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Auch Skepsis gegenüber Fernpass-Plänen

Transitforum komplett gegen Tunnel, Wirtschaft gegen die Maut

Schon bevor die neue Tiroler Landesregierung überhaupt angelobt wurde, gab es den ersten Paukenschlag: Zu deren obersten Prioritäten zählt offenkundig eine Maut auf der B179 durchs Außerfern, mit der ein Tunnel unter dem Fernpass finanziert werden soll. Darauf haben sich ÖVP und SPÖ in ihrem Koalitionsvertrag geeinigt – das freilich stößt nicht überall auf helle Begeisterung.
31. Oktober 2022 | von Von Jürgen Gerrmann
Auch Skepsis gegenüber Fernpass-Plänen
Im August 2018 wurde in Reutte heftig gegen den geplanten Fernpass-Scheiteltunnel demonstriert. Vier Jahre lang war es dann ruhig um dieses Projekt geworden. Durch den neuen schwarz-roten Koalitionsvertrag gleich zu Beginn der Amtszeit der neuen Tiroler Landesregierung wieder aufs Tapet gekommen. RS-Foto: Gerrmann
Von Jürgen Gerrmann

Fritz Gurgiser, der Obmann des Transitforums Austria-Tirol, verlangt zum Beispiel stattdessen Lösungen, die sofort greifen und nicht erst am Sankt Nimmerleinstag. So hatte ja der vor kurzem abgelöste Landeshauptmann Günther Platter beim Neujahrsempfang der Wirtschaftskammer Reutte 2018 verkündet, mit dem ersten Spatenstich für den Fernpasstunnel 2021 zu rechnen – die Verkehrsfreigabe werde dann „frühestens 2025“ erfolgen. Was nun die Regierungsparteien in ihren Koalitionsvertrag hineingeschrieben hätten, ist für Gurgiser nichts anderes als „der übliche Deal“: „Die Roten kriegen ihren Bahntunnel und die Schwarzen ihren Autotunnel: Und beide wissen, dass sie dafür 30 Jahre brauchen und die Ist-Situation nicht gelöst wird.“

TRANSITFORUM WILL SOFORTLÖSUNGEN. Warum kommt dann immer wieder ein Projekt aufs Tapet, von dem (so Gurgiser) sogar die eigenen Gutachter des Landes Tirol sagen, dass es nichts bringe? Das erklärt sich der altgediente Anti-Transit-Kämpfer so: „Niemand in der Politik hat den Mut, Fehler einzugestehen. Im Gegenteil, weil sie ja nicht mit eigenem Geld diese Tunnel-Schnapsideen finanzieren, heißt es dann immer: ,Jetzt haben wir (!!!) schon so viel Geld investiert, jetzt können wir nicht mehr zurück‘. Niemand auf dem privaten oder wirtschaftlichen Sektor könnte sich so verhalten, ohne pleite zu gehen. Auch das ist ein sehr wesentlicher Grund, an Straßen- oder Bahntunnelträumen festzuhalten. Aber wenn es nicht aufgeht, bleiben Kosten und Lasten an uns Bürger
Innen hängen. Und das nur, weil sich zu viele vor der eigenen Courage verstecken.“ Das grundsätzliche Gebot der Stunde laute indes, die Probleme, die aktuell da seien, auch jetzt zu lösen, anstatt den Menschen immer wieder Pläne vorzugaukeln – „und zwar im vollen Wissen darüber, dass all dies nicht zu schaffen ist“. Die Verpflichtung bestehe nun darin, die Ist-Situation zu verbessern: „Sämtliche Grenzwerte zum Gesundheitsschutz sind bereits überschritten.“ Das Protokoll der Alpenkonvention verlange glasklar, dass der Transitverkehr reduziert und nicht durch neue erleichternde Maßnahmen wie Tunnels noch verstärkt werde. Die vom Transitforum propagierten Forderungen seien sofort umsetzbar: „Man muss nur den Mut haben, in dieses kranke System einzugreifen.“ Dazu gehörten unter anderem die Überprüfungen aller bestehender Fahrverbote auf ihre Wirksamkeit, die Evaluierung, welche Ausnahmen, die zum Teil Jahrzehnte lang gälten, noch gerechtfertigt seien, sowie unangemeldete Kontrollen des Schwerverkehrs. Man müsse sich im Außerfern klar darüber sein, dass beim Bau des Fernpass- (und womöglich gar eines Tschirgant-) Tunnels es auch vorbei mit dem 7,5-Tonnen-Limits für Lkw sein werde. Gurgiser: „Das wäre ein fatales Signal und eine europaweite ,Einladung‘ die Fernpassstrecke noch mehr zu ,überlastern‘ als heute.“

WIRTSCHAFT GEGEN MAUT. Auch Wolfgang Winkler, der Bezirksstellenleiter der Wirtschaftskammer Tirol, outet sich nicht gerade als Fan- der neuen Pläne der Landesregierung. Seine Skepsis konzentriert sich da freilich zunächst einmal auf die geplante Maut: „Die sehen wir sehr kritisch“, sagt er im Gespräch mit der RUNDSCHAU. 95 Prozent aller Lebensmittellieferungen kämen über den Fernpass ins Außerfern, konstatiert er: „Und die Wirtschaft kann man im Gegensatz zur Bevölkerung im Bezirk nicht von der Mautpflicht ausnehmen.“ Das bringe aber einen enormen Wettbewerbsnachteil für die Außerferner Gewerbetreibenden mit sich. So hätten zum Beispiel die Produzenten für Möbelplatten ihren Sitz im Tiroler Oberland. Man habe das einmal am Beispiel einer Küche durchgerechnet. Ergebnis: Bis die im und fürs Außerfern fertig gebaut sei, falle dann fünf Mal Maut an. Ein anderes Beispiel sei die Firma Schretter. Es sei zwar schön und gut, den Zementtransport per Bahn zu propagieren: „Aber die meisten Baustellen sind nun mal nicht an einer Bahnlinie.“ Bleibe es bei der Maut, so werde die Außerferner Wirtschaft extrem darunter leiden. Auch wegen der schlechten Rahmenbedingungen. In Richtung Inntal gebe es nur eine einzige ganzjährig befahrbare Verbindung (den Fernpass eben), hinüber nach Bayern aber sieben. Winklers Forderung daher: „Wir sind und bleiben stolze Tiroler. Aber wir brauchen eine vernünftige Anbindung zu vertretbaren Konditionen.“ In der Maut sieht er indes eher eine „immense Gelddruckmaschine“. Die 50 Millionen Euro, die damit erlöst werden sollten, gingen zulasten der Außerferner Wirtschaft: „Dafür muss es dann einen Ausgleich geben – zum Beispiel durch eine gezielte regionale Wirtschaftsförderung.“ Eine schnelle Anbindung an den Rest Tirols sei und bleibe natürlich ein großer Wunsch der Wirtschaftskammer, aber von der Maut sei keinerlei verkehrslenkende Wirkung zu erwarten. Das Ziel der WKO sei nun nicht zuletzt, die Streitfrage um Tunnel und Maut zu entpolitisieren. Wobei er auch in seiner Eigenschaft als Bürgermeister von Ehenbichl und Obmann des Planungsverbands Reutte durchaus einräumen müsse, dass „wir Außerferner zum Teil auch selbst schuld daran sind, dass es da noch keine Lösung gibt“. Warum? „Wir waren uns nie einig, was wir eigentlich wollen, und deswegen haben wir nix.“ In den vergangenen Jahrzehnten sei immer nur „Flickwerk mit einzelnen Ortsumfahrungen“ angegangen worden: „Aber man hat nie eine große Gesamtlösung erarbeitet.“ Wobei die ganze Sache aber zugegebenermaßen nicht so einfach sei: „Wir wollen keine neue Transitroute, aber es kann auch nicht sein, dass wir gewissermaßen eine Tiroler Exklave sind. Das ist der Spagat, den wir schaffen müssen.“ Eins gibt der Mann von der Wirtschaftskammer freilich ebenfalls zu Protokoll: „Die Verkehrsprobleme bei uns sind kein Schwerverkehrs-Thema, sondern werden von den Pkw hervorgerufen. Denn gerade an den Wochenenden, wo das Fahrverbot für Lkw gilt, staut es sich hier bei uns komplett zu. Aber dem werden wir auch mit der Maut nicht Herr. Worin deren Benefit für das Außerfern liegen soll – das muss man uns erst einmal erklären.“

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