In den Gemeinschaftsgärten tut sich etwas, im wahrsten Sinne des Wortes. Die ersten Knospen sind bereits zu sehen, Bienen und Hummeln summen und surren über den Pflanzen, die ersten, grünen Kräuter ragen bereits aus der Erdoberfläche heraus. Im Kemater Gartl pflanzen und ernten 38 Mitglieder (Familien, Paare, Einzelpersonen) vorwiegend aus Kematen auf einer Fläche von gut 1.700 Quadratmetern Gemüse, Kräuter und Obst. Neben den Einzelbeeten gibt es auch gemeinschaftlich genutzte Flächen, auf denen Kartoffeln, Kürbis und Zucchini wachsen. Im Tomatenhaus kann jeder Hobbygärtner seine eigenen Tomatenpflanzen setzen, hegen und ernten. In den Gärten wächst allerdings nicht nur Biogemüse, -kräuter und Artenvielfalt, sondern auch die Gemeinschaft.
GRÜNES GEMEINSCHAFTSGEFÜHL UND SOLIDARITÄT SÄEN. Als Obfrau des Vereins ist es Sylvia Kainz nicht nur wichtig nachhaltiges Biogemüse und Co einzupflanzen, es geht hier im Kemater Gartl – wie in vielen anderen Gemeinschaftsgärten auch – um ein Miteinander: „Wir organisieren über das Jahr verteilt viele Veranstaltungen, wir achten immer wieder darauf, dass ein Angebot für die Gemeinschaft vorhanden ist, es ist selten, dass man alleine im Garten ist, weil es beim Gartln eben auch um eine soziale Funktion geht.“ So gibt es unter anderem jährlich einen Workshop, eine Erntedankfeier, eine Sonnwendfeier oder gemeinsam organisierte Grill-abende.
WER NIMMT, MUSS AUCH GEBEN. Hinter dem seit 2015 bestehenden Gemeindegarten, der sich auf dem ehemaligen, südlichen Gelände der HBLFA Tirol befindet, steht quasi ein Gesellschaftskonzept der Zukunft. Jedes Mitglied hat nicht nur sein eigenes Beet zu betreuen, sondern engagiert sich zudem an der Gemeinschaftsfläche. Ob man beim Kompost, der Kräuterspirale oder beim Hügelbeet mithilft, spielt dabei keine Rolle. „Gerade die Gruppenarbeit ist schon immer wieder eine Herausforderung in der Organisation, manche sind dabei sehr aktiv, manche sieht man seltener, aber ein Ansprechen und Nachfragen hilft dann schon meist“, berichtet Maria Theresia Halder. Denn: Wer später beispielsweise bei der Kartoffelernte fleißig einpacken möchte, muss klarerweise auch übers Jahr mithelfen – das ist nur loyal und fair. Mitunter ist gerade deswegen das Projekt „Kemater Gartl“ ein Vorzeigeprojekt der Gemeinde. Das bestätigt die Warteliste für den Garten, darunter nicht nur Familien und Einzelpersonen aus Kematen, sondern auch aus Innsbruck.
GEMEINSCHAFTSGÄRTEN BLÜHEN IN TIROL AUF. Auch die Gemeinde Pfaffenhofen besitzt seit dem vergangenen Jahr einen Gemeinschaftsgarten. Das von der Gemeinde initiierte Projekt nennt sich passenderweise „Solidago“. „Solidago ist eine Pflanzengattung innerhalb der Familie der Korbblütler, die auch Goldrauten genannt werden, und steht zudem für die Abkürzung ,solidarische Gartenorganisation‘ den Namen fanden wir deshalb in zweierlei Hinsicht passend“, schildert Sandra Jenewein, die gemeinsam mit ihrem Mann den Aufbau und die Organisation des Gemeinschaftsgarten betreut. Hier in Pfaffenhofen ist alles erst im Entstehen, der Garten genauso wie der Ablauf. „Mein Mann und ich sind Gartenlaien, es ist ein Prozess für uns, der uns aber wahnsinnig viel Freude macht“, erzählt die Pfaffenhofenerin. Seit dem Frühling 2023 nehmen elf Menschen, von jung bis alt, am Projekt teil, trugen im letzten Jahr den Humus ab, teilten die Beete ein oder legten ein Kräuterbeet an. Nachdem der Herbst im Jahr 2023 bis in den Oktober viele Sonnenstrahlen und warme Temperaturen bereithielt, konnten die Hobbygärtner auch schon erste gewachsene Ergebnisse sehen. Auch hier werden es immer mehr, die am Gemeinschaftprojekt im Grünen mithelfen und -arbeiten möchten. Platz für neue helfende Hände gibt es im Gegensatz zu Kematen noch: „Wir brauchen immer weitere Arbeiter und Anpacker und freuen uns natürlich über Anfragen“, sagt Jenewein.
SCHMUTZIGE HÄNDE, ABER GLÜCKLICHE GEMÜTER. Dass die Tiroler wieder gerne „gartln“, verdankt der Trend mitunter auch der coronabedingten Pandemie vor einigen Jahren. „Es erdet wirklich, zwei, drei Stunden vergehen dabei wie im Flug“, schildert Sandra Jenewein. Darüber hinaus sei es ein irrsinnig gutes und wichtiges Projekt, man komme der Natur genauso wie einander menschlich wieder näher, werde achtsamer und verständnisvoller, findet Jenewein. Auch für die beiden Obleute aus Kematen ist der Garten ein wertvoller Teil ihres Lebens geworden. „Es geht mir ums Anbauen und ums Garteln, die Zeit vergeht dort im Handumdrehen, mindestens einmal in der Woche gehe ich in den Garten“, sagt Maria Theresia Halder. Für Sylvia Kainz ist „der Garten ein guter Ausgleich zu meiner Bürotätigkeit, ich bin in der Natur, gestalte mit meinen Händen und tausche mich mit Gleichgesinnten aus“, und sagt weiters: „Wenn ich beim Einsetzen bin, kann ich extrem gut abschalten und vergesse alles andere, du merkst, wie der Stress nachlässt.“ Wenn sie ihrer Familie sagt, dass sie für zehn Minuten in den Garten geht, erntet sie nur Lacher. „Mein Mann und mein Sohn wissen, dass aus den zehn Minuten immer über zwei Stunden werden“, erzählt Kainz schmunzelnd.
Die „Solidago“-Gemeinschaft in ihrem Garten: Vor Kurzem verlegten die Mitglieder einen Teil des Kräuterbeetes. Foto: Erwachsenenschule Oberhofen Pfaffenhofen