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Zirl ließ Tunnelbaufirma von Weltruf abblitzen

Gemeinderat lehnte Unternehmensansiedelung (80 Angestellte, 180.000 Euro Kommunalsteuer) mit 11:8 Stimmen ab

Es war wie ein Déjà Vu: Wie schon bei den Firmen „Hornbach“ und „Leitner“ vor vielen Jahren, lehnte der Gemeinderat in der jüngsten Sitzung die Ansiedelung einer Hochtechnologiefirma von Weltruf auf Zirler Gemeindegebiet ab. Das Unternehmen hätte ein Bürogebäude, eine Werkstätte und einen Bauhof für 80 bis 120 Mitarbeiter auf der Schuttdeponie zwischen Autobahn, Steinbruch, Bundesstraße und Inn errichtet. Derzeit liefert die Firma in Innsbruck jährlich 180.000 Euro an Kommunalsteuern ab. Künftig stellte man sogar 300.000 Euro in Aussicht. Die Gegner wollten der Firma einen anderen Standort vorschlagen. Sie fühlten sich unter Zeitdruck, wollten landwirtschaftliche Flächen erhalten und ein Bürgerbeteiligungsverfahren abwarten.
26. April 2021 | von Bernhard Rangger
Zirl ließ Tunnelbaufirma von Weltruf abblitzen<br />
Das Areal zwischen Inn und Steinbruch hätte zum neuen Firmensitz der weltweit agierenden Tunnelbaufirma BeMo werden sollen. Foto: Rangger
Von Bernhard Rangger

Projektbetreuer Josef Meier und Johann Schneider von der Firma „BeMo“ stellten den Gemeinderäten in Form einer Powerpoint-Präsentation das Projekt vor und betonten, dass es neben Zirl auch andere Optionen für die Firmenzukunft gäbe. Wenn es aber zu einem positiven Grundsatzbeschluss komme, wolle man die gesamte Firmenzentrale von Innsbruck (nahe Mediamarkt) nach Zirl verlegen. Es gab konstruktive Gespräche mit den Grundstückseigentümern, der Erzabtei St. Peter und den ehemaligen Steinbruchbetreibern Hansjörg und Martin Plattner, die ihre Flächen so untereinander getauscht hätten, dass sich die Firma, die über Niederlassungen in Deutschland, Schweden, Großbritannien, Canada und den USA verfügt,  gleich nach der Böschung zum Inn auf der Südseite des Areals auf 14.500 Quadratmetern Fläche ansiedeln würde. Auch mit dem Raumordnungs- und Wirtschaftsausschuss gab es mehrere gute Besprechungen, bei denen mit der Tunnel-, Berg- und Tiefbaufirma, die in den mehr als 55 Jahren ihres Bestehens auf der gesamten Welt Projekte verwirklicht hat, Probleme wie verkehrstechnische Anbindung, energetische Versorgung, die Erhaltung des Gießens und  die Grundversiegelung besprochen haben. Bürgermeister Thomas Öfner: „Die Firma hat auch schon einige Lösungsansätze präsentiert, kam aber nun nach mehrmonatigen Besprechungen zur Auffassung, dass sie einen Grundsatzbeschluss des Gemeinderats erwarte, damit man nicht zuviel unnötige Energie in ein Projekt stecke, das letztlich nicht verwirklicht werden kann!“

Keine Insellösung. Ausgerechnet die beiden Wirtschaftsparteien (Zukunft Zirl und Zirl Aktiv) sowie Hermann Stolze (Grüne) stellten sich gegen das Vorhaben. Sie kritisierten, dass die Vorbereitung für einen positiven Gemeinderatsbeschluss zu kurz waren. Der Liste von Vizebürgermeisterin Iris Zangerl-Walser geht es um den Erhalt der landwirtschaftlichen Flächen: „Wir sollten zunächst das Gewerbegebiet Zirler Wiesen und die freien Flächen an der Europastraße voll machen!“ Vizebürgermeisterin Victoria Rausch erinnerte an den Ortsleitbildprozess, der im nächsten Jahr gestartet werden soll, und wollte diesem nicht durch eine so weitreichende Entscheidung vorgreifen: „Die kurzfristige Erschließung neuer Gewerbeflächen ist nicht zwingend notwendig!“  Beide Fraktionen betonten, dass eine Insellösung für ein Einzelprojekt keine wünschenswerte Entwicklung darstelle. Auch GR Stolze schlug vor, weil der Standort als Vorbehaltsfläche für landwirtschaftliche Betriebe vorgesehen sei, nach einem geeigneteren Standort zu suchen. Dorfchef Öfner führte hingegen ins Treffen,  dass die Firma hochspezialisiert sei und daher viele qualifizierte Mitarbeiter mit sehr hohen Gehältern beschäftige: „Im Gegensatz zu den bestehenden Zirler Firmen, bei denen die Gemeinde durchschnittlich 1.000 Euro pro Angestelltem an Kommunalsteuer einnimmt, wären es bei BeMo 3.000 Euro. Der Standort war über Jahrzehnte Gegenstand von Überlegungen, dort Betriebe anzusiedeln. Er weist aus mehreren Gründen große Vorzüge auf, da das Areal von Zirl aus fußläufig erreichbar ist, die Lkw- und Schwertransportfahrten aber außerhalb des Ortsgebietes abgewickelt werden können!“
ungenützte chance. Nach der überraschenden Ablehnung des Projekts meinte der Ortschef: „Ich nehme die demokratische Entscheidung zur Kenntnis, gestehe aber ein, dass es mir ausgesprochen leid tut. Denn der Bereich Moosscheibe-Steinbruch wird wohl früher oder später zu einem Gewerbegebiet werden. Für Zirl ist es eine ausgelassene Chance, da man mit den Kommunalsteuereinnahmen viele wichtige Anliegen der Zirler Bürger leichter realisieren hätte können!“ Auch die Vertreter der bürgerlichen Listen gaben ihrer Hoffnung Ausdruck, dass über die Standortfrage mit der vorgestellten Firma noch weiter verhandelt wird. Einstimmig beschloss der Gemeinderat hingegen, einen Optionsvertrag mit der Fa. Plattner anzunehmen und Gründe am Steinbruchareal ins Eigentum der Gemeinde zu übernehmen. Ein Rechtsanwalt hatte geprüft, dass die Gemeinde schuldrechtlich abgesichert sei, wenn in den Schüttungen unterhalb der Steinbruchwand nicht-Bescheid-gemäß eingebrachtes Material gefunden würde.
 

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