Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Bankgeheimnis

21. Feber 2023 | von Meinhard Eiter
Bankgeheimnis
Liebe Freunde des Finanzwesens!
Als ich ein Bub war, gab es bei uns im Dorf noch vor fast jedem Haus eine Bank. Dort saßen die Leute, um sich gegenseitig Geschichten zu erzählen. Da der Wahrheitsgehalt dieses Tratsches nicht selten angezweifelt wurde, nannten viele diesen Ort der Kommunikation liebevoll „Lugenbankerl“. Wer in dieser grauen Vorzeit der sozialen Medien ein Gerücht verbreiten wollte, der ging zum Nachbarn, um diesem vertraulich etwas mitzuteilen. Und schon waren alle im Ort bestens informiert. So etwas war für mich damals ein Bankgeheimnis. Als junger Erwachsener erlebte ich dann den Bauboom der Geldinstitute. In fast jeder Gemeinde entstanden in den 70er- und 80er-Jahren Machtzentren, die Dorfkaiser und Geldverleiher unter einem Dach vereinten. Der nachlassende Glaube an die Kirche bescherte uns schleichend neben dem Kreuz Christi mit dem Raiffeisen-Giebelkreuz ein neues Hoffnungssymbol. Aus einem sozialen Gedanken entstand eine Art Ersatzreligion, die den Gläubige(r)n den irdischen Wohlstand versprach, der sie noch vor dem Aufstieg in den Himmel glückseliger werden lassen sollte. Das Geld, einst als Zahlungsmittel eingeführt, wurde zusehends zum Selbstzweck. Wer keines hatte, ging zur Bank und kaufte sich alles, was er wollte. Nicht selten ganz ohne die Überlegung, ob man sich das auch leisten kann. Inzwischen verschwanden die Geldtempel großteils aus unseren Dörfern. Wenn man Glück hat, steht dort, wo einst der freundliche Mann mit der Krawatte hinterm Schalter lächelte, jetzt ein Bankomat. Bankmanager haben eiskalt den Sparstift angesetzt. Sparer kriegen so gut wie keine Zinsen mehr, Kreditnehmer können sich Anleihen kaum noch leisten. Die Sache ist rätselhaft. Bänke und Banken sind weg. Ein ungelüftetes Geheimnis ist geblieben.
 

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