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„Skisport ist unterbezahlt“

Der Axamer Profi-Weltmeister Hugo Nindl im großen RUNDSCHAU-Interview

Er war einer der Größten im Skisport, holte in den 60er-Jahren zahlreiche Siege in internationalen Rennen, und kürte sich vier Mal zum österreichischen Meister. Außerdem avancierte er 1971 und 1974 zum Profi-Weltmeister. Die Rede ist vom Axamer Hugo Nindl, der am 3. März seinen 80. Geburtstag feiert. Die RUNDSCHAU besuchte ihn in der Lizum in seiner Schischule zu einem Interview.
28. Feber 2022 | von Albert Unterpirker
„Skisport ist unterbezahlt“<br />
Erzählte beim RUNDSCHAU-Interview einige Schmankerln: Hugo Nindl. RS-Fotos: Unterpirker
Von Albert Unterpirker

RUNDSCHAU: Herr Nindl, können Sie sich an ein Rennen in Ihrer langjährigen Karriere zurückerinnern, das für Sie unvergessen bleibt?
Hugo Nindl:
Ich bin seinerzeit in die USA gekommen, um zu arbeiten, um Geld zu verdienen, und die zwei Profi-Weltmeistertitel sind unvergesslich. Unvergesslich ist auch das Jahr 1965, als ich weltbester Slalomläufer war (FIS A-Rennen, wie heute der Weltcup, Anm.), und drei Slaloms gewonnen habe (Davos, Gröden und Vail). Genauso unvergesslich ist aber, wie ich in Kitzbühel bei der Hahnenkammabfahrt den zweiten Platz belegt habe.

RS: Der erste Platz wäre sich da nicht ausgegangen?
Nindl:
Nein, erstens hatte ich eine späte Nummer (Nummer 27), und der Egon (Zimmermann) war damals einfach stark (Gewinner der Abfahrt). Ich bin ja von Gewicht und der Statur her kein richtiger Abfahrer.

RS: Was war damals der Reiz, bei dieser US-Profiserie mitzufahren? Abgesehen vom finanziellen Aspekt ... mal so schnell nach Amerika zu gehen, ist wohl nicht so einfach?
Nindl
: Das ist richtig. Ich habe ja schon eine Familie gehabt, und Oliver (sein erster Sohn) war damals 14 Tage alt, und ich bin für sechs Jahre „abghaut“ (schmunzelt). Der erste Beweggrund war eigentlich der, dass ich in Axams gebaut habe, eine kleine Pension. 1968 war ich Fixstarter für Grenoble, hab mir aber bei der Lauberhornabfahrt den Fuß gebrochen. Da konnte ich eineinhalb Jahre nicht skifahren, und früher war es so, wenn du mehr als ein Jahr ausgesetzt hast, hast du FIS-Punkte verloren. Als ich zu dieser Zeit in Innsbruck im Kaufhaus Tyrol gearbeitet habe, kam der Sportdirektor vom amerikanischen Skiverband zu mir und hat gesagt: Er macht eine Profiserie, ob ich nicht mitmachen möchte ...

RS: Da haben Sie zugesagt?
Nindl:
Nicht gleich, weil ich hatte ja eine Familie, ich wollte gar nicht mehr – mit 29 Jahren. Ich habe dann bei Atomic einen Vertrag bekommen, und damit war die Familie für ein Jahr abgesichert. Dann bin ich rüber.

RS: Die US-Profiserie startete also gleichzeitig mit Ihrem dortigen Engagement?
Nindl:
So ist es. Wir waren quasi Mitbegründer, und in der ersten Saison hatten wir nur vier Rennen. 1974, als ich das zweite Mal Weltmeister wurde, hatten wir 14 Renn-Wochenenden (Slalom und Riesenslalom). Mit dabei waren dann u.a. Billy Kidd (Olympia-Silber-Medaillen-Gewinner) oder auch Jean-Claude Killy (dreifacher Olympiasieger).

RS: Wie hat das Ganze bei Ihnen mit dem Skisport in Tirol überhaupt angefangen?
Nindl:
Ich war halt ein Talent. Irgendwann haben sie mich zu Bezirksrennen geschickt, und plötzlich war ich auch im Tiroler Kader. Früher war ja alles anders. Ich bin mit 14 Jahren das erste Mal mit einem Lift gefahren, vorher sind wir die Piste selbst raufgebrettelt – das war noch was!

RS: Wie wichtig ist das Verhältnis im Skisport zwischen Talent und Wille? Mit Talent allein geht’s ja auch nicht ...
Nindl:
In erster Linie musst du Talent haben, dann kommt der Fleiß. Ein Trainer sieht gleich, ob ein Kind ein Bewegungstalent ist, oder nicht. Ich würde sagen, früher, zu meiner Zeit, hast du mindestens 60 Prozent Talent gebraucht. Heute ist das anders, Athletik und Material spielen eine sehr große Rolle. 
RS: Wie sehen Sie den Schisport heute generell?
Nindl: Der Skirennsport hat für mich, so wie es derzeit läuft, keine große Zukunft.

RS: Wieso das?
Nindl:
Wenn du schaust, welchen Aufwand die Eltern haben – ein Arbeiter kann sich das nicht leisten. Drum ist der Rennsport bei uns am absteigenden Ast. 23 Jahre lang bin ich Atomic gefahren und habe damals für Atomic Jugend-Förderung gemacht. Zum Beispiel hat Benni Raich mit sechs Jahren von mir den ersten Ski bekommen. Damals bin ich zu den Eltern hingefahren. Heute muss ein FIS-Läufer seine Ski selbst kaufen. Das ist nicht mehr einfach, da kommt auf die Eltern viel zu.

RS: Das heißt, es könnte sein, dass es zwar Top-Talente in Tirol gäbe, aber diese Talente es nicht schaffen, weil die finanziellen Mittel seitens der Eltern fehlen?
Nindl:
So ist es, das könnte sein.

RS: Was müsste da passieren, dass das nicht eintrifft?
Nindl:
Wenn du zum Beispiel keinen Sponsor hast, etwa eine Firma, die die Familie unterstützt, ist es schwierig. Ich habe hier die Rennschule Austria Racing Camp aufgebaut. Früher kamen aus Innsbruck Süd 130 Teilnehmer, heute sind aus Süd und Nord zusammen nur mehr 60 Teilnehmer. Daran siehst du, wo es hingeht. Das ist ein internationales Problem.

RS: Apropos, haben Sie früher einen Servicemann gehabt?
Nindl:
Nein, alles selbst gemacht. Drum schätze ich das so hoch ein, was Johannes Strolz bei der Olympiade geliefert hat. Der war ja anfangs nicht mehr im ÖSV-Kader drin, hat nur mittrainieren dürfen. Bei den Zeitläufen hat er sich für den Weltcup qualifiziert und ist nur von der Firma Head unterstützt worden. Er hat alles selbst gemacht, er weiß genau, was er braucht – zum Beispiel bei so schwierigen Schneeverhältnissen, wie es sie in China gab. Ich hab auch immer alles selber gemacht. In den USA alle Flüge immer gebucht, die Unterkünfte gebucht, das Organisatorische für die Rennen erledigt. Erst ganz zum Schluss hatte ich einen Servicemann.

RS: Zu den Preisgeldern: Für einen Sieg in Kitzbühel bekommt man 100.000 Euro pro Rennen. Wie sehen Sie das? Sind das Kategorien, von denen man früher träumen hat können, oder?
Nindl:
Ja, schon, aber das ist noch viel zuwenig! Der Skisport ist mit seinen Preisgeldern nach wie vor unterbezahlt.

RS: Gibt es Menschen oder Situationen, an die Sie sich abseits der Rennen sehr gerne zurückerinnern?
Nindl:
Ich war zum Beispiel mit Arnold Schwarzenegger hier sechs Tage in der Lizum schifahren, und bei einem Einladungsrennen in Kalifornien bin ich mal auch zusammen mit Clint Eastwood im Vierer-Team gefahren. Wir hatten da eine super Gaudi.

RS: Haben Sie ein paar Filme von Clint Eastwood gesehen?
Nindl:
Ich schau mir jeden an und warte, wann der nächste Western kommt (lacht).
RS: Wo haben Sie in den USA eigentlich gelebt?
Nindl: Im Staat New York, ungefähr eine Autostunde von New York City entfernt. In den Hunter Mountains, in den Catskills, in einem Appartement. Aber ich bin immer unterwegs gewesen. Der Besitzer dort wollte unbedingt, dass ich mich ansässig mache, und hat mir einen Grund geschenkt, 3.000 Quadratmeter. Den Grund habe ich dann dem dortigen Skischulleiter und Besitzer der dortigen Skischule, einem Innsbrucker, dem es finanziell nicht gut gegangen ist, geschenkt. Das war mir ein Bedürfnis, das war ein guter Freund. Ich habe aber nie gefragt, was der Grund wert ist.

RS: Hätten Sie sich vorstellen können, dass alle rüberziehen?
Nindl:
Ja, es war ganz knapp. Der Grundbesitzer hat mir ein Angebot gemacht, dass ich dort Sport-Direktor werden kann. Und als ich aus den USA zurückkam, habe ich zum damaligen Axamer Bürgermeister, Walter Töpfer, als er mich vom Flughafen in München abholte, gesagt: Du Walter, das ist jetzt das letzte Mal, dass du mich abholst – ich bleib in Amerika. Dann sagt er: Nein, das kannst du nicht machen. Jetzt habe ich geschaut, dass du hier einen Grund kaufen kannst – du musst da bleiben! Dann bin ich dageblieben, sonst wäre ich jetzt drüben. Auch meine Frau wäre einverstanden gewesen.

RS: Aber einen Hugo Nindl kann man nicht so einfach zu irgendwas überreden, oder?
Nindl:
Walter war ein sehr guter Freund. Er wollte immer, dass ich in die Politik gehe, er wollte, dass ich auf seine Liste gehe. Ich habe aber gesagt: Walter, wenn du auf unsere Freundschaft einen Wert legst, dann bitte lass mich raus aus der Politik (lacht).
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Hugo Nindl: „Hatten mit Clint Eastwood eine super Gaudi!“
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Gehört im Adelshof zum Stammgast: Hugo Nindl mit Adelshof-Chef Martin Kathrein.
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Hugo Nindl mit seinem Sohn Oliver, der heute die Olympic-Skischule in der Axamer Lizum leitet.

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