Unterwegs auf dem Starkenberger Panoramaweg (3): Von Tarrenz nach Imsterberg
Wodurch sind die Starkenberger heute am bekanntesten? Kein Zweifel: durch das Bier, das ihren Namen trägt. Und zu der preisgekrönten Brauerei kommt man gleich zu Beginn unseres nächsten Teilabschnitts des Starkenberger Panoramawegs. Die RUNDSCHAU ist ihn für ihre Leser abgewandert.
Von Jürgen Gerrmann
Auf dem Weg zu den Sudkesseln lohnt sich aber erst einmal noch ein Blick zurück aufs Gurgltal. In grauer Vorzeit soll sich dort drunten einmal der Spiegelgrundsee befunden haben. Selbst das angeblich allwissende Internet kann hier nur spärlich Auskunft geben. Und so vermittelt das schöne Wandbild im Gasthof „Gurgltaler Hof“ (so idyllisch es zweifelsohne ist) auch mehr Fragen als Antworten. „Um 1500“ steht das als Zeitangabe, aber das kann im Grunde nicht sein.
Das Ausführlichste über diesen geheimnisumwitterten See findet sich noch im „Imster Geisterbrevier“ aus dem Jahre 1936. Da liest man vom Riesen Jordan und seiner Gattin Fanga, die am Ungerköpfle am Tschirgant hausten, als „Unholdenpaar“ bezeichnet werden und es besonders auf die Saligen (also wilde und weise Frauen) im Seewald abgesehen hatten.
Der fürchterliche Riese schaffte es dann tatsächlich, eines der Fräulein abzufangen – selbstverständlich „die schönste und liebreichste“. Das „überzart besaitete Feengeschöpf“ namens Hittehatte musste kräftig als Sklavin schuften. Aber dann wurde der Unhold Opfer seiner eigenen Dummheit.
Der dumme Riese.
Ihm gelüstete es nämlich kulinarisch nach zwei Burschen, die „er sich gerne gebraten hätte“. Doch die sprangen in den Spiegelfreudensee und schwammen ihm davon. Als der Herr Riese fragte, wie er das denn auch schaffen könnte, empfahlen sie ihm, sich den größten Felsklotz um den Hals zu hängen. Dann trage ihn das Wasser schon. Was er denn auch prompt tat. Und so erging es ihm wie so manchem Mächtigen in der Weltgeschichte: Er ging aufgrund seiner eigenen Tölpelhaftigkeit unter. Einen großen See dürfte es im Gurgltal dennoch sicher einmal gegeben haben: Nämlich, als sich die großen Gletscher nach der letzten Eiszeit zurückgezogen hatten. Man muss sich das einmal vorstellen: Die Eismassen reichten einst bis knapp unter den Gipfel des Tschirgant, dessen herrlicher Anblick einen auf dieser Tour immer wieder begleitet. Und der ist immerhin 2370 Meter hoch. Was im Umkehrschluss bedeutet: selbst am Antelsberg, dem höchsten Punkt des Starkenberger Panoramaweges, hätte man mindestens noch 800 Meter gefrorenes Wasser über sich gehabt. Vom Talgrund bei Tarrenz wären es nochmal 600 m mehr gewesen.
Der Inntalgletscher, der aus dem Engadin kam und vor 120 000 Jahren seine größte Mächtigkeit erreichte, formte ja auch dieses wunderschöne Tal, das damals übrigens bis ins heutige Garmisch reichte. Erst durch den Felssturz am Fernpass (von dem ja schon bei der ersten Etappe die Rede war) änderte sich das Ur-Landschaftsbild gravierend. Doch als das (dann doch nicht) „ewige Eis“ verschwunden war, bildete sich dort schon der sagenhafte See, denn die sogenannten „Bändertone“ machten den Boden erst einmal wasserundurchlässig. Heute fallen einem in den dominierenden Wiesen doch immer wieder Moor-Biotope auf, die an dieses geologische Zeitalter erinnern. Sie bieten auch seltenen Tierarten ein Domizil: dem Birkenspinner(von dem es weltweit wohl nur eine Art gibt), dem Nagelfleck, dem Schwalbenschwanz, dem Aurorafalter (um nur einige Schmetterlinge zu nennen) und darüber hinaus vielen Libellenarten. In erster Linie stechen einem allerdings die vielen Heustadel ins Auge. Die freilich sind dem Erbrecht im Gurgltal geschuldet: Jedes Mal, wenn ein Elternpaar starb, wurden die Felder geteilt, wodurch die eher „handtuchgroßen“ Flächen entstanden, auf denen diese Holzbauten heute stehen.
Arme Rittersleut’.
Schon bald sind wir allerdings an dem Punkt der Wanderung, an dem man den Namensgebern dieses herrlichen Weges wirklich am nächsten kommt: Schloss Neustarkenberg. Dessen Ursprünge reichen bis ins Jahr 1317 zurück, als König Heinrich von Böhmen seinem „getreuen Heinrich von Starchenberch“ den Hügel und den Burgstall „pei Tarrenz“ verlieh. Es handelte sich dabei um eine unbefestigte Anlage – allerdings war schon 14 Jahre später von einer „Burg“ die Rede.
Die schenkte Heinrich – als dann wohl doch befestigte Anlage – seiner Tochter Margarethe, der Gattin von Peter von Hoheneck. Diese Familie befand sich allerdings auch bald in Geldnöten und verpfändete sie an die Rottenburger aus der Nähe von Schwaz, die indes ebenfalls untergingen, sodass sie die Habsburger übernehmen konnten. Die strotzten allerdings auch nicht vor Reichtum, sodass Friedrich (der sinnigerweise den Beinamen „mit der leeren Tasche“ trug) sie 1415 für 800 Gulden an den Allgäuer Grafen Gerwig von Rotenstein aus der Nähe des heutigen Bad Grönenbach übereignete. 37 Jahre später sollten die Starkenberger dann aussterben.
Erster Sud zur Bayernzeit.
Berühmt ist dieses Geschlecht dann heute zuvörderst durch das tolle Bier, das dort gebraut wird. Die grandiose Idee, den Adelssitz in eine Brauerei zu verwandeln, hatte die Imsterin Anna Strele im Jahre 1810 – als Franzosen und Bayern nach der Niederschlagung des von Andreas Hofer angeführten Aufstands Tirol besetzt hielten. 10 000 Hektoliter Bier wurden damals produziert. Unter Martin Steiner, dem Geschäftsführer der Starkenberg Betriebs Gmbh, sind es heute mehr als das Vierfache.
Kaum ein anderes Bier Österreichs wurde so oft prämiert wie das vom Hügel über Tarrenz – ganz gleich, ob es sich um Lager, Schwarzbier, Pils, Radler, Bockbier oder alkoholfreien Gerstensaft handelt. Und sicher lässt sich auch der eine oder andere Wanderer hier eine Kostprobe munden, bevor er weiterzieht – an der aus Bierkisten gestalteten Erdkugel vorbei.
See als Kraftort.
Aus frischem Quellwasser besteht der romantische Starkenberger See.
Aus frischem einheimischen Quellwasser ist der Gerstensaft gebraut – und genau der speist auch den Starkenberger See, den man nach kurzer Zeit über die Schlossallee erreicht. Hier kann man sich nach Kneippscher Art erfrischen oder einfach niedersetzen und die Atmosphäre genießen – nicht ohne Grund empfinden viele diesen Platz als ganz speziellen Kraftort. Bier, Kneippen, Meditation – egal, wie man sich nun gestärkt hat: Die neue Kraft tut den Wadeln auf dem Weg hinauf nach Hoch-Imst gut. Schön auch, dass man trotz der Nähe zur Stadt Imst hier weitgehend auf natürlichen Wegen wandern und auch Abgeschiedenheit erleben und genießen kann.
Alpen-Achterbahn.
Ein erstes Naturschauspiel wartet dann kurz vor Hoch-Imst auf einen: einfach faszinierend, wie sich der Malchbach den Weg hinunter ins Tal bahnt. Und gerade, wenn man mit Familien unterwegs ist, muss natürlich eine Runde auf dem Alpine Coaster, der längsten Schienen-Achterbahn in den Alpen, ja auf der ganzen Welt, ganz einfach sein. Die knapp zehn Minuten für die 3585 Meter machen sicher allen Generationen Spaß. Ausruhen kann man sich dann ganz in der Nähe: entweder am Hoch-Imster Natursee oder nur ein paar Hundert Meter weiter am Schinderbach, der dann drunten in Imst durch die Rosengartenschlucht donnert.
In der Blauen Grotte bei Hoch-Imst wurde dereinst nach Silber gesucht – mit mäßigem Erfolg.
Hier lohnt sich dann auch auf jeden Fall ein Abstecher in die Blaue Grotte. Die hat zwar mit ihrer berühmten Namensbase auf Capri im Grunde nichts gemein – aber beeindruckend ist sie allemal.
Doch ihre Entstehung ist weniger mit Romantik als mit harter Knochenarbeit verbunden. Daran, ein idyllisches Plätzchen zu schaffen, dachte nämlich niemand. Eher an den schnöden Mammon. „Gold und Silber lieb ich sehr“ – dies galt schon in der Antike. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die ersten Versuche, schwachsilberhaltigen Bleiglanz zu gewinnen, wohl schon in der Römerzeit unternommen wurden.
Damals arbeitete man mit Feuer, im (späten) Mittelalter setzte man hingegen auf Schlägel und Eisen. Wenn man sich in der Grotte umsieht, dann spürt man zweierlei: Alle mussten wohl kräftig buckeln, aber reich dürfte keiner geworden sein.
Spirituelles Kleinod.
Eine barocke Wallfahrtskapelle: Maria Schnee in Gunglgrün.
Für Wanderer geht es nach dieser Stippvisite im Bergwerk erst einmal bergab. Auf halber Höhe wartet mal wieder ein spirituelles Kleinod auf sie: die Wallfahrtskirche Maria Schnee in Gunglgrün. 1734 wurde sie geweiht. Nur 18 Jahre zuvor hatte Prinz Eugen, der (nicht immer) edle Ritter bei der Schlacht von Peterwardein an Maria Schnee (5. August) das osmanische Heer besiegt. Bis heute wenden sich Menschen in ihrer Not an diese Muttergottes von Gunglgrün. Die Votivtafeln darin sind ein berührendes Zeugnis davon. Auf dem Weg zum Tagesziel bleibt einem schließlich ein etwas nerviger Abschnitt nicht erspart. Man touchiert dabei das Imster Gewerbegebiet, das zwar für die Wirtschaft sehr interessant ist, aber eben nicht für die Wanderer. Und dann muss man über die stark befahrene Autobahn und den Inn. Diese Asphalt-Passage zählt ganz sicher nicht zu den Glanzlichtern des Panoramawegs, aber zumindest im Moment muss man da halt durch. Vielleicht hilft ja ein Schnaps aus den vielen Privatbrennereien, an denen man in Imsterau vorbeikommt. Zu heftig sollte man dem freilich nicht zusprechenden, denn bis zum Etappenziel in Imsterberg wartet noch ein zackiger Anstieg auf einen.
Die dritte Etappe.
Start: Rotanger Tarrenz
Ziel: Ortsmitte Imsterberg
Länge: 18 Kilometer
Wanderzeit: knapp fünf Stunden
Höhenunterschied: je 530 Meter bergauf und bergab
Anschluss an den Nahverkehr:
Tarrenz Gemeinde; Imsterberg Schule
Einkehrmöglichkeiten:
Tarrenz; Schloss Starkenberg; Hoch-Imst; Gunglgrün; Imsterau; Imsterberg
Weitere Infos unter:
www.starkenberger-panoramaweg.com