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„Permanente Rosstäuscherei“

Transitforum wirft Landesregierung Augenauswischerei beim Motorradlärm vor

Eine Menge Lob hatte das Land Tirol vergangene Woche in einer Pressemitteilung bereit – und zwar für sich selbst. Tenor: Das Fahrverbot für Motorräder mit über 95 Dezibel Standgeräusch in den Bezirken Reutte und Imst sei ein „probates Mittel“, um die Menschen dort vor „ungebührendem Motorradlärm zu schützen“. Fritz Gurgiser, der Obmann des Transitforums Austria-Tirol, sieht das freilich ganz und gar nicht so. Er spricht vielmehr von „permanenter Rosstäuscherei“.
15. November 2021 | von Jürgen Gerrmann
„Permanente Rosstäuscherei“
Auf seiner Hausmesse vor zwei Jahren präsentierte das EW Reutte hochmoderne Elektro-Motorräder. Auf den Straßen Tirols sind sie indes kaum zu finden. RS-Foto: Gerrmann
Von Jürgen Gerrmann.
„Die Rückmeldungen aus der Bevölkerung sind sehr positiv“, hatte Landeshauptmannstellvertreterin Ingrid Felipe in besagter Pressemitteilung verlautbaren lassen. Die Kontrollen hätten gezeigt, dass „die Fahrverbote weitestgehend beachtet werden und vom überwiegenden Teil der Motorradfahrer auch akzeptiert werden“. Sie freute sich zudem darüber, dass die EU-Kommission festgestellt habe, dass diese Fahrverbote nicht gegen EU-Recht verstießen, und auch dass das Landesverwaltungsgericht Tirol eine Beschwerde eines Motorradfahrers gegen einen Strafbescheid zurückgewiesen habe: „Unbegründet!“ Die Polizei habe heuer in den beiden Bezirken 7.527 Motorräder überprüft, ob die trotz eines lauteren Standgeräusches als die erlaubten 95 Dezibel über die Straßen gekurvt seien. 123 habe man deswegen erwischt. Was einer Quote von nur 1,6 Prozent (ähnlich der des Vorjahres) entspreche. Alles paletti also?

„RELATIV WENIG VERKEHR“.
Ein paar Absätze weiter oben heißt es in der Pressemitteilung freilich: „Der Motorradverkehr war im heurigen Jahr wiederum stark von den Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie betroffen. Aufgrund der Verkehrsbeschränkungen an den Grenzen gab es im Frühjahr noch relativ wenig Motorradverkehr. Der Trend setzte sich auch nach der Lockerung der Grenzkontrollen fort. Zudem waren in den Sommermonaten und im Frühherbst die Witterungsbedingungen mit etlichen Regenwochenenden nicht ideal für Motorradausflüge.“ Wurden also gewissermaßen Äpfel mit Birnen verglichen und sagt diese Statistik mithin im Grunde gar nichts aus? Fritz Gurgisers Auffassung geht auf jeden Fall in diese Richtung: „Die ,Evaluierung' im Corona-Jahr 2020, in dem wegen der Pandemie dramatische Rückgänge des Motorradverkehrs zu verzeichnen waren, ist eine politische und behördliche Augen- und vor allem Ohrenauswischerei, da der deutlich reduzierte Verkehr (nicht nur der Motorräder) natürlich auch weniger Belastungen verursachte“, sagt er gegenüber der RUNDSCHAU.
Der Obmann des Transitforums sieht daher auch eine Zusicherung Ingrid Felipes, das Jahr 2020 wegen der Corona-Einschränkungen nicht zu bewerten, als gebrochen an – was ihn massiv auf die Palme bringt. Und mindestens genauso sehr ärgert ihn, dass in diesen Pressemitteilungen die Begriffe „Gesundheit“, „Lebensqualität“, „sanfter Tourismus“, „Ruhegebiet“ und „Naturpark“ überhaupt nicht auftauchten. Es gehe nur darum, die eigene Kontrolltätigkeit zu preisen. Die Einhaltung von Vorschriften auch zu überwachen, sei indes im Grunde eine Selbstverständlichkeit.

„MESSEN STATT ZÄHLEN!“.
Geradezu eine Drohung sei zudem die Ankündigung, im nächsten Jahr auch in anderen Regionen Tirols teure Motorrad-Zählstellen zu „aktivieren“. Gurgiser: „Es ist unverständlich, dass mit unserem Steuergeld nicht der Lärm gemessen, sondern die Motorräder gezählt werden!“ Es müsse genau andersherum sein. Es brauche belastbare Daten über den Krach, der „Gesundheits-, Lebens- und Tourismusqualität massiv beschränkt“. Dass man den pandemiebedingten Rückgang des Motorradverkehrs in einen „Erfolg des Lärmfahrverbotes“ umzumünzen versuche, sei „eine bewusste politische Rosstäuscherei“. Dass der bekannte österreichische Motorradhersteller KTM nur noch Elektro-Fahrzeuge nach Japan exportieren könne, weil dort eben die Anti-Lärm-Vorschriften so hoch seien, solle daher „ein Ansporn sein, den Lärm effektiv anzugehen und mit Mut zu begrenzen“.
Die Alpen seien „ein besonders sensibler wunderschöner Raum, den wir den nächsten Generationen intakt weitergeben müssen“. Das sei der einzige Maßstab, den es hier anzusetzen gelte. Gurgisers Fazit: „Freizeitlärm durch täglich tausende Motorräder hat da keinen Platz. Es gibt technische Alternativen.“

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