So war es früher – Ausgabe Telfs (41/2022)
Vom Staat massiv beeinflusste und manipulierte „Volksabstimmungen,“ wie sie kürzlich im russisch besetzten Teil der Ukraine stattfanden, gab es auch in unserer jüngeren Geschichte. Dieses Foto zeigt den mit Hakenkreuzfahnen beflaggten Telfer Untermarkt am 10. April 1938, dem Tag der Abstimmung über den „Anschluss“ an Hitler-Deutschland.
Ein gewaltiger Propagandaaufwand und auch offener Druck brachten das gewünschte Ergebnis: In der Marktgemeinde stimmten damals 99,7 Prozent der Bevölkerung für den „Anschluss“. In anderen Gemeinden waren die Resultate ähnlich.
Historiker gehen davon aus, dass damals auch ohne massive Druckmittel ein großer Teil der Bevölkerung mit „Ja“ gestimmt hätte. Ein Grund dafür: Im Land waren nach den Jahren der Depression bereits wirtschaftliche Verbesserungen spürbar. Was die Menschen nicht wussten: Der Aufschwung, der gelegentlich noch heute für eine besondere Leistung des NS-Regimes gehalten wird, war das Ergebnis eines volkswirtschaftlichen Taschenspielertricks.
Während die neuen Machthaber die realen Werte – wie die Goldreserven der Nationalbank – aus Österreich nach Deutschland schafften, pumpten sie verschwenderisch riesige, aber durch Schulden finanzierte Geldsummen in die österreichische Wirtschaft und den Sozialbereich. Heute kennt man diese Methode als „deficit spending“.
Allerdings war der Schuldenberg, den das Regime mit dieser und ähnlichen Aktionen angehäuft hatte, im Jahr 1938 bereits gigantisch. Nicht zuletzt, weil auch die militärische Aufrüstung auf diese Weise finanziert worden war. Doch Hitler und seine Ökonomen hatten eine Lösung im Auge, durch die sie die Verschuldung mit einem Schlag loswerden wollten: Der große Krieg, bei dem man seine Nachbarn – vor allem Osteuropa – ausplündern und sich damit sanieren wollte, war bereits in Planung.
17. Oktober 2022 | von
Stefan Dietrich