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Nulltarif im Außerfern?

Ehenbichls Bürgermeister könnte sich das „ganz persönlich“ vorstellen

Österreich hat, wenn es um den Verkehr geht, EU-weit den zweithöchsten Pro-Kopf-Ausstoß an CO2 (sagt zumindest der Verkehrsclub Österreich). In Tirol wiederum geht die Hälfte aller Emissionen dieses Schadstoffs auf diesen Sektor zurück. Eine echte Entlastung dürfte es da nur durch den massiven Umstieg auf Busse und Bahnen geben. Könnte ein Nulltarif da Motivation liefern? Ehenbichls Bürgermeister Wolfgang Winkler könnte sich das durchaus vorstellen.
6. Dezember 2021 | von Jürgen Gerrmann
Nulltarif im Außerfern?
Führt die Reise im Nahverkehr in Richtung Nulltarif? Darüber dürfte in nächster Zeit intensiv diskutiert werden. Aber selbst wenn die Antwort Ja lautet, dauert es noch eine Weile, bis die Dinge auf Schiene gesetzt werden können. RS-Foto: Gerrmann
Von Jürgen Gerrmann.
Diese „ganz persönliche Meinung“ äußerte Winkler, der auch Obmann des Planungsverbands Reutte und Umgebung ist, im Gespräch mit der RUNDSCHAU, bei dem es zunächst einmal um den kostenlosen Schnee- (oder Arena-)Express durchs Außerfern ging. Der war ja für die vergangene Wintersaison zwar angekündigt, aber aufgrund der Corona-Beschränkungen nie verwirklicht worden. Dies deswegen, weil „wir für dieses Projekt auch den Tourismus und die Seilbahnwirtschaft brauchen“. Die aber sahen keinen Sinn darin, dafür etwas zu zahlen, wenn wegen des Lockdowns gar keine Gäste da sein können. Was wiederum bei vielen Einheimischen, die dieses Angebot in früheren Jahren gern genutzt hatten, für Enttäuschung sorgte.

„STOSSRICHTUNG GANZJAHRESTICKET“.
Winkler kann da beide Seiten verstehen: „Aber vergangene Saison war der Tourismus ganz auf null, die Seilbahnen sind nur eingeschränkt gefahren. Da war es klar, dass man so etwas nicht realisieren konnte. Die Einnahmen von den Gästen haben ja komplett gefehlt.“ Die Planungsverbände überlegten sich sehr wohl, wie man die Einheimischen auf dieser Schiene mitnehmen könne (was hier ja durchaus wörtlich zu nehmen ist). In der vergangenen Saison habe man daher zugesagt, den auf die Außerferner entfallenden Fahrtkos-tenanteil zu übernehmen. Durch den Lockdown sei das hinfällig geworden, für die aktuelle Saison gebe es keine derartige Regelung. Die Stoßrichtung der Gemeinden gehe darüber hinaus in Richtung Außerferner Ganzjahresticket für Busse und Bahnen. Und dann kommt der Satz, der aufhorchen lässt: „Ich persönlich könnte mir vorstellen, den öffentlichen Nahverkehr im Bezirk zumindest temporär kos-tenfrei zu machen.“ Ein Gratisangebot ziehe eben mehr als alles andere. Nach den Kommunalwahlen wolle man übrigens im Planungsverband die Mobilität verstärkt angehen. Dazu gehöre auch das „klare Bekenntnis zur Außerfernbahn“, das mit Leben erfüllt werde, sobald der zukünftige Betreiber klar sei. Im Moment fährt ja die Deutsche Bahn (DB), aber der Verkehrsverbund Tirol (VVT), der den öffentlichen Verkehr im Land organisiert, bereitet zurzeit die Neuausschreibung vor, die im nächsten Jahr erfolgen wird. Dabei kann sich die DB wieder bewerben. Aber auch andere Anbieter können mitbieten. So betreibt zum Beispiel die private Rail Holding AG die Westbahn zwischen Salzburg und Wien. Das Ausschreibungsverfahren ist indes eine ziemlich aufwendige Geschichte, so dass die Ergebnisse erst zum Fahrplanwechsel im Dezember 2025 wirksam werden. Vier Jahre dürfte es mithin noch bis zu einem auch für die Fahrgäste spürbaren echten Durchbruch (egal mit welchem Betreiber) dauern. Die Chancen für eine deutliche Verbesserungen steigen vielleicht dadurch, dass Tirol mit Bayern gemeinsam den Betrieb auf Außerfern- und Mittenwaldbahn ausschreibt. Winkler könnte sich hier übrigens auch ein Interreg-Projekt mit dem Werdenfelser Land und dem Allgäu („eventuell sogar bis Kempten“) vorstellen: „Aber es wird halt immer komplizierter, je mehr Partner mit dabei sind.“ Auf jeden Fall irritiert ihn, „dass Busse und Bahnen nach wie vor leer sind“ – was indes zu Zeiten des Arena-Expresses anders war, als auch die Einheimischen ihre Liebe zum Zug nicht nur entdeckten, sondern auch auslebten. Wohl nicht nur für den Bürgermeister also ein deutlicher Fingerzeig, wohin die Reise aus Sicht der Bevölkerung gehen sollte. Ob nun ein totaler Nulltarif oder ein eher symbolischer Preis für ein Jahresticket die Wende zu Bussen und Bahnen bringen könnte (oder nicht) – unter anderem darüber will man sich in naher Zukunft intensiv Gedanken machen. „Für mich und den ganzen Planungsverband hat die Mobilität ganz hohe Priorität“, sagt der Obmann: „Dabei müssen wir Bahn, Bus und Straße mitdenken und nicht nur einen Sektor betrachten.“

BALDIGE VERBESSERUNGEN.
Die Grünen machen derweil in einer Pressemitteilung auf „deutliche Verbesserungen“ fürs Außerfern aufmerksam, die schon bald wirksam werden. Zum Fahrplanwechsel am kommenden Montag werde es zweimal täglich mit der auf den Railjet abgestimmten neuen Linie 161X eine neue Direktverbindung nach Imst geben, zudem binde ein Anrufsammeltaxi die von den Linien 110 (Richtung Steeg) und 120 (Oberjoch) bedienten Orte am Abend ab 19.59 Uhr besser an Reutte an. „Das ist eine echte Öffi-Offensive fürs Außerfern“, meinen Bezirkssprecherin Regina Karlen und der Verkehrssprecher der Partei im Landtag, Michael Mingler. Allerdings räumen sie ein, dass diese Zusatzangebote nicht ausreichten, um alle Verkehrsprobleme im Außerfern zu lösen: „Aber sie tragen dazu bei, dass man das Auto leichter stehen lassen kann.“ Mingler unterstreicht, dass es aufgrund der geografischen Lage des Bezirks Reutte „starken politischen Willen und kreative Lösungen“ brauche, um für einen guten Nahverkehr zu sorgen. Regina Karlen wünscht sich wiederum, dass die Talschaften schon an den ersten Kurs der neuen Linie 160X angebunden und auch ein Anrufsammeltaxi in Richtung Vils etabliert wird. Da benötige es indes stärkere Unterstützung von den Gemeinden. Im Klartext: „Lokale finanzielle Beteiligung.“

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