Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
Artikel teilen
Artikel teilen >

Genetischer Zwilling gesucht!

Lebensrettende Stammzellen für die kleine Leonie und viele andere, die an Leukämie leiden

In Österreich erkranken jährlich knapp 1.000 Menschen an einer Form von Leukämie (Quelle: minimed.at). Dieses traurige Schicksal traf im vergangenen Jahr auch die dreijährige Leonie aus Holzhausen (Bezirk Wels-Land). Kurz vor Weihnachten erhielt die Familie die furchtbare Diagnose, nachdem das lustige, fröhliche Mädchen zuvor fast wie vom einen auf den anderen Tag nur noch weinte und starke Schmerzen hatte. Unzählige Untersuchungen, Operationen, Behandlungen und aktuell eine Chemotherapie bilden seither den Tagesinhalt des tapferen kleinen Mädchens und seiner Familie. Deine Stammzellen können Leben retten!
10. Mai 2021 | von Nadja Wolf
Genetischer Zwilling gesucht!
Aleksandra während der Spendenentnahme im Jänner, in der Fachklinik bei München. „Es ist wirklich nichts dabei, man liegt hier einfach nur da und wird rundum super betreut!“ Foto: Privat
Von Nadja Wolf.
Leukämie zählt zu den malignen (bösartigen) Erkrankungen der blutbildenden Organe und ist faktisch eine Störung der Bildung von Blutkörperchen. Dies führt zu einer Überproduktion von weißen Blutkörperchen und einem gleichzeitigen Mangel an roten Blutkörperchen. Zudem entarten die Leukozyten, verdrängen gesunde Knochenmarkzellen und erfüllen ihre Kernaufgabe – den Körper vor Infektionen zu schützen – nicht mehr. Wenn erste Behandlungen – wie Chemo- und Strahlentherapie – nicht wirken, bleibt für viele Menschen eine Stammzellenspende als letzte Chance übrig. Denn ohne sie haben die kleinen und großen Patienten in der Regel keine Überlebenschance.  Mit den gesunden Stammzellen eines Spenders versucht man ein neues, gesundes Immunsystem beim Patienten aufzubauen. Die Chance, diesen einen genetischen Zwilling zu finden, gleicht aber dem sprichwörtlichen Lottosechser.

Knochenmark und Rückenmark.
Man weiß nicht, woher der Mythos seinen Ursprung hat. Eventuell führen die Wortähnlichkeit oder amerikanische Serien zu dem weitverbreiteten Irrglauben, dass eine Stammzellenspende über einen schmerzhaften Eingriff im Wachzustand aus dem Rückenmark entnommen wird. Die Wahrheit ist, dass die Entnahme des Zellmaterials überwiegend über das periphere Blutsystem – schmerzfrei – mittels zweier Kanülen und dazwischen geschaltetem Zellseparator ambulant erfolgt. Nur jede zehnte Spende ist eine Knochenmarkspende  – diese aber wird über eine Punktion des Beckenknochens und unter einer leichten Vollnarkose vorgenommen.

„Für ein paar Stunden herumliegen und eine handvoll Spritzen vielleicht ein Leben zu retten, ist keine Heldentat“, sagt  Aleksandra Milanovic, die im Jänner dieses Jahres Stammzellenspenderin für eine Frau aus Mitteleuropa wurde. Die RUNDSCHAU trifft die Reuttenerin zum Interview, um aus erster Hand zu erfahren, wie eine Stammzellenspende abläuft – im Vorfeld, währenddessen und danach. Und wie es ihr dabei erging – einer äußerst sympathischen und bescheidenen jungen Frau, der es schon beinahe unangenehm ist, dafür gelobt zu werden.

RUNDSCHAU: Aleksandra, wie kam es zu deiner Spende?
Aleksandra: Ich habe mich 2017 bei einer Typisierungsaktion nach einem Aufruf im Bezirk Reutte registrieren lassen. Für den Patienten aus der damaligen Aktion war ich zwar keine passende Spenderin, glücklicherweise aber erfolgt die Registrierung in einer weltweiten Datenbank. Die Wahrscheinlichkeit, als Spender in Frage zu kommen, ist trotzdem leider gering, wurde mir bei der Typisierung gesagt. Kurz vor Weihnachten letzten Jahres kam aber dann der Anruf, dass ich tatsächlich zu einer Patientin passen würde.

RS: Wie ging es danach weiter?
Aleksandra: Ich war unfassbar berührt und habe mich riesig darüber gefreut. Nach dem Anruf erhält man ein spezielles Paket für eine weitere Blutuntersuchung beim Hausarzt. Danach wurde ich zur Voruntersuchung in eine Klinik nahe München eingeladen (Untersuchung/Spende finden in einer Fachklinik in Gauting bei München, in Ulm oder im AKH Wien statt. Anm. d. Red.). Bei diesem Termin wurde ich sehr freundlich, umfassend und wirklich gut über alles informiert. Über den Zeitpunkt der Spende wird man zeitnah informiert. Es wird nochmals ein Bluttest vorgenommen, dann eine Gesundenuntersuchung durchgeführt. Ich bekam eine Tasche mit Spritzen, die zur Vorbereitung notwendig sind, mit nach Hause. Die Spritzen kann man sich unkompliziert selbst verabreichen, sie beinhalten ein Mittel zur Bildung von Stammzellen. Fünf Tage vor der Spende beginnt man mit der täglichen Anwendung. Mir wurde gesagt, es können Nebenwirkungen, wie leicht grippeähnliche Symptome, entstehen, ich hatte allerdings keinerlei Probleme damit und nur kaum nennenswerte Gliederschmerzen.

RS: Wie ist es dir bei der Spende ergangen?
Aleksandra: Mir wurde für die Anreise am Vortag ein Hotelzimmer  zur Verfügung gestellt und empfohlen, eine Begleitperson mitzubringen (auch die Voruntersuchungen hatte ich in Begleitung, übrigens werden alle Aufwendungen übernommen). Darüber war ich sehr froh, denn natürlich war ich trotz allem nervös. Am nächs-ten Morgen um acht Uhr begann die Spende mittels Stammzellseparation über das Blut (ähnlich der Dialyse). Das ganze Team war extrem freundlich und sehr fürsorglich. Ich konnte mir Filme aussuchen, das Liegen wurde mir so angenehm wie möglich gemacht und ich wurde toll betreut. Während der ganzen Anwendung hatte ich nie Schmerzen, aber, natürlich wird es mit der Zeit von bis zu fünf Stunden etwas unangenehm. Danach fühlte ich mich verständlicherweise geschwächt. Wir fuhren dann direkt nach Hause und ich hab erst mal bis zum nächsten Tag geschlafen. Danach war alles wieder wie vorher!

RS: Wie geht es dir heute, hat die Spende eine körperliche Auswirkung?
Aleksandra:  Gesundheitlich geht es mir ganz normal. Die gespendeten Stammzellen werden innerhalb kurzer Zeit wieder nachgebildet. Ich könnte und würde auch jederzeit sofort wieder spenden. Aktuell bin ich allerdings zwei Jahre in der Datenbank sozusagen „gesperrt“, damit ich nochmals für die selbe Patientin spenden könnte, falls es Komplikationen gibt oder noch mehr Stammzellen benötigt werden. Nach dieser Zeit lasse ich mich direkt wieder „freischalten“. Es macht mich so glücklich, dieser Frau vielleicht helfen zu können. Mir wurde gesagt, dass ihre Überlebenschance durch meine Spende von null auf 70 Prozent gestiegen ist. Ich kann nur sagen, es gibt überhaupt keinen Grund, Angst vor einer Spende zu haben. Das ganze Team in der Klinik war großartig und die Leute von „Geben für Leben – Leukämiehilfe Österreich“, die das alles organisieren, sind supernett und auch heute noch telefonisch oder per WhatsApp mit mir in Kontakt.

RS: Herzlichen Dank für das besonders nette und informative Gespräch, Aleksandra!

Für Leonie.
Am 15. Mai findet von 11 bis 13 Uhr die Typisierungsaktion des Vereins „Geben für Leben“ für die kleine Leonie im Gemeindesaal Heiterwang mit Unterstützung der Landjugend Heiterwang statt. Es bedarf keiner Anmeldung. Die Probeentnahme erfolgt über einen Wangenabstrich. Für alle, denen es nicht möglich ist, diesen Termin wahrzunehmen, gibt es jederzeit und unabhängig eines Aufrufs, die Alternative, sich online auf www.gebenfuerleben.at registrieren zu lassen. Man erhält ein Typisierungsset direkt nach Hause,  kann seine Probe selbst durchführen und anschließend einschicken. Eine weitere Möglichkeit ist die finanzielle Unterstützung, denn alle Typisierungen müssen zu 100 Prozent durch Geldspenden finanziert werden. Diese sind steuerlich absetzbar. Wer kann Spender werden? Jeder, in körperlich gesundem Zustand, ab 50 kg Körpergewicht, im Alter zwischen 17 und 45 Jahren.

Feedback geben

Feedback abschicken >
Nach oben