Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
Artikel teilen
Artikel teilen >

„Die ehrlichste Form des Musizierens“

Tiroler Lukas Köninger erobert mit seinem „reisenden Klavier“ die Straßen Südfrankreichs

Er war 17 Jahre alt, als er zum ersten Mal die CD- und Schallplattensammlung seiner Eltern durchstöberte. Ein Zeitpunkt, der das Leben von Lukas Köninger verändern sollte. Denn die Schätze, die er in dieser Sammlung fand, sollten Ausgangspunkt seiner zukünftigen Reise werden. Eine Reise, die ihn vom Tiroler Oberland bis in den Süden Frankreichs führen sollte, wo er neben seiner musikalischen auch seine persönliche Heimat gefunden hat. Stets an seiner Seite: Ein blaues Klavier – sein „piano voyageur“.
22. Feber 2021 | von Mel Burger
„Die ehrlichste Form des Musizierens“
Auf den Straßen Südfrankreichs hat der gebürtige Roppener seine musikalische Heimat gefunden. Foto: Privat
Von Barbara Heiss

Es waren Musiker wie Jerry Lee Lewis, Vince Weber, Amos Milburn, Ray Charles, Little Willie Littlefield sowie Axel Zwingenberger, die in Lukas Köninger die Leidenschaft für Blues, Boogie-Woogie und Rock‘n‘Roll hervorriefen. Recht ungewöhnliche Musikrichtungen, die einen 17-Jährigen dazu bewegen, mit Musik sein Geld verdienen zu wollen. „Gerade Blues und Boogie-Woogie waren ja die Musikrichtungen der unterdrückten Gesellschaften, die sich damit Ausdruck verliehen haben. Auch in meinem Leben sind manchmal Dinge schiefgelaufen. Ich habe mich oft unverstanden und einsam gefühlt – meine Musik hat mir in diesen Zeiten immer geholfen. Aber auch in guten Zeiten war sie ein toller Soundtrack für mein Leben“, schwärmt der heute 31-Jährige über seine Musik. Beinahe jede freie Minute verbrachte er damals am Piano einer Bekannten und lernte sich selbst das Klavierspielen. „Ich habe dabei immer nach Gehör gespielt – nach Noten spiele ich bis heute nicht“, erklärt Köninger. 

LUKAS ET LE PIANO VOYAGEUR. Nach seiner Ausbildung zum Klavierstimmer bei Roland Zifreind in Innsbruck und ersten Erfahrungen auf der Bühne, kam eine ältere Dame auf den jungen Musiker zu und bat ihn, gemeinsam mit seiner Band bei ihr Zuhause zu spielen. „Sie sagte mir aber, dass sie kein Klavier Daheim hätte und fragte, ob ich meines nicht mitnehmen könnte. Da kam mir die Idee für mein reisendes Klavier.“ Kurz darauf schmiedete Köninger die ersten Pläne für ein mobiles Piano, die dann aber vorerst in einer Schublade verschwinden sollten. Vier Monate später zog er dann nach Südfrankreich, um als Klavierstimmer zu arbeiten und die Sprache zu erlernen. „Dann hab ich meine alten Klavier-Pläne wieder ausgegraben, weil ich schon lange Straßenmusik machen wollte. Nach einem Telefonat mit Roland Zifreind hab ich mir dann in Österreich ein Klavier gekauft und 2017 mein erstes ,reisendes Piano‘ in Frankreich gebaut“, erklärt der Musiker. Dabei war diese Erstversion noch recht minimalistisch: Die Konstruktion, ein Brett mit Rädern, auf der das Klavier stand, ging nach zwei Auftritten kaputt, erinnert sich Köninger: „Ich habe aber gemerkt, dass diese Art des Musizierens bei den Menschen auf der Straße gut ankommt und an weiteren Modellen getüftelt.“ Der Überraschungseffekt sei bei den Menschen groß, wenn sie plötzlich ein Klavier unter freiem Himmel sehen, dieses dann zudem noch blau ist und eine eigene rollende Bühne hat. Er habe Straßenmusik deshalb als Ausgangspunkt seiner Karriere gewählt, weil es eine der ehrlichsten Formen des Musizierens und zugleich eine harte Schule sei: „Man muss es nämlich erstmal schaffen, dass sich jemand heutzutage die Zeit nimmt, für mehr als zwei Minuten stehen zu bleiben und zuzuhören. Das hat Zeit gebraucht, ich musste viel an Erfahrung sammeln und einiges an Brainstorming betreiben. Der Transport war lange die schwierigste Hürde und so ist mein Konzept mit jedem neuen reisenden Klavier, mittlerweile Verison drei, mitgewachsen.“ Seitdem hat der junge Musiker auf vielen Konzerten, Festivals, bei Vernissagen, Wohltätigkeitsveranstaltungen, Stadtfesten sowie in kleinen Cafés und Bars gespielt und wurde so in der Dordogne in Südfrankreich als „Travelling Pianoman“ immer bekannter. „Irgendwann kam dann einer, der in unserer Gegend ein recht bekannter Musiker ist, auf mich zu und wollte mit mir eine CD aufnehmen. Daraus entstand mein erstes Studioalbum ,My Plan B‘“.

„COVID STIEHLT MIR MOMENTAN DIE SHOW“. Durch die Corona-Pandemie sei es momentan schwierig, von der Straßenmusik leben zu können. Im vergangenen Sommer hätte Köninger eigentlich eine Frankreich-Tour geplant, die er aber absagen musste. „Aufgrund der momentanen Situation ist es schwer, überhaupt irgendetwas in diese Richtung zu machen“, erklärt der Boogie-Woogie-Musiker. Er habe dies auch im vergangenen Sommer bei seinen Straßenkonzerten bemerkt. Es gefalle den Leuten zwar immer noch, aber es sei verständlicherweise selten vorgekommen, dass sich mehrere Leute vor dem Klavier versammelt und zur Musik auf der Straße mitgetanzt haben. Dies mache die Straßenmusik aber eigentlich so besonders. Die Angst und das Distanz-Denken habe sich mittlerweile sehr in den Köpfen der Menschen verankert, wie Köninger erklärt. 

NEUE WEGE GEHEN. Die momentan Zeit wolle er aber als „Kreativ-Phase“ nutzen. In rund einem Monat geht es für Lukas Köninger wieder zurück ins Studio, um sein zweites Studioalbum aufzunehmen, das man über seinen Facebook-Shop und über die Homepage (www.streetboogiewoogie.com) bestellen kann – darauf zu finden sind dann auch zwei selbstgeschriebene Stücke. Zudem kümmert er sich im Moment viel um seine neun Monate alte Tochter, um seine Frau, die als Krankenschwester arbeitet, zu entlasten. „Unsere Kleine fängt auch schon langsam an, im Takt mitzuklopfen, wenn ich Musik machen – das bedeutet mir sehr viel“, freut sich der junge Vater. Während des ersten Lockdowns im April hat Köninger zudem angefangen, an einem Buch über sein Leben zu schreiben – beginnend bei seinen musikalischen Anfängen mit 17 Jahren bis in die heutige Zeit. Für diesen Sommer ist die erste Tour durch Österreich in Planung, wo er auch in Imst sein Können zum besten geben möchte. Köninger möchte damit das Bild, das in den Köpfen vieler Österreich herrscht, etwas verändern: „Hier hat der Begriff Straßenmusik eher einen negativen, bettlerischen Beigeschmack – was es aber überhaupt nicht ist. Ich bin selbstständig so wie ein Bäcker selbstständig ist und verkaufe halt statt Semmeln meine Musik.“ Für die Zukunft hat der 31-Jährige noch einiges geplant: „Ich würde gern ein eigenes Festival in Frankreich organisieren. Wenn das Konzept hier funktioniert, möchte ich das ganze auch nach Tirol bringen. Noch ist das aber Zukunftsmusik.“ Besonders in Erinnerung ist dem Musiker in seiner Straßenmusik-Karriere ein zwölfjähriger Junge geblieben, der ihn bei einem seiner Straßenkonzerte ansprach. „Er hat mir erzählt, dass er Schlagzeug spielt, daraufhin habe ich ihm dann eine meiner CDs geschenkt. Wochen später habe ich von seiner Mutter eine Nachricht auf Facebook erhalten, dass ihr Sohn immer zu meiner Musik Schlagzeug spiele. Mit dem kleinen Jungen bin ich noch des öfteren in Kontakt. Wenn ich es schaffe, das Festival auf die Beine zu stellen, darf er als ,Special-Guest‘ auf die Bühne kommen und wir können gemeinsam Musik machen.“ Das macht für Köninger die Straßenmusik aus – viele verschiedene Menschen und Persönlichkeiten kennenzulernen. „Ich weiß zwar nicht, ob ich das mein Leben lang machen werde, aber bis jetzt ist es der beste Job, den ich mir vorstellen kann“, so Köninger abschließend.
„Die ehrlichste Form des Musizierens“
Lukas Köninger schickte seinem Vorbild – der Rock‘n‘Roll Legende Jerry Lee Lewis (im Bild) – seine erste CD. Dieser zeigte sich von den musikalischen Stücken Köningers begeistert und bedankte sich mit einem Foto. Foto: Privat

Feedback geben

Feedback abschicken >
Nach oben