Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
Artikel teilen
Artikel teilen >

Strom mit höheren Zielen

Wasserstreit zwischen Tiwag und Sölden entschieden – „Kaunertal“-Ausbau-Genehmigungsverfahren läuft bald weiter

Das Projekt „Kaunertal“-Ausbau kann weiterverhandelt werden – der Verwaltungsgerichtshof hat entschieden, dass die Tiwag Ötztaler Wasser im Kaunertal nutzen darf. Von der EU wird das Vorhaben als wichtig eingestuft.
22. November 2022 | von Daniel Haueis
Strom mit höheren Zielen
„Gepatsch“ bekommt einen Oberstufenspeicher im Platzertal. Zum Gesamtprojekt gehören aber noch etliche weitere Bauwerke: Triebwasserwege, Krafthäuser, zusätzliche Turbinen u. a. m. RS-Foto: Archiv
Von Daniel Haueis

Zehn Jahre läuft die Umweltverträglichkeitsprüfung für das Tiwag-Projekt Ausbau des Kaunertalkraftwerkes schon. Zuletzt wurde eine Pause eingelegt, weil das geplanterweise ins Kaunertal überzuleitende Ötztaler Wasser (Venter und Gurgler Ache) auch im Ötztal selbst zur Stromgewinnung genutzt hätte werden sollen. Dieser Widerstreit Tiwag-Sölden ist nun entschieden: Der Landesenergieversorger hat auch laut Verwaltungsgerichtshof das zu bevorzugende Projekt, da mehr Strom erzeugt wird, das Vorhaben besser dem Wasserwirtschaftlichen Rahmenplan Tiroler Oberland entspricht und das Hochwasserrisiko im Ötztal besser reduziert wird, wie Projektleiter DI Wolfgang Stroppa sagt. Fazit: Dem von der UVP-Behörde erteilten Verbesserungsauftrag wird die Tiwag bis Februar 2023 entsprechen, womit dann eine finale Version der Unterlagen vorliegt – zu beurteilen sind Pläne, Gutachten etc. auf 17000 Seiten. Das 2012 erstmals eingereichte Projekt könnte „frühestens 2027“ einen Bescheid in Rechtskraft erhalten, wie Stroppa schätzt. Bei mehr als fünf Jahren Bauzeit ist eine Inbetriebnahme vor 2032 bis 2034 unrealistisch.

EU-KOMMISSION BEWERTET KAUNERTALER PUMPSPEICHER ALS WICHTIG. Es werden geschätzte 2 Milliarden Euro investiert, um 900 GWh Strom zu erzeugen. Das ist der Verbrauch von gut 200000 Haushalten. Allerdings hat das Werk einen wichtigeren Auftrag, als „nur“ Strom zu produzieren: Es ist z.B. schwarzstartfähig, kann also im Falle eines Blackouts auch vom ausgeschalteten Zustand aus hochfahren. Zudem ist das Pumpspeichervorhaben für den Ausgleich von Stromschwankungen wichtig: Nicht konstant liefernde Stromerzeuger wie Windräder oder Photovoltaikanlagen bedingen flexibel einsetzbare Pendants, z.B. (Pump-)Speicherkraftwerke. „Diese Systemfunktion ist auch für die EU wichtig“, sagt Stroppa. Daher wurde der „Kaunertal“-Ausbau auch in die Liste der „Vorhaben von gemeinsamem Interesse“ der EU-Kommission aufgenommen, konkret: die Kapazitätserhöhung von Pumpspeicher-Strom im Kaunertal. Der „Kaunertal“-Ausbau ist damit eines von EU-weit knapp 100 Vorhaben, die laut EU-Kommission zur Versorgung aller Europäer „mit erschwinglicher, sicherer und nachhaltiger Energie“ und zur „klimaneutralen Wirtschaft bis 2050“ beitragen soll. Die EU-Kommission verspricht solchen Vorhaben etliche Vorteile, etwa ein gestrafftes Genehmigungsverfahren.

GANZE KRAFTWERKSGRUPPE. Im Projekt „Kaunertal“-Ausbau ist übrigens mehr inkludiert als die Überleitung des Ötztaler Wassers in den Gepatschspeicher, der Oberstufenspeicher im Platzertal samt Triebwasserweg zum Gepatschspeicher, das neue Kraftwerk Versetz, ein neuer Triebwasserweg zwischen dem Gepatschspeicher und dem Wasserschloss Burgschrofen sowie das Unterstufenkraftwerk Prutz 2. Die insgesamt 900 GWh Strom werden auch in weiteren Anlagen erzeugt: Kraftwerk Imst 2 (Runserau-Imsterberg 2) samt neuem Triebwasserweg und einer dann nötigen Erweiterung des Kraftwerks Imst-Haiming (es wird eine dritte Turbine erhalten). Die Tiwag verspricht einen Zusatznutzen für die Region durch Infrastruktur- und Ausgleichsmaßnahmen sowie regionale Zukunftspakete. Das Ötztal darf auf einen wirksamen Hochwasserschutz ohne zusätzliche Schutzbauten hoffen und erhält zudem eine zweite Stromverbindung, da ein Hochspannungskabel im Überleitungsstollen vom Kaunertal bis Sölden verlegt wird. Bedenken wegen der Sicherheit will Stroppa zerstreuen: „Die Art der Bauwerke ist sicher, höchster Standard“, sagt er z.B. über den Staudamm im Platzertal. Überwacht seien aber nicht nur die Dämme, sondern auch die Speicherhänge. Ein Eingriff in die Natur ist ein Kraftwerksbau freilich, Stroppa meint aber: „Ein Platzertal mit Speicher muss ja nicht schiach ausschauen.“



KW Kaunertal: Grüne drängen auf Alternativenprüfung

(dgh) Die Grünen lehnen die Erweiterung des Kraftwerks Kaunertal bekanntlich ab. Energiesprecher Gebi Mair & Co fordern daher eine sofortige Alternativenprüfung, in der geklärt werden soll, ob die Energiegewinnung aus anderen erneuerbaren Energiequellen nicht besser geeignet wäre. Mair führt u.a. die lange Bauzeit und die hohen Kosten ins Treffen. „Wir brauchen nicht erst in 25 Jahren erneuerbare Energie, sondern so schnell es geht“, führt die Imster Grünen-Bezirkssprecherin Dorothea Schumacher aus. Und was die veranschlagten zwei Milliarden Euro Gesamtkosten für das Kraftwerk betrifft, müsse die Frage in den Fokus rücken, ob z.B. eine Investition in Photovoltaikanlagen in Tirol zu einer höheren Energieausbeute führen könnte: „Erste Berechnungen zeigen, dass eine Photovoltaikoffensive klüger wäre. Das gilt es durch eine Studie nun genau zu überprüfen. Denn es darf nicht sein, dass aus ideologischen Gründen stur an einem Projekt festgehalten wird, wenn es bessere Alternativen gibt“, so Mair. Die Grünen wollen den Druck weiter hoch halten, auch mit Anträgen im Landtag.
Strom mit höheren Zielen
Wolfgang Stroppa: „Die Art der Bauwerke ist sicher, höchster Standard.“ Foto: Tiwag/Vandory

Feedback geben

Feedback abschicken >
Nach oben