Von Markus Wechner
Für den geplanten Ausbau des Kraftwerks Kaunertal sollen unter anderem bis zu 80 Prozent des Wassers aus dem hinteren Ötztal entnommen und in den Gepatschspeicher im Kaunertal abgeleitet werden. Zudem soll zur Speicherung der Wassermengen ein Stausee im Platzertal im Bezirk Landeck entstehen. Prinzipiell würde sich das Projekt auf einen Großteil der Ötztaler Alpen auswirken. Schlussendlich würde sich das zusammenhängende Großprojekt, bestehend aus mehreren Kraftwerken, vom hinteren Ötztal ausgehend über das Kaunertal und Prutz entlang des Inns bis nach Haiming erstrecken. Mit dem Kraftwerk Imst-Haiming will die TIWAG nun die erste Stufe des Ausbauprojekts Kaunertal realisieren. Nach dem fertigen Ausbau des Kraftwerks Kaunertal könnten jährlich 193 Gigawattstunden Strom erzeugt werden. Die ökologischen Auswirkungen wären laut Experten jedoch gravierend.
Experten sehen Kraftwerk kritisch. Um über die Auswirkungen auf Mensch und Natur zu informieren, organisierte der WWF Österreich und das Institut für Ökologie der Uni Innsbruck einen Diskussionsabend mit mehreren Experten. Bettina Urbanek vom WWF Österreich berichtete, dass die Ausbaupläne insgesamt 20 Gemeinden betreffen würden, beginnend an der Venter und der Gurgler Ache, wo 80 Prozent des Wassers abgeleitet werden würden. Diese habe natürlich auch Auswirkungen auf das gesamte Ötztal. Zudem solle im derzeit noch nahezu unberührten Platzertal ein Speichersee mit einer 120 Meter hohen Staumauer entstehen. Das Kraftwerk würde laut Urbanek bei einer Realisierung erst im Jahr 2040 Strom produzieren. Auch Reinhard Scheiber, Obmann einer betroffenen Agrargemeinschaft, äußerte sich. Er sei kein prinzipieller Gegner der Wasserkraft, es zeichne sich jedoch bereits jetzt ein Schreckensbild bei den Gletschern ab. Diese würden zentrale Wasserspeicher darstellen und auch seitens der Landwirtschaft das Vieh versorgen. Auch für die Bevölkerung bleibe kein Wasser mehr übrig. Jeder Tropfen, der diesen Sommer ins Tal geronnen sei, sei reine Gletschersubstanz gewesen. Darüber hinaus seien auch die Wassersportler von den Ausbauplänen betroffen. Matthias Plörer, Geologe und beim Gletschermessdienst des östereichischen Alpenvereins sowie Obmann der Sektion Innerötztal, warnte, dass in den letzten zehn Jahren die Gletscher bereits im Schnitt 20 bis 25 Meter jährlich an Länge verloren hätten. Laut Schätzung würden die Gletscher in zehn bis 20 Jahren bereits 50 Prozent ihrer Masse verlieren. In den angesprochenen 20 Jahren wäre das Kraftwerk jedoch noch gar nicht umgesetzt. So stelle sich für Plörer auch die Frage der Langfristigkeit. Gabriel Singer, Professor für Flussgewässerökologie an der Universität Innsbruck, sieht vor allem gravierende Auswirkungen aufgrund des Wasserentzugs. Dieser würde die Krise des Biodiversitätsverlusts weiter anfachen. Es handle sich hier eben nicht um ein kleines Projekt. Die Ötztaler Ache sei zentral für die Biodiversität. Laut Singer wäre das Projekt nicht mehr zeitgemäß, da es Renaturierungsmaßnahmen brauche und man jetzt nicht intakte Gegenden zerstören könne. Franz Gallop, Bezirksobmann des Fischereirevierausschusses Imst, stellte sich als Fischer ebenso nicht prinzipiell gegen die Wasserkraft, aber klar gegen dieses Projekt. Feinsegmente und der Schwall-Sunk würden den Fischen stark zusetzen. Gerade in der Laichzeit im Winter würden Stauraumspülungen des Kraftwerks große Auswirkungen auf den Fischbestand haben. Laut Gallop würde man diese Problematik enorm unterschätzen.
Vielfältige Gegenstimmen. Auch Urbanek führte an, dass das Projekt eigentlich längst überholt sei. Gerade das Artensterben sei eines der großen Probleme der Klimakrise. Derartig große Projekte müssten alle Seiten beleuchten und dieses Kraftwerksprojekt könne das einfach nicht. Laut Urbanek funktioniere das Kraftwerk auch aus energiepolitischer Sicht nicht. Das Kaunertalprojekt sei ein Zeichen für falsche Energieproduktion. Hierbei kritisierte sie vor allem den starren Tunnelblick in Tirol. So sei die Wasserkraft in Tirol mit seinen 1000 Kraftwerken zwar eine wichtige Stütze, dennoch gehe es hier um den naturverträglichen Ausbau der Wasserkraft sowie um die Effizienzsteigerung bei bereits bestehenden Kraftwerken. Neben vielen anderen Wortmeldungen aus dem Publikum griff auch Christoph Rauch vom Ötztal Tourismus zum Mikrofon. Er beteuerte, dass der Ötztal Tourismus dieses Projekt absolut nicht unterstützen würde, da gerade das Canyoning und das Rafting sehr stark vom Ausbau betroffen wären und ganze Branchen vernichtet werden könnten. Prinzipiell sei auch er nicht gegen die Wasserkraft, aber klar gegen diese geplante Art und Weise.