Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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„Griaß enk aus …“

In der neuen RUNDSCHAU-Serie kommen „Auslands-Landecker“ zu Wort

26. März 2024 | von Daniel Haueis
„Griaß enk aus …“
Alexander Rödlach bei einer Hausmesse mit einer Flüchtlingsgruppe Foto: Jörg Böthling
Die Idee zur neuen RUNDSCHAU-Serie ist schon viele Jahre alt, mittlerweile ist sie gereift, und ein Titel der Rubrik ist auch gefunden: „Griaß enk aus …“ Hier kommen „Auslands-Landecker“ zu Wort – Menschen, die meist im Bezirk aufgewachsen sind oder erst spätere Jahre hier verbracht haben und mittlerweile im Ausland leben oder lange dort gelebt haben. RUNDSCHAU-Leser dürfen sich also auf ein paar Zeilen vielleicht alter Bekannter freuen, die wohl viel Neues über das Leben in fremden Ländern enthalten, sodass wir Landecker auf diese Weise ein bisschen mehr von der Welt „sehen“ und unser Horizont vielleicht ein wenig weiter wird. Den Start macht ein Landecker: Alexander Rödlach. Er ist Steyler Missionar, Philosoph, Theologe und Anthropologe und als Universitätsprofessor in Nebraska tätig. Sein Brief an die RUNDSCHAU-Leser ist ein „Griaß enk aus … Omaha in den USA“ – sie finden ihn hier:


Obwohl ich schon lange nicht mehr in Landeck wohne, ist die Stadt für mich immer noch Heimat und ich kehre gerne in die Brixner Straße zurück, wo ich aufgewachsen bin und wo mein Vater wohnt, besonders zu Familienfeiern. Meine Mutter wohnt inzwischen im Altersheim Landeck. Nach der Matura 1982 bin ich in Mödling, in Niederöster­reich, in den Orden der Gesellschaft des Göttlichen Wortes eingetreten, die auch als Steyler Missionare bekannt sind und vielen über die „Stadt Gottes“-Zeitschrift, die jetzt „Leben Jetzt“ heißt, vertraut ist. 1990 wurde ich zum Priester geweiht und habe anschließend bis 1998 im südlichen Afrika, in Simbabwe, in der Pfarrpastoral gearbeitet. Danach ging ich für ein Doktoratsstudium der Kulturanthropologie in die USA. Nach Abschluss des Studiums 2005 arbeitete ich für ein Jahr in einem ethnologischen Institut der Steyler Missionare in Sankt Augustin, Deutschland, und nahm danach eine Professur in medizinischer Kulturanthropologie an der Creighton University in den USA, in Omaha, an. Seit 2007 unterrichte, forsche, publiziere und arbeite ich in der Pfarrarbeit in Omaha mit. Die kollegiale Zusammenarbeit mit den Professoren und Studenten im Institut für Kultur- und Sozialstudien ist sehr bereichernd. Da meine Uni von Jesuiten geleitet wird, ist der pädagogische Ansatz holistisch und auch offen für den Glauben. Darum ist es für uns Professoren normal mit Studenten auch über den Glauben und die Kirche zu sprechen und an Exerzitien mit Studenten teilzunehmen. Jeden Sommer komme ich mit einer Gruppe Studenten und Kolleg*innen nach Österreich im Rahmen eines Sommerprogramms. Viel Freude macht es mir mit den Karenni, einer Flüchtlingsgruppe von Myanmar, zusammen zu sein. Da die meisten katholisch sind, treffen wir uns oft zum Gebet in ihren Wohnungen. Anschließend gibt es immer ein Essen für alle Anwesenden. Natürlich feiern wir auch ihre kulturellen und traditionellen Feste miteinander. Wichtig ist mir auch die Zusammenarbeit mit Dr. Rudi Mitchell, einem direkten Nachfahren vom letzten Häuptling der Omaha-Indianer, auf deren Land sich die Creighton University befindet. Er, Kollegen und ich engagieren uns, eine Beziehung mit den Omaha-Indianern herzustellen und besonders die Jugendlichen auf dem OmahanReservat zu unterstützen. 

Wenn ich Österreich, Tirol und Landeck besuche, genieße ich die erfrischend ehrliche Direktheit im Miteinander. Man kann dadurch Themen, die emotionell belegt sind, viel einfacher ansprechen als in den USA, wo manche Themen recht ideologisiert sind und manche sehr empfindlich reagieren, wenn man diese anspricht und eine andere Ansicht als sie hat. Gut erlebe ich auch, dass in Österreichs gesellschaftlichem Leben das Gemeinwohl stärker und die gesellschaftliche Solidarität mehr betont wird als in den USA, wo die Einzelverantwortung im Vordergrund steht, das Sozialnetz recht schwach ist, und viele Menschen nicht die Unterstützung bekommen, die sie in schwierigen Situationen brauchen, um diese zu bewältigen. Obwohl es leider global immer größer werdende Unterschiede zwischen arm und reich gibt und die USA da besonders problematisch sind, kommt es in Österreich zum Glück nicht zu solch extremen Unterschieden. Diesbezüglich ist Österreich immer noch ein Land der Seligen, was sich aber schnell ändern kann, wenn das demokratische Verhalten und die gesellschaftliche Solidarität nicht gefördert wird und besonders von profitgierigen Institutionen und Firmen untergraben wird. Natürlich genieße ich bei jedem Besuch das gute Essen in Österreich und so manche Kost, die ich in Amerika nur sehr schwer finde, wie ein gutes Schwarzbrot, Speck, Knödel mit Eierschwammerlgulasch und so weiter. 

Was ich an meiner neuen Heimat, den USA, schätze, ist die große kulturelle Vielfalt, die sehr bereichernd ist. Menschen von verschiedensten kulturellen und nationalen Gruppen kann man selbst in kleineren Ortschaften treffen und sie prägen das Stadtbild, haben ihre eigenen Geschäfte und Gasthäuser, leben ihren Glauben und Traditionen und feiern ihre Feste mit anderen. Da fallen mir zum Beispiel die Mayas von Guatemala ein. Gerne esse ich in einem der Gasthäuser, das ihre Spezialitäten anbietet und bin dabei, wenn sie das Patrozinium der Heiligen Eulalia mit einer Messe, Tänzen usw. miteinander feiern. Mehrere Tausend von ihnen leben in Omaha! Die Unkompliziertheit in den USA ist etwas, was ich sehr genieße. Wenn es ein Problem gibt, dann findet man dazu irgendwie eine Lösung. Was ich in den USA auch positiv erlebe, ist die Offenheit für den Glauben. Auch wenn es säkularisierende Tendenzen und Entwicklungen gibt, ist es zumindest in der Region, in der ich lebe und arbeite, normal über den Glauben zu sprechen und aktiv in einer Glaubensgemeinschaft beteiligt zu sein.  

Die starke Entkirchlichung und Säkularisierung in Österreich macht mich etwas bedenklich. Wenn ich mit Menschen in Österreich spreche, habe ich oft den Eindruck, dass sie im Jetzt leben und die Frage nach dem Sinn des Lebens oft mehr im Hintergrund steht. Das macht mich nicht nur wegen dem damit verbundenen Glaubensverlust bedenklich; es stellt sich mir auch die Frage, wie eine Gesellschaft, die Jahrhunderte von bestimmten Werten geprägt wurde, auf die Fragmentierung und Auflösung dieser Werte sowie deren Fundamente reagiert und wie das gesellschaftliche Zusammenleben in den nächsten Jahrzehnten sich entwickeln wird.

Zumindest einmal im Jahr komme ich nach Österreich und dann auch immer nach Landeck. Ich freue mich schon auf das nächste Mal. Da ich diesen Mai und Juni im Rahmen des Studentenprogramms wieder im Lande bin, werde ich anschließend auch in Tirol sein.

Alexander Rödlach
 
„Griaß enk aus …“
Alexander Rödlach Foto: Eric Meyer
„Griaß enk aus …“
Mit Dr. Mitchell vom Stamm der Omaha, auf deren Land sich die Creighton University befindet Foto: Jörg Böthling
„Griaß enk aus …“
Studenten und Professoren des Instituts Foto: Eric Meyer

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