigenes Einkommen für ein selbstbestimmtes Leben. Die Kinderbetreuung stellt auch für die Landesfrauenvorsitzende NR Selma Yildirim ein zentrales gesellschaftspolitisches Thema dar. Die finanzielle Belastung der Gemeinden sorge hierbei für ein Ungleichgewicht. „Das Land und der Bund sind gefordert. Um den flächendeckenden Ausbau der Kinderbetreuung umsetzen zu können, muss die Bundesregierung den Gemeinden Geld zur Verfügung stellen, damit diese die Finanzierung stemmen können. Bis dahin haben Familien in finanzschwachen Kommunen stets das Nachsehen“, schildert Yildirim und führt weiter aus: „Es braucht eine Zugangsgerechtigkeit. Kindergärten in Tirol sind durchschnittlich an 42 Tagen im Jahr geschlossen – das macht eine ganztägige berufliche Tätigkeit unmöglich. In Wien gibt es hingegen nur vier Schließtage pro Jahr. Bei der Kinderbildung sind wir am Anfang des vorigen Jahrhunderts hängen geblieben. Leider tragen die Konsequenzen daraus häufig die Frauen. Mir ist es aber auch wichtig an dieser Stelle zu betonen, dass Familienarbeit nicht nur Frauenarbeit ist. Wir haben es hier mit verkrusteten Gesellschaftsbildern zu tun. Familienarbeit ist nämlich sehr wohl auch Männerarbeit. Es ist erschütternd, dass die ÖVP unter Sebastian Kurz die Kindergartenmilliarde aktiv verhindert hat. Wir wollen echte Wahlfreiheit, denn ein selbstbestimmtes Leben gibt es nur mit eigenem Einkommen.“
Kinderbildung und Chancengleichheit. Die Anwesenden sind sich einig: „Frauen müssen die gleichen Möglichkeiten haben im Erwerbsleben zu bleiben wie Männer. Um das zu gewährleisten muss Kinderbildung allerdings vom ersten Lebensjahr bis zur Schule kostenlos sein.“ Die Zirler Gemeinderatskandidatin Sarah Mildner gibt zu bedenken: „Kinderbetreuung kostet Geld, und dabei geht man eigentlich davon aus, dass Kinderbildung gratis ist. Aber erst wenn Kinderkrippe und Kindergarten als Bildungsangebot anerkannt werden – wäre es verpflichtend – sie gratis anzubieten.“ Zirl dient den SPÖ-Frauen als positives Beispiel, wobei Mildner erläutert: „Zirl ist wesentlich besser aufgestellt als der Tiroler Durchschnitt. Bei uns gibt es rund 20 Schließtage, und die Krippe ist beispielsweise von sieben bis 18 Uhr geöffnet. Aber natürlich haben auch wir noch Luft nach oben. Wir verfügen bereits über Splitt-Plätze, und dennoch muss das Angebot noch weiter verbessert werden, insbesondere für Berufe ohne fixe Arbeitstage – hier braucht es noch mehr Flexibilität. Für uns haben Kinderbildung bzw. die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine hohe Priorität, denn es geht ganz klar um einen Beitrag zur Chancengleichheit.“
Zahlen im Überblick. In Tirol sind Kindergärten durchschnittlich an 42 Tagen im Jahr geschlossen. Um 16 Uhr haben 48 Prozent der Kindergärten bereits geschlossen. 51 Prozent der betreuten null- bis zweijährigen Kinder haben in Tirol einen Betreuungsplatz, der den Vereinbarkeitskriterien entspricht (VIF-konform). Bei den drei- bis fünfjährigen Kindern sind es 38 Prozent. Österreichweit sind es 64 Prozent bzw. 52 Prozent, in Wien sogar 84 Prozent bzw. 95 Prozent (Quelle: Kindertagesheimstatistik 2020/21).