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Über „Verwahrlosung“ und ihren „Sündenbock“

Rechnungsabschluss, Innenstadt-Hickhack, Mobile Jugendarbeit: Aus der jüngsten Sitzung des Imster Gemeinderats

Eine ganze geschlagene Stunde nicht aufrufbar waren Teile des Internets am Dienstag vergangener Woche. Diskussionsfreude gab’s dafür im Imster Gemeinderat. Vorherrschendes Thema dabei: Die Entwicklung von Kramergasse und der restlichen Innenstadt, zuvor angestoßen von der Bilanz des Imster Stadtmarketings, die sich nach doch recht langem Fordern – und zuletzt auch etwas Druck, wie’s scheint – der Überprüfungsausschuss gesichert hat. Einen genauen Einblick in die städtischen Finanzgebarung gewährte zu Beginn der Rechnungsabschluss für das Jahr 2020 für die Öffentlichkeit, während ganz zum Schluss freilich unter Ausschluss derselben die personelle Weichenstellung für die Besetzung der Mobilen Jugendarbeit stand.
14. Juni 2021 | von Manuel Matt
Über „Verwahrlosung“ und ihren „Sündenbock“
Blieb bei aller Kritik dennoch bei seiner Meinung hinsichtlich der Innenstadt: Gemeinderat Helmuth Gstrein RS-Foto: Matt
Von Manuel Matt

Ein außergewöhnliches Jahr war es allemal, dieses 2020, mit dem ganzen Bangen um die Zukunft. So schlecht,  wie damals teilweise befürchtet, kommt die Gegenwart aber nicht daher. Zumindest für die Stadtgemeinde Imst, hinsichtlich des jüngst dargebrachten Rechnungsabschlusses: Die Zahlen seien „erfreulich“, berichtet Finanzreferent Gebi Mantl von Überschüssen in Ergebnis- und Finanzierungshaushalt, einem Ansteigen der frei verfügbaren Mittel auf über drei Millionen Euro und einem Verschuldungsgrad, der mit 44,6 Prozent seit Jahren erstmals unter die 50-Prozent-Grenze rutscht. Trotz einem leichten Anstieg der Gesamtschulden auf 25,6 Millionen Euro.

MIT NACHDRUCK – UND DROHUNGEN. Neben einiger Berichtigungen (etwa hinsichtlich eines Buchungsfehlers betreffend der Stadtfeuerwehr) und Feststellungen von Überschreitungen hatte am Rechnungsabschluss auch der Überprüfungsausschuss nicht viel auszusetzen. „Probleme“ habe es laut Obmann Helmuth Gstrein hingegen beim Imster Stadtmarketing gegeben. Wie in den Jahren zuvor wurde nämlich  abermals die Offenlegung der Bilanz gefordert, die Aufschluss geben würde über die Verwendung der gewährten städtischen Finanzmittel. 2020 sah Bürgermeister Stefan Weirather diesbezüglich noch seine Hände gebunden, mit Verweis auf die Gesellschaftsstruktur zwischen Stadtgemeinde (60%) und Imst Tourismus (40%). Ein Jahr später scheint’s nun aber geklappt zu haben, wurde die Bilanz dem Überprüfungsausschuss doch zum ersten Mal vorgelegt –  „nach mehreren Urgenzen“, wie’s im Protokoll der Ausschusssitzung zu lesen ist, und scheinbar auch erst mit der Drohung, bei Nichtgewähren keinen Antrag zur Entlastung des Bürgermeisters zu stellen, erklärt Gstrein und schüttelt trotz erfüllter Forderung den Kopf: „Weiß nicht, warum das immer so ein Theater ist!“

LEISTUNGSFRAGE. 130.000 Euro gewährte der Gemeinderat zuletzt dem Stadtmarketing an jährlichem Budget, das sich samt Anteil des Tourismusverbands auf 200.000 Euro beläuft. Insgesamt gesehen, seien’s 1,4 Millionen in den sieben Jahren seit der Gründung gewesen, rechnet Stadtrat Friedrich Fillafer vor und stellt die mittlerweile berühmte Frage nach der Leistung: „Was hat sich dafür geändert?“ Der Bürgermeister sieht darin die Bedienung eines Fillafer’schen „Power-Themas“ und zeigt sich verwundert: Denn erst kürzlich sei die Stadtmarketingleiterin Tatjana Stimmler dem Gemeinderat Rede und Antwort gestanden. „Von dir kam da keine Wortmeldung“, so Weirather zu Fillafer: „Das war seltsam und doch eher schade.“ Immerhin sei die Stadtgemeinde der Auftraggeber – und jeder im Gemeinderat könne sich mit Verbesserungsvorschlägen einbringen, erinnert Weirather, der „an eine Chance“ für die Innenstadt glaubt.

KONTRA AUF KONTRA. Die wohl eher rhetorische Fillafer-Frage greift wenig später Gstrein auf – und das ziemlich deutlich: Viel sei für die Innenstadt nämlich nicht getan worden, kritisiert der oppositionelle Gemeinderat, der trotz Stadtmarketing eine nach wie vor anhaltende Abwärtstendenz in der Innenstadt ortet. Die seitens Bürgermeister ins Spiel gebrachten 13000 Quadratmeter der Lebensmittelhändler in Imst stellt der pensionierte Gemeindebedienstete zwar nicht in Frage, doch seien die Geschäfte am falschen Standort, nämlich außerhalb des Zentrums, das seit Schließung der MPreis-Filiale in der Kramergasse ohne Nahversorger dastehen würde. Harte Worte findet Gstrein auch hinsichtlich des generellen Erscheinungsbildes der Innenstadt: Besonders die Kramergasse sei eine „Schande“ und „verwahrlost“ angesichts schmutziger Schaufenster, an denen teilweise noch der „Winterdreck“ kleben würde. „Tirolweit“ sei man so „die letzte Nummer“, urteilt Gstrein. Dafür gab’s freilich kräftigen Gegenwind: Mantl etwa erinnerte daran, dass die Innenstadt mehr sei als nur die Kramergasse und sich in anderen Bereichen durchaus positiv entwickelt habe. Eine „schöne Stadt“ sieht derweil Vizebürgermeister und Bauausschuss-Obmann Stefan Krismer, die sich das Problem von dünn gesäten Einkaufsmöglichkeiten mit anderen Orten teilen würde. „Wir können nur die Rahmenbedingungen schaffen“, betrachtet Krismer das Säubern von privaten Schaufenstern fernab städtischer Verantwortung. Zudem wurde auch viel neu gebaut und saniert, ergänzt der Bürgermeister und lässt dezenten Ärger in Richtung Gstrein vermuten: Weil’s „ein starkes Stück“ sei, sich derart zu äußern. Ein grober Klotz bedürfe eines groben Keils, bleibt bei Gstrein bei seiner Meinung. Während Gemeinderat Thomas Greuter an den „Lebensmittelpunkt“ in der Kramergasse erinnert, schlägt Gemeinderätin Brigitte Flür etwas versöhnlichere Töne an: Es gebe auch schöne Häuser wie das Gabl- oder Regensburger-Haus. Deshalb lasse sie sich „inser Schtadl nicht so schlechtreden“. Als ungerecht empfindet das auch Gemeinderat Norbert Praxmarer, der den Blick nach vorne richte als „leidenschaftlicher Imster“. Das sei er ebenso, wehrt sich Gstrein, deshalb spreche er es an, wobei es die „Leut’“ ähnlich sehen würden. Im Unverständnis ob der „Schimpftirade“ übt sich Gemeinderat Christian Linser: Herrsche doch „intensives Bemühen“ seitens Stadtführung, die obendrein „nicht hinter dem Mond“ leben würde. Ehe der Bürgermeister (bei einer Enthaltung) entlastet wird, regt Gemeinderat Richard Aichwalder an, in sich zu gehen: Angesichts der Unzufriedenheit brauche es Änderungen beim Stadtmarketing – oder vielleicht sogar die Abschaffung. In momentaner Form sei’s mit 130.000 Euro nämlich ein teurer „Sündenbock“.

SOLIDARITÄT. Auseinanderdriftend zeigen sich die Meinungen auch bei einem anderen Thema: Einer Petition aus dem Integrationsausschuss, die im Namen der Stadtgemeinde die Bundesregierung auffordern soll, sich verstärkt um Linderung des Elends in den griechischen Flüchtlingslagern einzusetzen. Am zweiten Absatz aber – nämlich auch selbst als Gemeinde Flüchtlinge aufzunehmen – stößt sich sogleich der vormals freiheitliche, nun „wilde“ Gemeinderat Markus Bernardi, der im selben Atemzug sein Nein beim folgenden Votum ankündigt. Nicht unähnlich sehen es neben Gemeinderat Heinrich Gstrein auch Mantl, Praxmarer, die sich ihrerseits jedoch für eine Enthaltung entscheiden. In einem flammenden Plädoyer wirbt Aichwalder für Zustimmung, mit Blick auf „schlimme Zustände“ in den Lagern, deren Bewohner zu 40 Prozent Kinder seien. Positives hallt es von Helmuth Gstrein, Helmut Knabl, Barbara Hauser und Integrationsausschuss-Obfrau Flür zurück. Letztlich fällt die demokratische Entscheidung mit 15 Ja-, zwei Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen zugunsten der Petition – unter Buh-Rufen aus dem Publikum.

MOBILE JUGENDARBEIT. Ohne Öffentlichkeit wurde sich schließlich der Personalangelegenheiten angenommen. Vergeben wurden dabei auch zwei Stellen für die in den Startlöchern befindliche Jugendarbeit. „Sehr glücklich“ mit dem Ausgang, „wie’s sicher auch die Jugendlichen sein werden“, zeigt sich Jugendzentrumsleiter Philipp Scheiring. Bei aller Wahrung der Privatsphäre verrät er der RUNDSCHAU einige Details zu den beiden Auserwählten: Die eine sei eine 39-jährige studierte Sozialpädagogin und Lehrerin, die in Landeck bereits Erfahrung in stationärer und mobiler Jugendarbeit sammeln konnte, der andere ein 37-jähriger Politikwissenschaftler, der zuletzt bei den Tiroler Sozialen Diensten im Bereich der Flüchtlingsbetreuung tätig war. Beide werden voraussichtlich mit 1. Juli ihren Dienst antreten.

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