Markus Köhle mit „Land der Zäune“ in Telfs
Die Bücherei & Spielothek wurde zur Bühne für eine Lesung der besonderen Art
3. Juni 2025 | von
Friederike Hirsch

Eine Stunde voll geballtem Wortwitz mit Markus Köhle (l.), der aus seinem neuen Werk „Land der Zäune“ gelesen hat und Martin Fritz, der ihn als Moderator mit Fragen „überrumpelte“. Foto: Hirsch
„Poetisch, politisch und pointiert“, so stellte Nadja Fenneberg (Leiterin Bücherei & Spielothek) Markus Köhle vor. Markus Köhle, prominenter Literaturexport des Gurgltals und mehrfach ausgezeichneter „Sprachinstallateur“, wie er sich selbst bezeichnet, las aus seinem neuen Anti-Heimatroman „Land der Zäune“. Kongenial moderiert von Martin Fritz, seines Zeichens Schriftsteller, Performer und Literaturwissenschaftler. Beiden gemein ist ihre meisterhafte Beherrschung der Sprache, und sie sind Größen in der Poetry-Slam-Gemeinschaft. So verwunderte es auch nicht, dass sich beide die Wortbälle nur so zuwarfen, auffingen und damit herumjonglierten. Vor zwei Jahren hat Markus Köhle begonnen, an seinem „vierten Debütroman“ zu schreiben, und „jetzt hat mich die Realität fast eingeholt“. Markus Köhle, Sprachinstallateur, Literaturzeitschriftenaktivist und Papa des Slam Österreichs, schreibt, um gehört zu werden. Er studierte in Innsbruck und Rom Germanistik und Romanistik, war 2004–2006 Forschungsprojektassistent an der Universität Innsbruck. Seit 2001 ist er literarisch, literaturkritisch, literaturwissenschaftlich und auch als Literaturveranstalter aktiv. Seit 2002 veranstaltet er Poetry-Slams, macht Lesungen, Vorträge und Workshops in Schulen, Universitäten und diversen Kulturveranstaltungsorten im In- und Ausland. Seit 2015 verbindet ihn außerdem eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit dem Tiroler Symphonieorchester Innsbruck.
DER INHALT. Es ist ein Österreich-Roman, oder besser gesagt ein Prosa-Langgedicht, ein Werk im besten Sinne der Anti-Heimatliteratur. Markus Köhle kreiert mit Hans Sagmeister einen Protagonisten, der sich in seinem Vorstadthäuschen am Europaweg irgendwo im Speckgürtel von Niederösterreich immer mehr zurückzieht. Dank eines gewissen Vermögens, das er sich als Onlineversandhändler erworben hat, baut er daraus eine regelrechte Trutzburg gegen Nachbarn, die Familie, die eigene Vergangenheit und überhaupt: den Lauf der Welt. Sein bester Freund ist sein Rasenmähroboter, und Nachbarn sind per se Feinde. Die Abkapselung von allen Bedrängnissen seiner Gegenwart wird ihm auch physisch zum Selbstzweck, denn jede weitere Ausbaustufe seiner beträchtlichen Zaunanlage verleiht ihm das Gefühl, die Kontrolle über sein Leben ein Stück weit zurückzuerlangen. Solcherart gefestigt reift in Hans Sagmeisters Vorstellungswelt die Überzeugung, dass klare Grenzen nicht nur in der unmittelbaren Nachbarschaft für Ordnung sorgen können, sondern als politisches Programm die Lösung für alle Problemlagen sein könnten. Wenn alles und alle fein säuberlich voneinander abgezäunt wären, dann, ja dann, wäre die Welt in Ordnung. Fatalerweise bestärkt ihn seine einzige »Bezugsperson«, eine Online-Seelsorgerin, die auch ein Chatbot sein könnte, in dieser Ansicht, sodass Hans den Plan fasst, sein persönliches Programm zu einer politischen Bewegung auszubauen. Er erntet tatsächlich Zuspruch in den sozialen Medien und macht sich daran, sein Zaunprogramm zu verbreiten, und gründet die ZPÖ, die Zaunpartei Österreich. Sein Ziel darf kein geringeres sein, als Zaunkanzler zu werden. Für Hans Sagmeister ist „Zaun“ die Antwort auf alle Fragen. Und ist es nicht „Zaun“, dann ist es „nein“. „Land der Zäune“ zeichnet ein Psychogramm eines „ganz normalen Österreichers“, der „in einer ÖVFP-idealtypischen Mama-Papa-Bruder-Bruder-Schwester-Familie aufgewachsen“ ist. Es ist ein mit Wortwitz vollgestopftes Werk, das die Festung Europa in die Vorgärten Niederösterreichs verlegt, mit aktuellem Gesellschaftsblick, der unheimlicher und bizarrer nicht sein könnte. Auf 240 Seiten entwickelt sich ein durchschnittlicher, fast unauffälliger Niederösterreicher, der „lediglich“ von seinen Mitmenschen enttäuscht ist, zu einem „Zaunkönig“, dessen Abschottungsphilosophie das „Heil“ der Welt sein soll.
SPRACHE ALS AUSGANGSPUNKT: Markus Köhle entwendet das Sprachmaterial der Tagespolitik, um mit erprobtem Wortwitz tief in deren Abgründe zu blicken. „Es sind einzelne Sätze oder Wortfetzen, die mich inspirieren, wie etwa die Festung Europa oder Volkskanzler“, sagt Köhle. Auf diese Sätze und Wortfetzen legt Köhle den Zeigefinger, bohrt hinein, presst und quetscht sie aus. Poetry-Maestro Köhle macht dabei vor nichts und niemandem halt. So lässt er seine Hauptfigur ein Zaun-Glaubensbekenntnis formulieren und seine Liebe zu Zäunen gleicht einem Fetisch. Sammelt er doch Fotos von Zäunen und Zaunanlagen aus aller Welt und „erfreut“ sich daran. Hinter der Abgrenzung entwickelt der Einsiedler teils verstörende, teils perverse Rituale. So verschwindet die Nachbarkatze auf seltsame Weise und wird mumifiziert der Besitzerin als Präsent gemacht. Er dreht und wendet Begriffe wie „Heimsuchung“, bis dieser, abgelöst von seiner Ursprungsbedeutung, plötzlich die Suche nach einem Heim für Senioren beschreibt. Mit satirischer Exaktheit zeichnet er so das Panorama einer Welt, die überfordert von sich selbst ist. Einer Welt, die menschliche Gespräche simuliert und in der virtueller Zuspruch wichtiger ist als reale Kontakte. Er blickt aber auch in die Untiefen der österreichischen Seele, wie man es von Thomas Bernhard kennt. Aktuelle österreichische Geschichte verpackt Köhle in eine Fiktion aus Parteiprogramm und esoterischer Weissagung. Markus Köhle lässt der Sprache freien Lauf. Sie ist von herrlicher Boshaftigkeit, die den Leser laut lachen lässt und ihm dennoch im Hals stecken bleibt. „Martin Luther King hatte einen Traum – Hans Sagmeister hat einen Zaun.“
DER INHALT. Es ist ein Österreich-Roman, oder besser gesagt ein Prosa-Langgedicht, ein Werk im besten Sinne der Anti-Heimatliteratur. Markus Köhle kreiert mit Hans Sagmeister einen Protagonisten, der sich in seinem Vorstadthäuschen am Europaweg irgendwo im Speckgürtel von Niederösterreich immer mehr zurückzieht. Dank eines gewissen Vermögens, das er sich als Onlineversandhändler erworben hat, baut er daraus eine regelrechte Trutzburg gegen Nachbarn, die Familie, die eigene Vergangenheit und überhaupt: den Lauf der Welt. Sein bester Freund ist sein Rasenmähroboter, und Nachbarn sind per se Feinde. Die Abkapselung von allen Bedrängnissen seiner Gegenwart wird ihm auch physisch zum Selbstzweck, denn jede weitere Ausbaustufe seiner beträchtlichen Zaunanlage verleiht ihm das Gefühl, die Kontrolle über sein Leben ein Stück weit zurückzuerlangen. Solcherart gefestigt reift in Hans Sagmeisters Vorstellungswelt die Überzeugung, dass klare Grenzen nicht nur in der unmittelbaren Nachbarschaft für Ordnung sorgen können, sondern als politisches Programm die Lösung für alle Problemlagen sein könnten. Wenn alles und alle fein säuberlich voneinander abgezäunt wären, dann, ja dann, wäre die Welt in Ordnung. Fatalerweise bestärkt ihn seine einzige »Bezugsperson«, eine Online-Seelsorgerin, die auch ein Chatbot sein könnte, in dieser Ansicht, sodass Hans den Plan fasst, sein persönliches Programm zu einer politischen Bewegung auszubauen. Er erntet tatsächlich Zuspruch in den sozialen Medien und macht sich daran, sein Zaunprogramm zu verbreiten, und gründet die ZPÖ, die Zaunpartei Österreich. Sein Ziel darf kein geringeres sein, als Zaunkanzler zu werden. Für Hans Sagmeister ist „Zaun“ die Antwort auf alle Fragen. Und ist es nicht „Zaun“, dann ist es „nein“. „Land der Zäune“ zeichnet ein Psychogramm eines „ganz normalen Österreichers“, der „in einer ÖVFP-idealtypischen Mama-Papa-Bruder-Bruder-Schwester-Familie aufgewachsen“ ist. Es ist ein mit Wortwitz vollgestopftes Werk, das die Festung Europa in die Vorgärten Niederösterreichs verlegt, mit aktuellem Gesellschaftsblick, der unheimlicher und bizarrer nicht sein könnte. Auf 240 Seiten entwickelt sich ein durchschnittlicher, fast unauffälliger Niederösterreicher, der „lediglich“ von seinen Mitmenschen enttäuscht ist, zu einem „Zaunkönig“, dessen Abschottungsphilosophie das „Heil“ der Welt sein soll.
SPRACHE ALS AUSGANGSPUNKT: Markus Köhle entwendet das Sprachmaterial der Tagespolitik, um mit erprobtem Wortwitz tief in deren Abgründe zu blicken. „Es sind einzelne Sätze oder Wortfetzen, die mich inspirieren, wie etwa die Festung Europa oder Volkskanzler“, sagt Köhle. Auf diese Sätze und Wortfetzen legt Köhle den Zeigefinger, bohrt hinein, presst und quetscht sie aus. Poetry-Maestro Köhle macht dabei vor nichts und niemandem halt. So lässt er seine Hauptfigur ein Zaun-Glaubensbekenntnis formulieren und seine Liebe zu Zäunen gleicht einem Fetisch. Sammelt er doch Fotos von Zäunen und Zaunanlagen aus aller Welt und „erfreut“ sich daran. Hinter der Abgrenzung entwickelt der Einsiedler teils verstörende, teils perverse Rituale. So verschwindet die Nachbarkatze auf seltsame Weise und wird mumifiziert der Besitzerin als Präsent gemacht. Er dreht und wendet Begriffe wie „Heimsuchung“, bis dieser, abgelöst von seiner Ursprungsbedeutung, plötzlich die Suche nach einem Heim für Senioren beschreibt. Mit satirischer Exaktheit zeichnet er so das Panorama einer Welt, die überfordert von sich selbst ist. Einer Welt, die menschliche Gespräche simuliert und in der virtueller Zuspruch wichtiger ist als reale Kontakte. Er blickt aber auch in die Untiefen der österreichischen Seele, wie man es von Thomas Bernhard kennt. Aktuelle österreichische Geschichte verpackt Köhle in eine Fiktion aus Parteiprogramm und esoterischer Weissagung. Markus Köhle lässt der Sprache freien Lauf. Sie ist von herrlicher Boshaftigkeit, die den Leser laut lachen lässt und ihm dennoch im Hals stecken bleibt. „Martin Luther King hatte einen Traum – Hans Sagmeister hat einen Zaun.“