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Telferin übernimmt Dornauers Landtagsmandat

Die RUNDSCHAU sprach mit der neuen SP-Abgeordneten zum Tiroler Landtag, Sonja Föger-Kalchschmied

Die Telferin Sonja Föger-Kalchschmied engagiert sich seit Jahren für die SPÖ. Nun hat sie das Landtagsmandat von Georg Dornauer übernommen. Als Abgeordnete zum Tiroler Landtag übernimmt sie die Schwerpunkte Pflege, Inklusion und Regionalität. Darüber hinaus agiert die Telferin als ÖGB-Landesfrauenvorsitzende sowie als Betriebsrätin der Lebenshilfe. Die RUNDSCHAU hat sich mit der NEO-Abgeordneten über ihre politischen Anfänge, ihre neue Aufgabe und ihre Ambitionen unterhalten.
6. Dezember 2022 | von Beatrice Hackl
Telferin übernimmt Dornauers Landtagsmandat
Mit Sonja Föger-Kalchschmied (SPÖ) (im Bild) bekleidet nach Cornelia Hagele (ÖVP) abermals eine Telferin das Amt einer Abgeordneten zum Tiroler Landtag. Föger-Kalchschmied hat das Landtagsmandat von Georg Dornauer übernommen. RS-Foto: Hackl
Von Beatrice Hackl

RUNDSCHAU: Sie sind eine Wahltelferin – wie kam es dazu?
Sonja Föger-Kalchschmied:
Ich komme eigentlich aus Reutte, lebe aber bereits seit 14 Jahren in Telfs und hatte von Anfang an das Gefühl hier richtig zuhause zu sein. Die Marktgemeinde hat einiges zu bieten, und ich lebe hier im wahrsten Sinne des Wortes auf der Sonnenseite.

RS: Wie sieht Ihr beruflicher Werdegang aus bzw. wie haben Sie Ihren Weg in die Politik gefunden?
Föger-Kalchschmied:
Ich habe angefangen Politik und Geschichte zu studieren. Aber dann begann ich bei der Lebenshilfe als Assistentin zu arbeiten. Das war toll, und ich habe das leidenschaftlich gerne getan. Eines Tages wurde mir die Leitung der mobilen Pflege in der Telfer Lebenshilfe anvertraut. Mittlerweile habe ich ein Psychologie-Studium mit einem Bachelor abgeschlossen und bin als Betriebsrätin der Lebenshilfe tätig. Politik war in meinem Leben bereits als Kind sehr präsent. Meine Mutter war politisch sehr interessiert, und bei uns zu Hause wurde alles offen diskutiert. Insbesondere an Sonntagen wurde immer lange über Politik debattiert. Meine Mutter war für mich ein großes Vorbild. Wir lebten im ländlichen Raum, und trotzdem trat sie schon damals – zur Kreisky-Zeit – als sehr emanzipiert auf. Sie hat mich gelehrt, dass es wichtig ist, für seine Überzeugungen einzutreten und sich zur Wehr zu setzen. Sie hat Dinge unverblümt angesprochen und mir verdeutlicht, wie wichtig es ist, selbstkritisch zu sein. Reflexion von außen und eine ehrliche Kritik bringen einen weiter.

RS: Jetzt sitzen Sie im Tiroler Landtag, wie fühlt sich das an?
Föger-Kalchschmied:
Das hätte ich mir vor ein paar Jahren noch nicht vorstellen können, und ich muss erst richtig ankommen. Ich bin in meinem Leben einfach immer meinen Leidenschaften nachgegangen und hier bin ich. Diese neue Position ist sicher eine große Herausforderung. Ich bin demütig und zugleich aufgeregt. Ich möchte und ich denke, ich kann viel für die Menschen umsetzen.

RS: Wie ist es in Tirol um die Inklusion von Menschen mit physischen und psychischen Einschränkungen bestellt?
Föger-Kalchschmied:
In puncto Inklusion ist bereits einiges passiert, aber es gibt noch immer Luft nach oben. Das fängt bei offensichtlichen Dingen an – viele Bereiche des alltäglichen Lebens sind noch immer nicht barrierefrei. Was wir dringend brauchen, ist die Umsetzung von UN‑Behindertenrechtskonventionen. Es ist einfach wichtig, dass alle Menschen und eben auch jene mit Einschränkungen ihr Leben so leben und gestalten können, wie sie es selber wollen. Wir müssen ihnen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen.

RS: Wie könnte das erreicht werden?
Föger-Kalchschmied:
Es bedarf beispielsweise mehr Unterstützung im Bereich Wohnen. Unterstützungsleistungen sollten einen Dienstleistungscharakter erhalten. Das fängt bereits bei der Bezeichnung an. Klienten sollten demzufolge künftig als Kunden bezeichnet werden. Aus meiner Sicht geht es darum, ein individuelles Wohnen zu ermöglichen. Das bedeutet, Menschen mit Einschränkungen eine Unterstützung im Haushalt und/oder beim Kochen zur Seite zu stellen. Zudem haben sie ein Recht auf Arbeit und einen Gehalt. Aktuell erhalten viele von ihnen lediglich ein Taschengeld, und das darf so nicht sein. Auch wäre es wichtig, ihnen die Anreise in die Arbeit mit den Öffis zu ermöglichen – wo wir mitunter wieder bei der Barrierefreiheit angelangt sind. Auch mobile Dienste sollten meines Erachtens forciert werden, zumal sie eine individuelle Förderung zulassen. Dadurch werden neue Welten eröffnet. Natürlich kostet das viel Geld, aber das muss es uns als Gesellschaft wert sein, dass wir jeden mitnehmen. Eine Gesellschaft lässt sich daran messen, wie sie mit Menschen mit einer Einschränkung umgeht.

RS: Schlagwort Pflege: Wie kann eine Entschärfung der extremen Engpässe gewährleistet werden?
Föger-Kalchschmied:
Im Pflegebereich brennt es auf allen Ebenen, und wir müssen sehr schnell ins Handeln kommen. Im Pflegebereich müssen wir unbedingt die Arbeitsbedingungen verbessern. Der erste Schritt in diese Richtung ist, dass wir Pflegeschüler so bezahlen  wie Polizeischüler. Das haben wir auch im Koalitionsabkommen verankert. Damit wollen wir ein klares Signal senden: Diese Ausbildung ist uns viel wert, und wer sich für den Pflegeberuf entscheidet, kann gut davon leben. Neben einer Dienst-plansicherheit müssen wir außerdem dafür sorgen, dass Pflegebedienstete abschlagsfrei mit 60 in Pension gehen können. Die Arbeit ist zwar eine sinnstiftende, aber zugleich psychisch sowie physisch sehr fordernd und belastend. Auch rund um die Pflege von Angehörigen müssen wir schnell ins Handeln kommen. Die Pflege von Angehörigen wird zu 80 Prozent von Frauen bestritten, das kann so nicht sein. Und damit die Menschen darüber hinaus so lange wie möglich in ihren eigenen vier Wänden bleiben können, muss die 24-Stunden-Pflege dringend günstiger werden. Auch das haben wir im Koalitionspapier festgehalten.

RS: Inklusion und Pflege sind aufgrund Ihrer beruflichen Laufbahn sozusagen Ihre beiden Steckenpferde, aber auch die Regionalität zählt jetzt zu Ihren Ressorts.
Föger-Kalchschmied:
Ja, und hier muss ich mich noch etwas einarbeiten. Fürs erste definiere ich diesen Bereich für mich so, dass es in allen Bereichen des Lebens wichtig ist, auf Regionalität zu achten. Die Pandemie hat uns unsere Abhängigkeiten schmerzlich vor Augen geführt. Außerdem ist Regionalität stets eng mit Qualität verbunden – angefangen bei Lebensmitteln bis hin zu Familienbetrieben aller Art. Wichtig ist hierbei immer die Gemeinwohlbilanz, und Regionalität trägt wesentlich dazu bei. Wir brauchen positive Perspektiven und Regionalität ermöglicht genau das. Im Bewusstsein für Regionalität stecken viele Chancen und jede Menge Potenzial – für die Bevölkerung, die CO2-Bilanz und die lokale Wirtschaft. Es geht um Solidarität und wie gesagt um das Gemeinwohl – genau das sind die Werte der SPÖ. Wir kommen nicht alle mit denselben Voraussetzungen auf die Welt. Ich möchte mich einfach für jene stark machen, die es selber nicht können. Insgesamt geht es drum, etwas zu bewegen – für alle,  und das geht nur als Gemeinschaft.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

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