Das Motto zum Wappen des Geschlechts Thomann „Am würdigen Alten in Treue halten! Am kräftigen Neuen sich stärken und freuen“ passt zu meiner Lebensphilosophie und der meiner Geschwister Caroline und Walter und zieht sich wie ein roter Faden durch mein privates und berufliches Leben. Als ich mit 19 Jahren, direkt nach dem Abschluss meiner Ausbildung zur Kindergärtnerin, nach Schweden zog, wusste ich jedoch nicht, wie sehr mich diese „Thomannsche“ Lebensphilosophie begleiten würde und es aktuell bis heute noch tut. Ich fühle mich noch immer, trotz der 39 Jahre, die ich schon in Schweden/Halmstad lebe, sehr stark mit meinem Heimatland Österreich, meiner Heimat Tirol und natürlich meiner Familie und Verwandtschaft in Landeck verbunden.
Da ich als Lehrerin am Sannarpsgymnasium (1.140 Schüler, 120 Lehrer) in den Fächern Schwedisch und Deutsch unterrichte, habe ich das Privileg, drei- bis viermal pro Jahr, sobald Ferien sind, nach Landeck zu reisen. Bei diesen Heimatbesuchen sammle ich Kraft bei meiner Familie/Verwandtschaft, genieße die Berge, die Tiroler Kulinarik und diverse kulturelle Veranstaltungen. Die Kronburg ist in den letzten Jahren zu einem meiner Lieblingsorte geworden. Nach einem oft intensiven Schuljahr und nach der Schulabschlussfeier im Juni sind ein paar Tage Auszeit bei Schwester Barbara und ihrer Crew eine Wohltat. Für mich ist das der perfekte Einstieg in die oft vier- bis fünfwöchigen Sommerferien in Landeck.
Nicht nur ich und mein ehemaliger Mann Thomas und unsere Söhne Philip und Fredrik sind von meinen Eltern jahrzehntelang bei unseren Besuchen in Landeck, Galtür, Kaltern oder Caldonazzo verwöhnt und umsorgt worden, sondern auch viele meiner schwedischen Freunde und Arbeitskollegen waren immer bei meinen Eltern herzlich willkommen und eingeladen. Viele Lehrerkollegen haben zusammen mit ihren Familien Jahrzehnte hindurch einen Teil ihrer Winter- und Sommerferien entweder in Landeck oder Zams verbracht. Das war und ist immer noch ein schöner Austausch zwischen zwei Kulturen/Völkern, die sich mögen und verstehen. Ich bin heute noch stolz, wenn meine Freunde und Kollegen von meiner Heimat Österreich, dem Land und meinen Landsleuten so schwärmen. Ich glaube, dass uns Österreicher und Schweden vor allem die Naturverbundenheit und die Art, das Leben zu genießen verbindet.
Der Austausch fand aber auch umgekehrt statt. Als mein Vater, der „Charly“ Thomann, noch lebte, kam er unzählige Sommer mit Jagdfreunden im August zur Bockjagd nach Halmstad. Allein über diese abenteuerlichen, multikulturellen und lustigen Augustbesuche könnte ich ein Buch schreiben. Die Jägersprache ist ja, wie bekannt, international und Papas Sprüche, die er mit kleinen, aber effektiven Gesten verstärkte, kamen auch bei den schwedischen Jägern gut an. Nicht nur Tiroler Jäger kamen zu uns nach Halmstad, sondern Thomas und ich hatten auch sonst viel und gern gesehenen Besuch aus Landeck bei uns. Kein Wunder! Halmstad wurde schon öfter als Schwedens schönste Sommerstadt auserkoren. Die Stadt, die zwischen Malmö und Göteborg liegt, hat ca. 100.000 Einwohner und liegt direkt an der Westküste in Südschweden. Die schönen Sandstrände, die traumhaft schönen Seen und Wälder und der schöne Stadtkern locken jedes Jahr viele Touristen, aber auch schwedische Großstädter an. So ein Glück also, dass mich die Liebe in diese so schöne Stadt geführt hat.
Als ich 1986 nach Halmstad zog, fing ich sofort an, Schwedisch zu lernen. Da ich die Sprache zügig lernte, konnte ich schon nach einem Jahr meinen ersten Job als Hemsamarit, d.h. Altenpflegerin antreten. Ich bekam ein eigenes Dienstauto, einen Zettel mit den Adressen der Pflegebedürftigen in die Hand gedrückt und ab ging’s! Ich bin heute noch so dankbar für alle positiven Erfahrungen, die ich bei der Arbeit mit den wunderbaren und so lieben älteren Herrschaften machen durfte. Viele warteten schon auf mich, das österreichische Mädchen, mit dem sie über den Film „Sound of Music“, die schöne österreichische Landschaft und das wunderbare Essen sprechen konnten. Oft hörte ich den Satz: „Setz dich zu mir und erzähle mir etwas über dein schönes Heimatland.“ Oft wurde ich auf eine Zimtschnecke und eine Tasse Tee eingeladen. Das war eine auf so vielen Ebenen lehrreiche Zeit, in der ich viel über die schwedische Mentalität und die kulturellen Muster gelernt habe. Nebenher habe ich weiterhin Schwedisch gelernt und bekam dann meinen ersten Job als Kindergärtnerin eineinhalb Jahre nach meiner Ankunft in Schweden. Dann ging es rasant weiter mit meiner Arbeit als Kindergärtnerin und meinem Schwedisch-Studium. Mit der Zeit arbeitete ich auch ab und zu als Aushilfsdeutschlehrerin an einer Abendschule. Diese interessante und stimulierende Erfahrung weckte mein Interesse für ein Lehramtsstudium mit Fokus auf die Fächer Deutsch und Schwedisch. Also fing ich an zu studieren. Eine Zeit lang arbeitete ich halbtags als Kindergärtnerin und studierte nebenher. Mit der Zeit konzentrierte ich mich jedoch nur noch auf mein Studium und hatte im Jahr 2000 mein Lehramtszeugnis in der Hand. Heute, 58 Jahre alt, frage ich mich manchmal, wie das alles, das Lebenspuzzle, so funktionieren konnte! Schließlich kamen während diesen intensiven Jahren auch meine wunderbaren Söhne Philip und Fredrik auf die Welt. Die Antwort auf meine rhetorische Frage ist aber eigentlich einfach: Mithilfe von Thomas und meinen Schwiegereltern, die die Kinder oft früher vom Ganztageskindergarten abgeholt haben, und der Unterstützung meiner Familie in Landeck habe ich es geschafft ans Ziel zu kommen. Durch dieses perfekte Zusammenspiel meiner Familien wurde es mir erheblich erleichtert, nach dem Familienmotto „/…/ Am kräftigen Neuen sich stärken und freuen“ zu leben und mich zu entwickeln. Großen Dank dieser Stelle!
Über meine 24 Jahre als Deutsch- und Schwedischlehrerin am Kattegattgymnasium und über meinen jetzigen Arbeitsplatz, dem Sannarpsgymnasium, könnte ich auch ein Buch schreiben. Wichtig zu nennen ist, dass sich das schwedische Schulsystem sehr von dem österreichischen unterscheidet. In Schweden gehen ALLE Schüler neun Jahre an die Grundskola/Grundschule und anschließend gehen ALLE drei Jahre lang an ein Gymnasium. Dabei müssen sie sich entweder für einen beruflichen oder theoretischen Ausbildungszweig entscheiden.
Während meiner Zeit als Lehrerin am Kattegattgymnasium arbeitete ich auch als Internationalisierungskoordinatorin. Zusammen mit dem Berufslehrer Dick Nilsson habe ich z.B. fünf Reisen mit Schülern nach Tansania organisiert. Durch Dicks direkte Kontakte mit einer Berufsschule in Moshi haben unsere Metallbauer-Berufsschüler mit ihren Kollegen in Moshi eng zusammenarbeiten können. Wir alle kamen der Kultur und den Menschen dadurch sehr nahe. Die Besuche in den Nationalparks Ngorongoro, Lake Manyara, Serengeti und eine Wanderung am Fuß des Kilimanjaros waren für viele der Höhepunkt dieser Reisen.
Ein anderes Internationalisierungsprojekt fand in Landeck statt. Durch die Kontakte meines Vaters und der Hilfe von Theresia Schönherr vom AMS verbrachten unsere Berufsschüler ein ausgezeichnetes Praktikum in Betrieben, wie z.B. Luzian Bouvier, Autohaus Falch und Thöni Industriebetriebe. Alle Schüler fühlten sich sehr wohl in diesen Unternehmen und schätzten die Berufserfahrung, die sie sich dadurch aneignen konnten. Ein Dankeschön von einigen Schülern an den Betrieb Luzian Bouvier hängt heute noch im Hotel Jägerhof: ein Elchgeweih!
Mit einer anderen Gruppe von Schülern hatte ich auch ein Austauschprojekt mit einer Berufsschule in St. Petersburg. Ein unvergessliches Erlebnis für alle Beteiligten u.a., weil uns der isländische Vulkan Eyjafjallajökull, in Bezug auf den Rückflug nach Schweden, einen „Strich durch die Rechnung“ gemacht hat. Anstatt mit dem Flugzeug zurück nach Schweden fliegen zu können, war die Notlösung mit einem Bus von St. Petersburg nach Finnland/Helsingfors zu fahren und von dort aus die Fähre nach Stockholm zu nehmen. Von dort ging’s dann mit dem Zug weiter an die Westküste, nach Halmstad. Das war teilweise ein kompliziertes, herausforderndes Reiseunternehmen, aber die Mühe wert. Als wir nämlich ausgeschlafen am frühen Morgen am Deck der Fähre standen, zeigte sich die Stockholmer Schärenwelt in voller Pracht! Das war ein unvergesslicher, traumhaft schöner Anblick!
Am Sannarpsgymnasium standen zwei Internationalisierungsprojekte im Fokus: der Austausch mit dem Bundesligaverein VfL Wolfsburg und dem KORG in Zams. Für unsere professionellen Sportschüler mit Schwerpunkt Fußball und auch für unsere Deutschschüler war die Zusammenarbeit mit dem Bundesligaklub ein Erlebnis. Das Highlight war das Fußballtraining, bei dem unsere Fußballspieler von Wolfsburgs Jugendkadertrainern trainiert wurden.
Mein bisher letztes Internationalisierungsprojekt, das Climate Aid-Projekt, das ich mit meinem Musiklehrerkollegen Martin Alling und der Biologielehrerin Annette Alvå organisierte, fand in Zusammenarbeit mit meiner ehemaligen Schule, den Katharina-Lins-Schulen in Zams, konkret dem KORG, statt. Unsere Musik- und Deutschschüler wohnten eine Woche bei großzügigen Gastfamilien in und um Landeck und auch teilweise im so entgegenkommenden Klosterinternat. Die schwedischen und österreichischen Schüler waren u.a. Teil eines unvergesslichen musikalischen Abends, der ganz im Zeichen der Aufklärung um den Zustand unseres Klima stand. Dank der damaligen Direktorin Helga Noflatscher-Posch, der Climate Aid-Projektkoordinator Christian Unsinn, den Pädagogen/Lehrern, dem Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern sowie den KORG-Schülern und deren Familien, die alle sehr engagiert und mit Herz und Seele an dem Projekt gearbeitet haben, war die Projektwoche ein voller Erfolg. Als es jedoch Zeit war, für die KORG-Schüler und deren Lehrer zu uns nach Schweden zu kommen, schlug das Coronavirus zu. So ein enormer Rückschlag! Meine Zusammenarbeitspartner aus den verschiedenen Ländern und ich haben während der letzten Jahrzehnte viele Hürden bewältigen können, aber gegen diese Corona-Pandemie hatten wir keine Chance! Der Besuch der Schüler und Lehrer des KORG in Schweden musste eingestellt werden. Hier an dieser Stelle möchte ich mich, als kleine Kompensation für die ausgebliebene Austauschwoche, noch einmal an die am Projekt teilgenommenen Schüler und deren Lehrer mit einer Einladung wenden: Ihr seid, falls ihr Lust auf Urlaub in Halmstad habt, immer bei mir willkommen. In Schweden sagt man „Finns det hjärterum, finns det stjärterum“, d.h. ganz frei übersetzt: „Wo ein Herz ist, ist auch Platz für einen Hintern.“
Es fällt mir eigentlich kein besserer Abschluss für diesen Text ein, als wieder auf das Motto zum Wappen des Geschlechts Thomann hinzuweisen: „Am würdigen Alten in Treue halten! Am kräftigen Neuen sich stärken und freuen“. Die Liebe zu meiner Heimat mit allem, was dazugehört und meine Neugier auf Neues im Leben spiegelt sich ganz einfach wider in dieser Lebensphilosophie, in diesem Motto, wenn ich so auf mein Leben zurückschaue!
Vänliga hälsningar från Halmstad, d.h. Liebe Grüße aus Halmstad,
Sabine Alexandersson