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„Zusammenhalten, gerade jetzt!“

AK-Präsident Erwin Zangerl im Gespräch über Zukunftsprogramm und nahende Wahlen, über Solidarität und Sozialpartnerschaft

Mit dem Zukunftsprogramm 2019-2023 möchte die Arbeiterkammer Tirol die Weichen für mehr Leistung stellen. Schwerpunkte sind eine Digitalisierungsoffensive sowie ein Frauenförderungsprogramm. „Alles unter dem Motto: Mehr und verbesserte Leistungen für das gleiche Geld für die Mitglieder“, sagt AK-Präsident Erwin Zangerl, der im Gespräch ebenso an die baldigen Wahlen erinnert und Kritik an der Bundesregierung übt.
8. Jänner 2019 | von Manuel Matt
„Zusammenhalten, gerade jetzt!“
Sieht die soziale Marktwirtschaft durch neoliberal-nationale Kräfte bedroht – der Tiroler Arbeiterkammer-Präsident Erwin Zangerl. Foto: Gerhard Berger/AK Tirol

 


Von Manuel Matt



RUNDSCHAU: Was sehen Sie als Aufgaben der Arbeiterkammer? Erwin Zangerl, Präsident der Arbeiterkammer Tirol: Unsere Hauptaufgabe derzeit ist, als Gegengewicht gegen neoliberale und nationale Tendenzen aufzutreten, um den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bestmöglich zu helfen, sowohl im Einzelfall als auch bei der kollektiven Interessenvertretung. Ich habe mich immer zum gemeinsamen überfraktionellen Einsatz aller Arbeitnehmervertreter – Betriebsräte, Gewerkschaften und AK – bekannt, um diese Flut an Verschlechterungen und Fouls gegenüber den Arbeitnehmer-Familien abzuwehren. Ich fordere mehr Wertschätzung gegenüber den Beschäftigten, die unser Land am Laufen halten.



RS: Ist die Arbeiterkammer für den immer rascheren Wechsel in der Arbeitswelt gerüstet?

Zangerl: Unser Zukunftsprogramm 2019-2023 ist die Antwort. Wir begleiten die Tiroler Arbeitnehmerschaft auf dem Weg der beruflichen Veränderung. Mit der Digitalisierungsoffensive fördern wir Projekte, die die Arbeitsbedingungen verbessern, und unterstützen Beschäftigte auf diesem Bildungsweg. Weiters wird die AK ihr Frauenförderungsprogramm verstärken, vor allem im Bereich der Wiedereinsteigerinnen, die flächendeckende Wohn- und Mietrechtsberatung wird weiter ausgebaut, das Beratungsangebot für Jugendliche erhöht und auch die Leistungen für unsere ehemaligen Mitglieder, die Pensionisten, im Sozialrecht, Pflegebereich und Konsumentenschutz werden erweitert.



RS: Ab 14. Jänner beginnt die AK-Wahl – wie läuft das Votum ab? Zangerl: Die AK-Mitglieder sind aufgerufen, ihre Stimme abzugeben und damit ihre Interessenvertretung zu stärken. Der größte Teil der AK-Wahlberechtigten kann bequem per Brief die Stimme abgeben. Diese Wähler sind Briefwähler. Das heißt, sie erhalten zwischen 14. und 18. Jänner die Wahlunterlagen per Post und können dann sofort Ihre Stimme abgeben, indem sie die Wahlkarte kostenfrei zurückschicken. Rund 47000 Wahlberechtigte können im Betrieb wählen. Für diese Gruppe startet die AK-Wahl ab 28. Jänner. Die dort eingesprengelten AK-Mitglieder können ihre Stimme an festgelegten Tagen gleich in der Firma abgeben.



RS: Warum sollten die Mitglieder an der Wahl teilnehmen?

Zangerl: Wir sind die mit Abstand größte und stärkste gesetzliche Interessenvertretung. Durch den gesetzlichen Beitrag der AK-Mitglieder sind wir finanziell in der Lage, unabhängig zu sein. Mit unseren mehr als 360000 Tiroler Mitgliedern und den österreichweit mehr als 3,7 Millionen AK-Mitgliedern sind wir eine starke Kraft, die sich für die Arbeitnehmer einsetzen und Ungerechtigkeiten bekämpfen kann. Wir reden nicht vom sogenannten „kleinen Mann“, wir vertreten ihn und stehen den Menschen zur Seite. Unsere Experten helfen in allen Bereichen des Arbeits- und Privatlebens. Wir wissen, wie es den Menschen am Arbeitsplatz und in der Familie geht, wie hart sie arbeiten müssen und wie schwer es geworden ist, von seiner Arbeit auch leben zu können. Wir kennen die Sorgen der Familien und ihre Probleme mit den heranwachsenden Kindern. Die Hürden für junge Menschen, ins Berufs- und Familienleben oder in die Ausbildung einsteigen zu können, werden immer höher, weil die Arbeitsbedingungen unsicherer geworden sind und Wohnen unerschwinglich teuer ist.



RS: Wie beurteilen Sie die politische Wertschätzung gegenüber den Beschäftigten?

Zangerl: Unsere Republik gerät zunehmend in eine soziale Schieflage. Wenn alles den Bedürfnissen der Industrie und dem Finanzkapital untergeordnet wird, bleibt immer weniger für die Arbeitnehmer-Familien. Es geht um soziale Sicherheit und Stabilität in unserem Land. Statt Solidarität und Zusammenhalt wird jetzt allzu oft versucht, unsere Gesellschaft zu spalten. Statt Zuversicht werden Angst und Intoleranz verbreitet. Es braucht statt Wertschöpfung mehr Wertschätzung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.



RS: Was verstehen Sie unter den Stichwörtern Solidarität und Hilfe für den Nächsten?

Zangerl: Diese zwei Tugenden haben unsere Demokratie stark gemacht. Demokratie wiederum lebt von Frieden, Freiheit und Sicherheit. Dies sichert seit mehr als 70 Jahren Wohlstand und sozialen Ausgleich. Wir dürfen diesen Pfad nicht verlassen, denn es geht um die gerechte Teilhabe aller in unserem Land. Die Arbeiterkammer steht für gelebte Solidarität, für Gerechtigkeit und sozialen Ausgleich. Die Arbeitnehmer können sich auf die Schutzfunktion ihrer gesetzlichen Standes- und Interessenvertretung verlassen. Sorgen müssen wir uns machen über jene Hetzbotschaften, die Radikalisierung und Zwietracht säen wollen.



RS: Wie stehen Sie zum Wert der Zivilgesellschaft?

Zangerl: Notfalls müssen wir wieder laut werden, um zu unseren demokratischen Werten zu stehen. Die Stärkung der Zivilgesellschaft ist aktueller denn je, auch wenn maßgebliche Vertreter der Regierung allzuoft Politik für Großindustrie, selbsternannte Leistungsträger, aber viel zu wenig für Arbeitnehmer-Familien, sozial Schwächere und Bedürftige in unserer Gesellschaft machen. Wir sollten uns immer überlegen, was uns groß gemacht hat. Nicht der Egoismus und die Ellenbogenmentalität, sondern immer das solidarische Handeln. Das ist auch die eindeutige Antwort auf jene neoliberal-nationalen Kreise, die unsere soziale Marktwirtschaft entsorgen und durch ein System „Jeder gegen jeden“ ersetzen wollen. Alle positiven Kräfte in unserem Land müssen sich lauter und entschiedener zu Wort melden gegen jede Form der Radikalisierung und Ausgrenzung.



RS: Was ist Ihnen ein besonderes Anliegen?

Zangerl: Dass die Regierung erkennt, wie wichtig eine funktionierende Sozialpartnerschaft für den sozialen Frieden in unserem Land ist. Und welche bedeutende Rolle dabei der AK als gesetzliche Interessenvertretung zukommt. Weil sie überall mitbestimmen und diktieren will, versucht die Regierung seit Monaten, den Einfluss der Selbstverwaltungen und der Kammern massiv zurückzudrängen und sie politisch mundtot zu machen. Ebenso ist es mit dem Erhalt der Pflichtmitgliedschaft in den Kammern, der von politischen Kreisen immer wieder in Frage gestellt wird. Mit einem AK-Beitrag von durchschnittlich sieben Euro im Monat erhalten Mitglieder umfassenden Schutz. Für jeden Euro fließen drei Euro an die AK-Mitglieder zurück. In Summe ergibt das eine starke Standesvertretung, in der jeder solidarische Hilfe erfährt. Mit der Kraft von mehr als 3,6 Millionen Mitgliedern kann die AK mit dem ÖGB die Interessen der Beschäftigten gegen die starken Unternehmerverbände vertreten. Die AK ist Schutzschild und schlagkräftige Einsatztruppe, wenn Unrecht geschieht, ganz egal in welchen Bereichen des Lebens.

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