Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
Artikel teilen
Artikel teilen >

Wasser, Feuer und ein Mühlstein

Die Kapelle in der Kög in Reutte ist dem Heiligen Florian gewidmet

Sie sind in der Regel klein und unscheinbar, aber sie prägen das Außerfern auf eine sanfte und dennoch eindrucksvolle Art: die Kapellen in den kleinen Dörfern und am Wegesrand. Mancher beachtet sie gar nicht, obwohl sie so viel zu erzählen haben. Die Legenden zu den Heiligen, denen sie geweiht wurden, spiegeln auch die Freuden und Sorgen der Menschen wider, die dereinst hier lebten. Die RUNDSCHAU hat einige von ihnen besucht und hat der Geschichte ihrer Namensgeber nachgespürt. Heute geht’s in die Kög in Reutte.
13. Dezember 2021 | von Jürgen Gerrmann
"Der Heilige Florian beschützt den Markt Reutte": So hat sich das Franz Anton Zeiller auf seinem Altarbild für die Kapelle in der Kög vor rund 250 Jahren vorgestellt. RS-Foto: Gerrmann
Von Jürgen Gerrmann.
Der Heilige ist ungezogen. Er soll ja nicht frieren. Und deswegen wurde der gute Florian am Samstag vom Brunnen an der Ecke Kög/Floriangasse in die Kapelle nebenan, die ja seinen Namen trägt, gebracht. Ein guter Anlass, einmal hineinzuschauen.
Die Bewohner von Kög und Floriangasse haben offenkundig eine ganz innige Beziehung zu dem Kirchlein. Stirbt einer von ihnen, „dann fährt der Bestatter mit dem Sarg nochmal an der Floriankapelle vorbei und wir läuten“, erzählt Robert Pacher, der seit kurzem gemeinsam mit seiner Frau Christine den Mesnerdienst versieht. Deren Vorgänger Christine und Robert Leismüller waren während der vier Jahrzehnte, über die sie die Kapelle betreuten, ja selbst zur Legende geworden.

PERLE DES ROKOKO.
Reuttes Historiker Richard Lipp stuft die rund 250 Jahre alte Kapelle, die einen abgebrochenen Vorgängerbau ersetzte, übrigens als Reuttes bedeutendstes Bauwerk des Rokoko ein. Einen Eindruck, wie der Hauptort des Außerfern damals aussah, vermittelt Franz Anton Zeillers eindrucksvolles Altarbild, das um das Jahr 1774 entstand: „Der Heilige Florian schützt den Markt Reutte“. Die großen Brände von 1846 (als Kirche und Kloster, die auf Zeillers Bild groß dargestellt sind, den von einem Brandstifter entfachten Flammen zum Opfer fielen) und 1853 (sieben Häuser am Obermarkt mit Stallungen und Stadeln wurden zerstört) konnte aber auch er nicht verhindern.
Die Kög in der frühen Nachkriegszeit mit Blick Richtung Lechtal spiegelt sich wiederum im Deckengemälde von Franz Seelos dem Jüngeren wider. Der Zirler, der vor allem als Krippenmaler bekannt war, schuf es 1951. Die Floriankapelle besitzt natürlich auch für die Feuerwehr eine ganz herausragende Bedeutung. Schließlich ist er ihr Schutzpatron. Aber anders als man im ersten Moment vermutlich denkt, war das gar nicht vom ersten Moment an so – sondern erst ab dem 15. Jahrhundert.

IN DIENSTEN DER RÖMER.
Gelebt hatte Florian der Legende nach etwa elf Jahrhunderte zuvor – und zwar im heutigen Niederösterreich. Geboren worden soll er um 250 im heutigen Zeeselmauer im Tullnerfeld, wo sich zur Römerzeit das Kastell Cannabiaca, das den Donaulimes absicherte, und auch eine Zivilsiedlung, die die rund 500 Soldaten versorgte, befand. Über sein Leben ist nicht viel bekannt. Der bayerische Theologe Johann Evangelist Stadler erwähnt in seinem fünfbändigen „Vollständigen Heiligenlexikon“, das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erschien, nur, „daß er sich dem Kriegsdienste widmete und wahrscheinlich eine höhere Stelle bekleidete“. Andere Quellen bezeichnen ihn als Leiter der Kanzlei des römischen Statthalters in Lauriacum (heute Lorch bei Enns), also einen durchaus „einflussreicher und angesehener Mann, der in Aelium Cetium (heute Sankt Pölten) seine Pension genossen habe, bis  von dem üblen Treiben des neuen Statthalters Aquilinus an seinem früheren Wirkungsort erfahren habe. Der habe 303 oder 304 in Lauriacum die von Kaiser Diokletian (der die Siedlung zur Hauptstadt der Provinz Ufer-Noricum gemacht hatte) angeordnete Christenverfolgung umgesetzt und 40 Christen gefoltert und eingesperrt. „In dieser Schreckenszeit erweckte der Herr einen christlichen Kämpfer, welcher im kaiserlichen Heere diente und nun durch seinen Heldenmuth allen seinen Glaubensgenossen Muth einflößen sollte“, schreibt Stadler.
Ihm zufolge machte sich Florian, als er von den Martern seiner Glaubensgenossen erfuhr, sofort auf den Weg und lief prompt römischen Soldaten in die Arme. Er machte sich gar keine Mühe, seinen Glauben zu verbergen, sondern spielte mit offenen Karten: „Was macht Ihr Euch so viele Mühen, um Christen auszufinden – da steht so einer vor Euch?! Gehet hin und sagt das Eurem Statthalter!“ Gesagt, getan. Und der Abgesandte des Imperators bot ihm wie üblich einen Deal an: „Schwöre Deinem Glauben ab und huldige den römischen Göttern, dann ist alles in Ordnung!“
Über das, was dann folgte, gibt es verschiedene Variationen. Stadlers Bericht (nicht gerade etwas für schwache Nerven) lautet so: „Da aber der Heilige Florian standhaft blieb, ließ Aquilin zuerst ihn entkleiden und fürchterlich schlagen. Dann aber, als der heilige Märtyrer standhaft blieb, ließ Aquilin ihn entkleiden und fürchterlich schlagen, dann aber, als der heilige Märtyrer frohen Mutes blieb, ihm mit spitzigen Eisen das Fleisch von den Schultern abreißen. Als auch dies nichts fruchtete, ließ er ihn mit einem Stein am Halse in der vorbeifließenden Enns ertränken.“ Der Soldat, der ihn von der Brücke gestoßen hatte, soll darauf von einem Moment auf den anderen erblindet sein: „Der Fluß aber nahm den heiligen Zeugen Christi auf und spülte ihn auf einen hervorragenden Felsen, wo dann ein Adler herbeiflog und den Leichnam  mit ausgebreiteten Flügeln beschützte.“
Florian soll dann Valeria, der Frau eines römischen Bürgers, im Traum erschienen sein und ihr mitgeteilt haben, wo er begraben werden wolle. Die ließ einen Wagen bespannen und versteckte den Toten unter Sträuchern. Als die Tiere vor Durst erschöpft waren, „ergoß sich alsbald eine reiche Quelle zur Stärkung des Gespannes“, so daß das Ziel dann erreicht werden konnte: das heutige Stift St. Florian bei Linz, rund ein Dutzend Kilometer von Lorch entfernt. Dort fand man übrigens bei Grabungen vor und während des Zweiten Weltkrieges die Gebeine von 40 gemarterten Menschen – die Legende um Florian, der heute als „erster österreichischer Heiliger“ gilt, scheint mithin einen durchaus realen Hintergrund zu haben.

SCHUTZPATRON FÜR VIELE.
Der Wasserkübel, den Florian auf fast allen Darstellungen in der Hand hält und ausgießt, war übrigens in der ersten Zeit Symbol für seinen Märtyrertod durch Ertränken (deswegen gesellt sich oft auch noch der Mühlstein dazu), erst seit 600 Jahren wird er mit dem Schutz vor Feuer in Verbindung gebracht. Manche sagen, weil Wasser gegen Feuer helfe, Stadler erzählt wiederum von  einer Kapelle über Florians Grab, die ein „Bösewicht“ angezündet habe und sofort nach dessen plötzlichen Tod wieder neu errichtet worden sei.
Aufgrund der an vielen Häusern angebrachten Floriansdarstellungen bringt man den Schutzpatron von Oberösterreich, Linz und auch Polen (Reliquien von ihm befinden sich im Krakauer Dom) heutzutage hauptsächlich mit der Bewahrung vor Flammen in Verbindung, aber er hat noch viel mehr „Zuständigkeiten“: für Bäcker und Rauchfangkehrer (auch an Reuttes Altbürgermeister Sigi Singers Haus prangt eine solche Darstellung), für Bierbrauer und Gärtner, für Küfer und Töpfer, für Schmiede und Seifensieder. Meteorologisch warnt er an seinem Gedenktag (dem 4. Mai) davor, sich vorzeitig über den Frühling zu freuen: „Der Florian, der Florian noch einen Schneehut tragen kann“, heißt es in einer alten Bauernregeln, deren Gültigkeit in Zeiten des Klimawandels erst noch überprüft werden muss.
Immer größerer Beliebtheit scheint sich der Gute indes in der Politik zu erfreuen: „Heiliger Sankt Florian! Verschon mein Haus, zünd andere an!“, gewinnt anscheinend als Handlungsanleitung immer mehr an Popularität...

Feedback geben

Feedback abschicken >
Nach oben