Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Tannheimer Ortsteil Berg ist zukunftsfit

Grüne Wärmewende durch neue Biowärme-Anlagen

Auf dem Weg zur Wärmewende braucht es neue, innovative Köpfe, die Träger der Zukunftswärme sind bzw. werden wollen. Vor Kurzem fanden sich in Tannheim/Berg einige innovative Bewohner zusammen und beschlossen, eine Biomasse-Anlage zu errichten. Gemeinsam geht der Ortsteil im Hochtal nun zukunftsfit in die nächsten Jahrzehnte.
18. April 2022 | von Sabine Schretter
Tannheimer Ortsteil Berg ist zukunftsfit
Trotz Corona-Pandemie konnte das Biomasse Heizwerk innerhalb weniger Monate geplant sowie umgesetzt werden. Foto: Bionahwärme Berg
Von Sabine Schretter.
Beinahe unscheinbar schmiegt sich das Biomasse-Heizwerk mit seinen Holzschindeln an der Außenfassade und dem hinteren anthrazitfarbenen Gebäudeteil in die Landschaft im Tannheimer Tal ein. Kaum zu erahnen ist, welch eine Leistung damit für die Region erbracht wird: Aktuell liefert die kleine Anlage – nach knapp einem Jahr Bestehen – klimaneutrale Wärme an 28 Abnehmer. In Planung ist ein zweiter Bauabschnitt, der weitere vierzehn Abnehmer versorgen kann.  Dabei ist sie noch kaum ein Jahr wertvoller Energie-Lieferant für die dortige Bevölkerung. Im Vorfeld brauchte es ein paar innovative Köpfe, die dafür gesorgt haben, dass das Biomasse-Heizwerk entsteht. Einer davon ist Markus Peintner – aktuell Obmann der Bionahwärme Berg und darüber hinaus Inhaber des Berger-Hofs in Tannheim. „Wir für uns haben die einzig richtige Lösung mit der Bionahwärme-Anlage gefunden. Es ist ein stimmiges, rundes Projekt“, sagt er.  So wurde im ersten Schritt geprüft, ob man beim bereits bestehenden Heizwerk in Tannheim anschließen könne. Aufgrund der Abgeschiedenheit entschied man sich schließlich für den Bau eines eigenständigen Biomasse-Heizwerks. Im Juli letzten Jahres startete man schließlich damit, auch wenn erste Gedanken dazu bereits 2018 aufgekommen waren. Gut Ding brauchte dabei Ausdauer – trotz der Corona-Pandemie konnte die Anlage innerhalb weniger Monate geplant sowie umgesetzt werden und pünktlich zu Saisonbeginn durch viel „Manpower“, wie Peintner betont, in den durchgängigen Heizbetrieb starten. „Für uns war das als Genossenschaft schon eine große Herausforderung“, erinnert er sich. „Dieser Weg vom gar-nichts-haben, auch kein Grundstück, bis zum Betrieb war kein leichter. Das war nur möglich, weil wir alle zusammengehalten haben.“ Letztlich habe man das Ganze durch Handschlag-Qualität so schnell wie möglich über die Bühne gebracht. Das nicht zuletzt wegen der Förderung, die nur für einen bestimmten Zeitraum gegolten habe. „Es ist in dieser Zeit gelungen, viele Steine aus dem Weg zu räumen“, schildert Peintner.

Beispielgebend.
Doch wie kommt man nun als Gemeinde zum eigenen Biomasse-Heizwerk? Bei der Bionahwärme Berg führte der erste Weg zur Energie Tirol. Nach einer Erstberatung von dieser wurde der Kontakt zur Biowärme Tirol gesucht, die durch ihr Betreiber-Netzwerk die Praxiserfahrung von mehr als 80 Anlagen einbringen konnte. „Andreas Moser hat uns in dieser Phase unter die Arme gegriffen“, lobt Peintner. Und weiter: „Meiner Meinung nach macht es absolut Sinn, dass andere Orte auch solche Biomasse-Werke bauen“, sagt er. „Wir haben bereits vor der aktuellen Krise die Entscheidung getroffen, die Anlage zu errichten und bereuen es nicht.“ Zudem sei er „höchst erfreut“, dass man mit den gegebenen Strukturen das Projekt umsetzen konnte und meint, dass es zu empfehlen sei, dass sich mehr Menschen zusammenschließen. „Das Heizwerk hat uns Mehrwert und Komfort für den Ort gebracht.“ Berg geht damit zukunftsfit in die nächsten Jahrzehnte: „Das Schöne ist einerseits das Projekt, das man weiterbringt, andererseits sind es aber auch die besonderen Menschen, die man dadurch kennenlernt. Das hat noch einen größeren Stellenwert“, so der Vorstand der Bionahwärme Berg.

Raus aus Öl und Gas.
Die klimaneutrale Wärmeversorgung ist eine der größten Herausforderungen der Zukunft, alleine in Tirol sind bis 2035 rund 60.000 Ölheizungen zu tauschen. Auf Bezirksebene liegen keine offiziellen Zahlen vor, die Biowärme Tirol schätzt die Anzahl in Reutte aber auf zumindest rund 2.600 Anlagen. Und die Zeit rennt beim Tausch – nicht nur wegen der ungünstigen Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und deren Lieferanten – bis 2025 müssen Anlagen, die älter als 25 Jahre sind, ausgewechselt werden. Es besteht also in den nächsten drei Jahren Handlungsbedarf bei allen Heizanlagen, die vor der Jahrtausendwende eingebaut wurden. Ein Glück, dass die Umstände gerade so günstig wie nie sind, die Andreas Moser, Koordinator der Biowärme Tirol, näher beschreibt: „Gerade im Bereich der privaten Haushalte sind die ‚Raus aus Öl und Gas‘-Förderungen durch Land und Bund gegenwärtig sehr hoch und können bei niedrigen Einkommen bis zu 100 Prozent betragen.“ 1.400 Ansuchen aus Tirol sind bis zum 31. Jänner 2022 bereits eingegangen, die Bundesförderung ist ferner mit der Tiroler Wohnbauförderung kombinierbar. Eine Beratung durch die Energie Tirol im Vorfeld ist zu empfehlen. „Fördermöglichkeiten werden auch durch unseren Förderrechner ersichtlich“, betont Moser. An der Nahwärme Interessierte finden alle Betriebe zum „Andocken“ auf der Geo-Landkarte der Biowärme Tirol. Neben dieser Anlage im Ortsteil Berg ist im Zentrum von Tannheim selbst das von der Bioenergie Tirol und dem E-Werk Reutte geführte größere Pendant zu finden. Weitere Nahwärme-Anlagen im Bezirk Reutte sind in Lermoos und Grän.

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