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Historiker, Schriftsteller und Journalist

Stefan Dietrich aus Telfs ist vergangenheitsfasziniert und von Jugend an auch geschichtsbegeistert

Der promovierte Historiker und Germanist Stefan Dietrich stöbert leidenschaftlich in der Vergangenheit. Unter anderem stellte er sich die Fragen: Wie erlebte die Bevölkerung von Telfs 1918 das Ende der Monarchie? Wie wirkten sich die Wirtschaftskrise und die politische Radikalisierung der frühen Dreißigerjahre aus? Das sind nur zwei spannende Fragen aus seiner als Buch veröffentlichten Dissertation, dem er nun mit seinem Buch über Hitlers letzte Diätköchin Constanze Manziarly, einer Innsbruckerin mit Bezug zur Mieminger Fraktion Barwies, einen neuen Höhepunkt hinzufügte.
6. April 2021 | von Peter Bundschuh
Historiker, Schriftsteller und Journalist<br />
Der promovierte Historiker und Germanist Stefan Dietrich ist nicht nur profunder Kenner der Telfer Geschichte, sondern veröffentlichte mit „Constanze Manziarly – Hitlers letzte Diätköchin“ die Biographie einer bislang weitgehend unbekannten Tirolerin, die auch in Mieming-Barwies gearbeitet hatte. Foto: Bundschuh
Von Peter Bundschuh

Stefan Dietrich, geboren 1961 in Telfs, studierte Geschichte und Germanistik an der Universität
Innsbruck. Er lebt als Journalist und Schriftsteller in Telfs. Im „Brotberuf“ ist der Historiker Mitarbeiter des Medienbüros der Marktgemeinde Telfs. Er ist verheiratet, hat drei erwachsene Kinder und einen Enkel und stammt aus einer Familie, die sich in der Region über Jahrhunderte zurückverfolgen lässt. Stefan Dietrich ist aus Passion Forscher im lokal- und regionalgeschichtlichen Bereich. Unter anderem beliefert er auch seit mehr als einem Jahrzehnt wöchentlich die RUNDSCHAU Telfs-Seefeld-Völs mit einem Beitrag für das beliebte „So war es früher“ auf Seite 2.  „Nicht hauptberuflich Historiker zu sein hat den Vorteil, sich seine Themen aussuchen zu können, das zu tun was einen interessiert“, so das „Telfer Urgestein“. Im Resultat publizierte er Bücher und Beiträge nebst einem Dutzend Aufsätzen in Fachliteratur und Hunderte an Zeitungsbeiträgen. „Mein Ziel ist es Quellen zur Lokal- und Regionalgeschichte aufzuspüren und auszuwerten und mich dabei nicht auf Epochen festlegen zu müssen. Natürlich geht es oft um jüngere Geschichte, aber auch Archäologie ist mir ein Anliegen. Stolz bin ich etwa darauf, dass ich dazu beigetragen habe, dass auf dem Telfer Schlossbichl ein Heiligtum aus der Eisenzeit ausgegraben wurde. Andererseits freut es mich auch, wenn verschollene Biographien ans Licht kommen, wie bei der Diätköchin Constanze Manziarly, die in Hitlers Haushalt verpflichtet wurde, oder wenn das Schicksal verfolgter Juden aus Telfs sichtbar wird.“

Nationalsozialismus als „Sonderthema“ und Widerstand gegen das Regime. Dass ein Gutteil der Tiroler Bevölkerung den „Anschluss“ aus den unterschiedlichsten Beweggründen befürwortete ist erwiesen, allerdings nahm die Loyalität zum „Führer“ im Verlauf des Krieges ab. Mancher stand auch bis zum bitteren Ende hinter dem Regime, andererseits regte sich auch Widerstand, teilweise von Anfang an und in unterschiedlicher Ausprägung, auch dazu forschte Stefan Dietrich, etwa in seinem Buch „Telfs 1918-1946“: „Telfs gehört nicht zu den Tiroler Orten, die als Zentrum des Widerstandes gegen das nationalsozialistische Regime angesehen werden können. Dennoch gibt es auch in der Ober-inntaler Marktgemeinde Beispiele von Auflehnung und aktiver Opposition in verschiedener Ausprägung.“ Widerstand ortet Dietrich weniger in offensivem Auftreten als in defensiver Form. Das Abhören und Weitergeben verbotener Radionachrichten bis zur regimefeindlichen Propaganda und zur demonstrativen Ablehnung der Symbole des NS-Staates könnten als Beispiele dienen. Dass Geschichte und Zeitgeschichte literarisch spannende und rätselhafte Züge auch in nächster Umgebung aufweisen kann, schildert der Autor in den folgenden Vorkommnissen: „Es existieren auch etwas mysteriöse Hinweise auf möglicherweise bemerkenswerte Widerstandsaktivitäten im Telfer Untergrund, die allerdings verschiedene Interpretationen zulassen.“ Im Zwangsarbeiterlager in der „Klamme“ soll sich eine Widerstandszelle gebildet haben, die Kontakt zu einem englischen Agenten hatte. Ziel der Aktivitäten sei es gewesen eine bewaffnete Untergrundgruppe aufzubauen. Es gab während des Krieges in Telfs auch einen missglückten, weil unprofessionell durchgeführten, Sprengstoffanschlag. Der Sprengsatz ist wie amtlich protokolliert an einem Hydranten vor dem Gasthaus Post angebracht worden, zu einer Detonation kam es allerdings nicht. Mehr dazu in Stefan Dietrichs Buch: „Telfs 1918 –1946“. 

Historiker als „Spürhund“. Das zweite Hauptwerk von Stefan Dietrich trägt den Titel „Constanze Manziarly – Hitlers letzte Diätköchin“ (Anm.: Die RUNDSCHAU berichtete über dieses Werk bereits ausführlich). Die höchst lückenhafte bis kaum vorhandene Quellenlage rund um die Tirolerin, die auch in Mieming-Barwies gearbeitet hat, recherchierte Dietrich detektivisch und konnte das Leben der unpolitischen Frau im „Führerhauptquartier“ nachvollziehen, die seit 1945 in Berlin als verschollen gilt. Als Historiker hofft Stefan Dietrich darauf, in der Altersteilzeit mehr Raum für Projekte zu haben. Dazu zählen ein Sammelband mit weiteren Veröffentlichungen zur Telfer Geschichte, eine Familiengeschichte und eine ausführliche Abhandlung über seinen historischen Lieblingsverwandten, den 1809-Kämpfer Nikolaus Dietrich, genannt „Metzger Klaus“. Er ist eine spannende Figur, kein heroischer Freiheitsheld, sondern ein umtriebiger Tunichtgut, der gleichzeitig tollkühner Kämpfer war. „Ihm würde ich gerne ein Denkmal in Buchform setzen, das aber unkonventionell ausfallen könnte“, schließt Stefan Dietrich das RUNDSCHAU-Gespräch.

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