Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Zum Sehen, Riechen und Anfassen

11. Juni 2019 | von Nina Zacke
Das Zentrum des Museums bildet ein Paarhof – die am meisten verbreitete Hofform im Ötztal – mit einem Vorrats-Speicher und landwirtschaftlichen Anlagen. RS-Foto: Hirsch
In den Sommermonaten wird im Ötztaler Heimat- und Freilichtmuseum Brot gebacken – nach Originalrezept. Obmann Hans Haid: „Brot ist zugleich auch Sinnbild für das Leben und unser Museum. Für das, was wir weitergeben müssen.“ Foto: Ötztaler Museen

Das Ötztaler Heimat- und Freilichtmuseum ist 40 geworden


Das 40-jährige Jubiläum des Heimatmuseums wurde mit ganztägigem Programm für Alt und Jung gefeiert. Sagenerzählerin Barbara Weber schilderte Erstaunliches vom Wassermann im Lehnbach. Brot zur Stärkung wurde gebacken und abends berichteten Wegbegleiter, bebildert durch alten Fotografien, von der Entwicklung des Museums sowie vom Wandel im Ötztal. Pünktlich zur Feier konnte das neues Leitsystem als Orientierungshilfe aufgebaut werden.

Von Friederike Hirsch

Viele waren gekommen, trotz warmen Sommertemperaturen, Pfingstferien und Länderspiel. Das Ötztaler Heimat- und Freilichtmuseum feiert 40 Jahre. „Einen Sack voll Erinnerungen“, hat einst Hans Haid, Obmann des Ötztaler Heimatvereins, mitgebracht. Er erinnerte an die Anfänge des Heimatvereins 1966, an die Kontroversen im Tal, an die Eröffnung des Museums 1979 und vor allem an die Menschen, die direkt oder indirekt zum Erfolg beigetragen haben.
Intensive 40 Jahre

1979 wurde das Ötztaler Heimat- und Freilichtmuseum in Lehn mit den ersten sieben Gebäuden eröffnet. Eine Gruppe Engagierter rund um Hans Haid und Isidor Grießer hatte schon Jahre davor begonnen, alte Möbel, Geräte und Gebrauchsgegenstände als Dokumente des bergbäuerlichen Lebens zu sammeln. Ziel war es, ein Sozialmuseum des Bergbauerntums zu schaffen. Ein Denkmal der Ötztaler Wurzeln angesichts der modernen, schnelllebigen Zeiten und vor allem angesichts des immensen Wandels im Tal. Anfang der 1950er Jahre lebten noch über 50 Prozent der Ötztaler von der Landwirtschaft. Der Tourismus veränderte das Ötztal nachhaltig. Hätte es damals wie heute nicht Menschen gegeben, die immer wieder versucht hätten, das Alte mit Augenmerk und Fingerspitzengefühl zu bewahren, würde das Ötztal heute kein außergewöhnliches Freilichtmuseum sein Eigen nennen können. Obmann Hans Haid hat es treffend formuliert: „Das Museum ist eine Brücke zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.“

In den Sommermonaten wird im Ötztaler Heimat- und Freilichtmuseum Brot gebacken – nach Originalrezept. Obmann Hans Haid: „Brot ist zugleich auch Sinnbild für das Leben und unser Museum. Für das, was wir weitergeben müssen.“ Foto: Ötztaler Museen

Geruch vergangener Tage

Das Zentrum des Museums bildet ein Paarhof – die am meisten verbreitete Hofform im Ötztal – mit einem Vorrats-Speicher und landwirtschaftlichen Anlagen. Diese werden durch die Wasserkraft des nahen Lehnbaches angetrieben. „A’dr Lehn 24“ war noch weit in die 1950er bewohnt. Alois Praxmarer erinnert sich: „Ich erinnere mich gut an die Kälte, an die Mäuse und an das Plumsklo. Unseres war nicht so spektakulär wie andere, weil es nicht sehr hoch war. Wenn ich heute das Museum betrete, dann fällt mir der Geruch auf. Ich rieche noch immer meine Kindheitserinnerungen.“ Das ist auch das Besondere am Freilichtmuseum in Längenfeld. Es ist ein Museum zum Sehen, Riechen und Anfassen. Knarrendes Holz, der Duft vergangener Tage, ein leichtes Raucharoma, rauer Stein, Geranien an den Fenstern. Liebevoll und bis ins Detail renoviert und restauriert – das ist das Herzstück des Museums. Ötztaler Trachten, fromme Heiligenstatuen, der Herrgottswinkel, Werkzeuge und geschichtsträchtige Bücher lassen uns heute erahnen, wie einfach und entbehrungsreich das Leben im Tal war. Man spürt, wie die Menschen im Ötztal lebten, wohnten, schliefen, aßen, wie sie kochten, arbeiteten, lernten und sich die Zeit vertrieben. Die Häuser sind allesamt Originalbauten und befinden sich an den Originalschauplätzen. Und nicht nur die Häuser, auch die Ausstellungsstücke sind allesamt echt.
Lebendiges Museum

Das Museum liegt inmitten eines der letzten historischen Dorfkern des Tals. Seine Besonderheit ist, dass hier, zaunlos und umgeben von Allgemeingrund, museale und bewohnte Gebäude nebeneinander stehen. Neben dem Paarhof können ein Seitenflurhaus aus der Mitte des 17. Jahrhunderts, eine Säge, eine Stockmühle aus der Zeit um 1700 sowie eine Schwinghütte neu entdeckt werden. 2005 konnte das, neben dem Museum stehende „Schmiedlas Haus“, das unter Ensemble-Schutz steht, erworben werden. Spätgotische Elemente kamen zum Vorschein, als es saniert und schließlich für das Projekt „Gedächtnisspeicher Ötztal“ angepasst wurde. Der Gedächtnisspeicher Ötztal ist Ausstellungsfläche, Vortrags- und Seminarraum und Archiv. Ein Platz, wo die Ötztaler ihre schriftlichen und fotografischen Erinnerungen hinbringen können und sich sicher sind, dass sie bewahrt, geschützt und „geschatzt“ werden. Altes Handwerk wird im Ötztaler Heimatmuseum wieder zum Leben erweckt. Es wird gesägt, Flachs gebrochen und gebacken. 2014 wurde dem Ötztaler Heimat- und Freilichtmuseum das Museums-Gütesiegel verliehen. Ein Tipp zum Besuch: „A’dr Lehn“ wird Ötztalerisch gesprochen.

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