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Reutte | Politik | 3. Oktober 2022 | Von Jürgen Gerrmann

Zombie muss weiterwandern

Zombie muss weiterwandern
Eine Umgehungsstraße in der Nähe des Krankenhauses und über eine im Winter bei Langläufern sehr beliebte Wiese? Viele können sich das nicht vorstellen. Aber dennoch war die große Mehrheit des Planungsverbandes Reutte und Umgebung dagegen, dieses Projekt endgültig zu streichen. RS-Foto: Gerrmann
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Mehrheit im Planungsverband gegen Aus für Umfahrung Reutte Süd

Ein Zombie – das ist laut Wikipedia-Definition „ein eigentlich Verstorbener, der allerdings weiterhin als willenloses, seiner Seele beraubtes Wesen umherwandert“. Und insofern könnte man vermutlich auch die Südumfahrung von Reutte als verkehrspolitischen Zombie einstufen: Sie kann nicht leben, darf aber auch nicht sterben.
Von Jürgen Gerrmann

Wolfgang Winkler, Obmann des Planungsverbands Reutte und Umgebung, hatte sie in seiner Eigenschaft als Bürgermeister von Ehenbichl gemeinsam mit dem dortigen Gemeinderat eigentlich endgültig beerdigen wollen, doch seine Kollegen sagten mit Ausnahme von Breitenwangs Hanspeter Wagner (der wohl nicht zuletzt als Obmann des Krankenhausverbandes die Argumentation nachvollziehen konnte) das offizielle Begräbnis in der jüngsten Sitzung des Planungsverbandes wieder ab.

ERNÜCHTERNDE STUDIE. Dass es sich dabei um ein im höchsten Maße sinnvolles und effektives Projekt handelt, wurde allerdings nach den Ausführungen von Wolfgang Haas, dem Leiter des Baubezirksamts Reutte, nicht deutlich. Der blickte um fast ein Dutzend Jahre zurück und schilderte die Ergebnisse einer vom Land Tirol in Auftrag gegebenen Studie zu einer Umfahrung von Reutte, die vom Jugendgästehaus Graben in Höfen auf die rechte Lechseite nach Ehenbichl und dort über die Wiesen, von denen gerade im Winter wegen der tollen Loipen dort auch so viele Einheimische begeistert sind, am Krankenhaus und Campingplatz vorbei zur Anschlussstelle Reutte Süd der B179 hätte führen sollen. Das (auch von Helmut Köll, dem Chef des damals federführenden Büros Planoptimo bestätigte) Resultat: Die in der Raumordnung verlangte Verkehrsverlagerung von über 50 Prozent könne mit einer solchen Tangente auch nicht annähernd erreicht werden. Und so verwunderte es 2011 auch wohl kaum jemand, dass der damals dafür zuständige Landeshauptmannstellvertreter Anton Steixner das Projekt für tot erklärte. Begründung: Die „Wirksamkeit“ sei „zu gering“. Haas dazu: „Daran hat sich bis heute nichts geändert.“ Köll ergänzend: „Bodenverbrauch, Flächenversieglung, mögliche Verhaltensänderung der Verkehrsteilnehmer – all das wurde damals noch gar nicht berücksichtigt. Eine Umfahrung müsste heute noch viel besser begründet werden als damals schon.“

DIE DEBATTE. Winkler wies in seiner Eigenschaft als Bürgermeister auch darauf hin, dass Ehenbichl in den vergangenen Jahren viel Geld in die  Attraktivierung des Naherholungsgebiets Sintwag investiert habe. Und da sei eine Umgehungsstraße, die zudem nahe des Krankenhauses verlaufe, eher kontraproduktiv. Diese Argumente hielt er wohl auch für so überzeugend, dass er die Herausnahme der Umgehung Reutte Süd zunächst per Umlaufbeschluss hatte absegnen lassen wollen. Doch da machte ihm die Mehrheit seiner Bürgermeisterkollegen erst einmal einen Strich durch die Rechnung und verlangte eine Debatte in der öffentlichen Sitzung des Planungsverbandes. Dabei verwies Höfens Bürgermeister Rüdiger Reyman unter anderen darauf, dass auch im Lechtal sich immer mehr Gewerbe ansiedle. Die Konsequenz: Der Verkehr (auch durch Lkw) nehme immer mehr zu. Die nun zur Debatte stehende Trasse sehe auch er als einzige Möglichkeit, sich überhaupt eine Option zur Entlastung offenzuhalten. Daher plädiere er dafür, die Flächen weiterhin freizuhalten. In dasselbe Horn stieß Reuttes Vizebürgermeister Markus Illmer. Einerseits sei das Thema Bodenversiegelung ein großes Thema, aber auf der anderen Seite seien viele Leute auch froh, wenn Boden versiegelt werde und sie dafür den Verkehr von ihrer Haustür wegbekämen. Auch er sei daher gegen eine Streichung dieser Umfahrung: „Was weg ist, ist nun mal weg.“ Eva Wolf befand als Bürgermeisterin der Gemeinde Lechaschau, dass der (aus ihrer Sicht künftig noch zunehmende) Schwerverkehr in und aus Richtung Lechtal „ja irgendwo durch muss“. Wenn man sich alle Optionen verbaue, sei in kürzester Zeit schon wieder mit einer großen Debatte zu rechnen. Pflachs Ortschef Karl Köck unterstrich, dass man hier nicht darüber diskutiere, ob dieses Projekt binnen der nächsten fünf Jahre verwirklicht werden sollte, sondern „nur darum, ob wir uns diese Möglichkeit offen halten oder nicht“. Winklers mit einem leichten Schuss Provokanz gewürzter Gedanke, ob man da als Alternative nicht auch über eine Umfahrung Reut-tte Nord von Wiesbichl zur Unterlüß nachdenken solle, stieß wenig überraschend auf höchst begrenzte Gegenliebe. Musaus Bürgermeister Franz Haid weigerte sich schlichtweg, auf solch ein Gedankenexperiment überhaupt einzugehen: „Stehenden Verkehr kann man nicht noch stehender machen. Bei uns sind schon jetzt sogar unter der Woche die Orte komplett zu.“ Auch Winklers Argument, das Reutte Süd landespolitisch quasi gar nicht mehr existiere und die Kosten schon vor einem Dutzend Jahren auf 30 Millionen Euro geschätzt worden und seit her sicher gewaltig weiter gestiegen seien, verfing nicht: Nur Wagner hob mit ihm die Hand für eine Streichung der Trasse, fünf votierten mit Nein, die restlichen vier enthielten sich – wobei letzteres laut Geschäftsordnung ebenfalls „Nicht-Zustimmung“ bedeutet.
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