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„Ein stilles Gebet“ für Männer der SS

Gedenkstätte für Schutzstaffel-Angehörige im Imster Putzenwald: Aufmerksamkeit wächst

Die Stadtgemeinde ist wieder landesweit in den Schlagzeilen. Doch eher im negativen Sinne, geht es doch um ein seit Jahrzehnten bestehendes Denkmal im Putzenwald für Angehörige der Waffen-SS und der SS-Totenkopf-Infanterie. Die RUNDSCHAU berichtete darüber bereits ausführlich, doch gibt’s noch einige lesenswerte Aspekte…
13. Juli 2021 | von Manuel Matt
„Ein stilles Gebet“ für Männer der SS
Im Imster Putzenwald wird drei SS-Angehörigen gedacht. RS-Foto: Matt
Manuel Matt

„Aufregung um Ehrenmal für SS-Soldaten in Tiroler Gemeindewald“, titelte Der Standard vergangene Woche. Gemeint ist eine Gedenkstätte im Imster Putzenwald, seit Jahrzehnten drei Soldaten gewidmet, die wenige Tage nach der Kapitulation des Dritten Reichs an dieser Stelle von US-Soldaten nach Überlieferung ohne Prozess hingerichtet worden seien – nach einem „Verrat“ aus der Bevölkerung, wie es heißt. Unerwähnt blieb aber, dass es sich um Angehörige der Waffen-SS und speziell auch der SS-Totenkopf-Infanterie gehandelt hat, wobei diesbezügliche Einheiten für zahlreiche Kriegsverbrechen und Gräueltaten verantwortlich gemacht werden.

EINE ENTFERNUNG, „SAMT UND SONDERS“. Ergänzt haben diese Informationen via angebrachter Zusatztafel die beiden Imster Barbara Stillebacher-Heltschl und Andreas Wohlfarter nach Recherchen beim Bundesarchiv in Berlin. Die Tafel wurde wenig später heruntergerissen, doch ebbt das Interesse nicht ab. Das legen rund 1200 Online-Kommentare beim Standard-Artikel nahe, aber auch ein offener Brief im Internet, den Markus Wilhelm (dietiwag.org) an Bürgermeister Stefan Weirather richtet. Für den Publizist aus Sölden sei die Gedenkstätte „ein propagandistischer Missbrauch der dort Erschossenen und dient, kaum verhohlen, der Verherrlichung des seinerzeitigen Regimes“. Er fordert, dass diese „unerträgliche Provokation samt und sonders aus dem Putzenwald entsorgt wird“ – denn ansonsten gehöre „korrekterweise“ auf dem Stahlhelm das „Firmenlogo“ der Schutzstaffel angebracht: Die doppelte Sig-Rune.

WEM GEHÖRT’S? Weirather hatte in der vorhergegangenen RS-Ausgabe auf Anfrage erklärt, dass Ballhaus-Museumsleiterin Sabine Schuchter mit weiterer Abklärung betraut worden sei und die Angelegenheit intern im Kulturausschuss behandelt werden soll, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Diesen Weg begrüßt Franz Xaver Gruber, Präsident des Tiroler Kameradschaftsbundes. „Damit ist die Angelegenheit dort, wo sie hingehört: Bei der Stadtgemeinde. Ich vertraue auch vollends dem Imster Gemeinderat“, sagt Gruber. „Wegducken“ sei für den Kameradschaftsbund jedenfalls keine Option, „weil wir definitiv in der Sache involviert sind“, würden sich doch Mitglieder der Imster Kameradschaft um die Pflege der Stätte kümmern. Nicht ganz klar sei hingegen, wer tatsächlich Eigentümer des Denkmals sei, weswegen er „nicht vorgreifen“ wolle, sagt Gruber. Jede Verherrlichung des nationalsozialistischen Regimes, seiner „Schergen“ und speziell der SS sei aber „absolut strikt und kategorisch“ abzulehnen. Ein „Sofort weg“ verstehe er zwar als Zugang, trotzdem würde er persönlich einen anderen Weg bevorzugen: Nämlich ein gemeinsames Vorgehen mit der Stadtgemeinde hinsichtlich historischer Aufklärung, deren Ergebnisse dann in Form einer offiziell angebrachten Tafel festgehalten werden sollen. „Das scheint mir der richtige Weg zu sein“, sagt Gruber, der den beiden Imstern für die „Intervention“ dankt: Weil gesagt werden müsse, was war: „Damit es sich nie mehr wiederholt.“

DER HISTORIKER. Aufarbeitung sei ihm nicht fremd, sagt Gruber, habe er sich doch als Innsbrucker Vizebürgermeister um ein Aufrollen der Schicksale von Heimkindern bemüht. Schätzen gelernt habe er dabei den Tiroler Historiker Horst Schreiber, der speziell hinsichtlich NS-Geschichte als Institution schlechthin gilt. Die Gedenkstätte in momentaner Form sei auf „alle Fälle nicht mehr zeitgemäß“, so Schreiber. Einblick gibt er auch zu den Soldaten selbst, deren Einträge auf einen freiwilligen SS-Eintritt hindeuten würden: Zwei seien sogenannte „Fremdländische Freiwillige in der Waffen-SS, zu der die Totenkopfverbände, die aus den Wachmannschaften der Konzentrationslager herausgewachsen sind, zählen“. Der dritte hätte „auch zu den überzeugten Nationalsozialisten“ gezählt, sei er doch bereits 1940 als 18-Jähriger eingetreten, als „die jungen Leute noch nicht unter Druck standen oder wie Richtung Kriegsende auch einfach in SS-Verbände eingezogen“ worden seien. Er regt einen „Diskussionsprozess“ an. „Weil natürlich: Jetzt wissen alle zumindest eines, es waren nicht einfach Soldaten, (Ober-)Gefreite, sondern SS-Männer“, schließt der Historiker. 

„PIETÄTLOS“. Wenig Freude an der Zusatztafel findet Willi Grissemann, Ex-Ehrenbezirksobmann der Imster Freiheitlichen und nach eigenen Angaben „rechtskonservativ“. In einem Leserbrief greift er Stillebacher-Heltschl und Wohlfarter an, deren „Aktionismus“ er als „unangebracht“ und „pietätlos“ befindet. Auf die Frage, weshalb er das so sehe, zitiert Grissemann das lateinische Sprichwort: „Den Toten nur Gutes.“ Einig ist er sich mit den Urhebern der Tafel, dass eine Erschießung ohne Prozess ein Kriegsverbrechen darstelle. Angesprochen darauf, ob er eine in Imst bislang nicht vorhandene Gedenkstätte für NS-Opfer begrüßen würde: „Selbstverständlich. Ich weiß nur von niemanden aus Imst, der so ums Leben gekommen ist.“ Eine oberflächliche Recherche beim „Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands“ würde übrigens den 1940 in Mauthausen ermordeten Gottlieb Heel nennen. Das Grissemann-Schreiben endet jedenfalls mit der Aufforderung: „Machen Sie es doch wie ich und alle anderen: Halten Sie beim Vorbeigehen kurz inne und sprechen meinetwegen auch ein stilles Gebet, aber lassen Sie diese Gedenkstätte in Zukunft bitte in Ruhe.“

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