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„Wir haben kein Kirchturmdenken“

Reuttes Obmann Wolfgang Winkler hält die Arbeit der Planungsverbände für unterschätzt

Miteinander statt nebeneinander oder gar gegeneinander – das könnte die Devise der Planungsverbände im Land Tirol sein, sofern sie auch gelebt wird. Der Obmann des Planungsverbandes Reutte und Umgebung findet: „Bei uns funktioniert das ganz besonders gut.“ Das machte Ehenbichls Bürgermeister Wolfgang Winkler im Gespräch mit der RUNDSCHAU auch anhand von Beispielen deutlich.
29. November 2021 | von Jürgen Gerrmann
„Wir haben kein Kirchturmdenken“
Wolfgang Winkler ist nicht nur Bürgermeister von Ehenbichl, sondern auch Obmann des Planungsverbands Reutte und Umgebung – und von der Arbeit dieses Gremiums überzeugt, das sich weit mehr Themen widme als nur seinen Pflichtaufgaben. RS-Foto: Gerrmann
Von Jürgen Gerrmann.
Winkler ist der vierte Obmann des 2005 (wie alle anderen) gesetzlich verordneten Verbands, der die elf Gemeinden zwischen Weißenbach und Vils umfasst. Bei der Gründung hatte der Lechaschauer Aurel Schmidhofer das Amt inne, auf ihn folgten der Breitenwanger Hanspeter Wagner und der leider allzu früh verstorbene Vilser Günter Keller, dessen Nachfolge dann Ehenbichls Gemeindeoberhaupt antrat. Ziel war es vor 16 Jahren, die übergeordnete Raumordnung zu stärken. „Ein politischer Schachzug, um die Eigenständigkeit der 279 Kommunen im Land zu stärken“, beschreibt Winkler die Motivation für diesen Schritt. Und er ist überzeugt von dieser „formalen Plattform, wo man gut zusammenarbeitet und Dinge rechtlich verbindlich festlegen kann.“ Dadurch habe man auch ein stärkeres Standing als ein Verein auf freiwilliger Basis, wie etwa die Regionalentwicklung Außerfern (REA). Freilich: Befassen kann man sich nur mit aktuellen Dingen. Das umstrittene neue Logistikzentrum an der Reuttener Ortsumfahrung konnte daher zum Beispiel in diesem Gremium nicht zum Thema gemacht werden.

MEHR ALS DAS GESETZ VERLANGT.
Worauf der Obmann ganz besonders stolz ist: „Wir versuchen, unseren Verband weit über den rein gesetzlichen Rahmen hinaus weiter mit Leben zu füllen.“ Ein Musterbeispiel dafür sei die Kinderbetreuung, die man gemeinsam auf sichere Beine gestellt habe: „Kleine Gemeinden wie Musau oder Pinswang können es nicht aus eigener Kraft schaffen, eine ganztägige und ganzjährige Betreuung für alle Zwei- bis 14-Jährigen anzubieten, wie es das Gesetz verlangt.“ Also habe man sich zusammengetan und auch private Anbieter (den Kinderhort Together, die Wühlmäuse, das Eltern-Kind-Zentrum, das Josefsheim und die Tagesmütter von Frauen im Brennpunkt) als Ergänzung zu den Gemeindekindergärten mit ins Boot geholt: „Denen bezahlen wir pro Kind und Stunde zwei Euro.“

FÜR BILDUNG UND GESUNDHEIT.
Bewährt habe es sich auch, die Position des Planungsverbandsobmanns neutral (also jenseits der wirtschaftsstarken und dadurch auch zuweilen konkurrierenden Gemeinden) zu besetzen: „Natürlich gibt es manchmal auch gegenseitige Ressentiments. Aber das kann man einordnen.“ Am Herzen liegen Winkler übrigens auch „weichere“ Themen: „Was nutzen uns große Gewerbegebiete, wenn wir keine Mitarbeiter bekommen?!“ Sowohl Bildung als auch Gesundheit gehörten daher zum Standortmarketing. Und ein ganz großer Pluspunkt sei da das Ärztehaus Pflach, das man gemeinsam auf den Weg gebracht habe.
Die Schlüsselfrage für eine schnelle Lösung habe dabei gelautet: „Wer hat Ressourcen? Wo könnte es am schnellsten gehen? Und Pflach hatte den Grund.“ So sei es gelungen, nicht nur einem Internisten eine Praxis zu bieten, sondern nach vier Jahren Vakanz auch einen Augenarzt ins Außerfern zu lotsen. Auch deswegen, weil man persönlichen Kontakt gesucht und gefunden habe, dem Mediziner „die Region schmackhaft gemacht und ihm gute Konditionen für die Praxis“ habe bieten können.
Auch das zeige, dass man im Planungsverband stets das große Ganze im Blick habe: „Bei unseren Themen streben wir keinen eigenen Vorteil für die jeweilige Gemeinde an, sondern denken regional – und agieren auch so“, sagt Wolfgang Winkler. Und dann entfährt ihm doch ein Stoßseufzer: „Leider ist das in der Öffentlichkeit viel zu wenig bekannt.“
Vermutlich sei auch den wenigsten bewusst, was man in der ersten Phase der Corona-Pandemie im März 2020 weit vor dem Land auf die Beine gestellt habe: „Wir haben für 95 000 Euro Masken, Schutzvisiere und Schutzkleidung gekauft und allen Mitarbeitern in sensiblen Bereichen zur Verfügung gestellt. Das hat uns im Bezirk über diese so schwierige erste Phase hinübergerettet.“ Hier sei wieder der große Vorteil des Außerferns deutlich geworden – und der liege eben gerade in dessen Kleinheit: „Hier in der Region kennt man sich, weiß, wer was kann und wer was weiß. Und das behält man nicht für sich, sondern gibt es weiter.“
Wie oft kommt denn nun der Planungsverband zusammen? „Formell gibt es zwei Versammlungen pro Jahr. Aber darüber hinaus werden Sitzungen anberaumt, die auch öffentlich sind und die volle Bandbreite des öffentlichen Lebens abdecken“, erklärt Winkler. Ein Pumptrack für junge Leute in Reutte oder eine neue Geh- und Radwegbrücke zwischen Höfen und Ehenbichl (die RUNDSCHAU berichtete über beide Themen ausführlich) kämen ja nicht nur den jeweiligen Standortgemeinden zugute, sondern allen im Talkessel: „Wir haben kein Kirchturmdenken, sondern wollen öffentlich kundtun, was wo dran ist.“

GERINGE RESONANZ.
Die Sitzungen werden übrigens an den Amtstafeln der elf Gemeinden angekündigt, aber dennoch gibt es kaum Resonanz. Bei der jüngsten waren übrigens außer einem Zeitungsmann noch zwei andere Personen anwesend, obwohl durchaus interessante Themen auf der Tagesordnung standen. Was meint Winkler dazu? „Ich würde mich sehr freuen, wenn mehr kommen. Weil wir eine offene Diskussion führen – und nicht etwa im stillen Kämmerlein. Und ich sehe uns nicht als Debattierclub, sondern als Gremium, das mitentscheidet und die Richtung vorgibt.“

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