Von Daniel Haueis
Das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen hat am 19. Oktober 569 Medikamente mit Vertriebsbeschränkungen aufgelistet – nicht oder zumindest nur eingeschränkt verfügbar waren auch bekanntere Mittel wie Pantoloc, Klacid oder Diclofenac. Die Entwicklung war abzusehen: Gab es in Österreich im vergangenen Jahrzehnt maximal um die 300 nur eingeschränkt verfügbare Medikamente, waren es laut Agentur für Ernährungssicherheit im Jahr 2020 rund 1.000, 2021 dann 800 und im Jahr 2022 schließlich 1.200. „Ein Medikamentenengpass ist in ganz Europa“, sagt dazu Dr. Martin Hochstöger, Inhaber der Stadtapotheke zur Mariahilf in Landeck, und fügt an: „Die Liste ist relativ umfangreich, aber es gibt sie schon seit Jahren.“
APOTHEKER HELFEN. Die gute Nachricht ist: Hochstöger & Co können helfen: „In der Regel findet man eine Lösung“, sagt der Apotheker. Einerseits können Ersatzprodukte verwendet werden, die dieselbe Wirkung haben – dies ist in sehr vielen Fällen der nunmehr als eingeschränkt verfügbar gemeldeten Medikamente möglich. Wenn der Wirkstoff überhaupt nicht mehr vorhanden ist oder nicht ersetzt werden kann, kann über ein Gespräch mit dem behandelnden Arzt auch eine Therapieumstellung vereinbart werden. Zudem legen die Apotheker auch selbst Hand an: Herstellen können Pharmazeuten z.B. Salben, Cremes und Gels, schwieriger wird’s bei antibiotischem Saft für Kinder u.ä., noch schwieriger sind zu injizierende Medikamente zu produzieren. „Apotheker sind fachlich in der Lage, Lösungen für die Patienten zu finden“, bekräftigt Martin Hochstöger aber. Übrigens: Dem Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen sind bisher noch keine Fälle gemeldet worden, bei denen eine Patientin oder ein Patient aufgrund von Medikamenten-Lieferengpässen zu Schaden gekommen ist.
MEDIKAMENTENLAGER? Dass europaweit und speziell in Österreich ein Medikamentenengpass herrscht, ist auch hausgemacht: Österreich ist ein Arzneimittel-Billigland. Pharmaunternehmen verkaufen Medikamente daher lieber in andere Staaten. Zudem ist die Pharmaindustrie vielfach aus Europa gewichen – Löhne und Lohnnebenkosten, Auflagen u.a.m. begünstigen eine Verlegung der Produktion nach China oder Indien. Ein Medikamenten-Notfalllager, wie es in Österreich schon länger im Gespräch ist, würde Martin Hochstöger begrüßen: „Das wäre eine relativ kurzfristige Möglichkeit“, einem Engpass etwas entgegenzusetzen. Längerfristig wird aber wohl eine Neuausrichtung der Politik nötig sein: Wenn gewisse Produktionen in Europa nicht mehr stattfinden, so Hochstöger, gibt es eben Engpässe (siehe auch Kästchen „790.000 Euro für Tiroler Sandoz-Standort“).
790.000 Euro für Tiroler Sandoz-Standort
(dgh) Die letzte in dieser Form verbliebene Penicillin-Produktion Europas befindet sich in Tirol: In Kundl stellt Sandoz seit mehr als 75 Jahren das Antibiotikum her. Das lässt sich Österreich und Tirol auch etwas kosten: Um die Prozesstechnologie für die Herstellung von Antibiotika am Standort in Kundl weiter zu optimieren, hat die Landesregierung weitere 790.000 Euro bereitgestellt. Bis Ende 2024 werden dem Unternehmen insgesamt 50 Millionen Euro an Bundes- und Landesmitteln zur Verfügung gestellt, fünf Millionen davon vom Land Tirol. Rund 3,6 Millionen Euro der Landesbeihilfen wurden bereits für konkrete Forschungsprojekte von Sandoz gewährt. „Europa muss wieder unabhängiger werden. Die Herausforderungen der vergangenen Jahre haben aufgezeigt, wie wichtig es ist, autonom zu sein. Gerade im Bereich der Medizin braucht es deshalb eigenständige Strukturen“, betont LH Mattle. Die weiteren Beihilfen des Landes sowie der FFG werden für neuartige Herstellungs- und Kontrollverfahren verwendet, die zur kontinuierlichen Produktion von Filmtabletten beitragen sollen.