Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
Artikel teilen
Artikel teilen >

„Wir müssen mit dem Umdenken beginnen!“

„Seefelder Tourismusgespräche“ standen ganz im Zeichen der Corona-Krise

Die Touristiker kämpfen mit den Corona Beschränkungen wie kaum eine andere Branche. Viele Betriebe stellen sich die Frage: Wie überleben wir das? Die „5. Seefelder Tourismusgespräche“ suchten – noch vor der deutschen Reisewarnung für Tirol – nach Antworten. Einige davon sind überraschend.
28. September 2020 | von Lia Buchner
„Wir müssen mit dem Umdenken beginnen!“
Referentin Michaela Reitterer von der Hoteliersvereinigung und Referent Harry Gatterer vom Zukunftsinstitut. Fotos: Lia Buchner
Von Lia Buchner

Die Raiffeisenbank Seefeld hatte die wichtigsten Vordenker des Tourismus eingeladen, um ein mögliches Zukunftsszenario zu entwerfen. Das Wichtigste vorweg: alle Experten waren sich einig, dass es ein Zurück zur alten Normalität nicht geben wird. Und je länger sich jeder Einzelne an diese Hoffnung klammert, desto wahrscheinlicher wird es für seinen Betrieb wirklich kein Danach mehr geben. Hier die wichtigsten Impulse:

Liegenschaft nutzen. Michaela Reitterer, die Vorsitzende der Hoteliersvereinigung und selbst vielfach ausgezeichnete Hotelière, zog ein ernüchterndes Resümee über den Zustand der Branche nach sieben Monaten Corona. Stornowellen, gegenseitige Reisewarnungen, wenig Eigenkapital in den Betrieben. Jetzt sei es wichtig, mutig darüber nachzudenken, was jeder Betrieb mit seiner Liegenschaft noch alles anstellen kann. Welche neuen Nutzungen sind denkbar? Und: Sicherheit ist die einzig harte Währung in diesen Tagen.

Der nächste neue Lift? Harry Gatterer vom Zukunftsinstitut beschäftigt sich hauptberuflich mit Zukunftsvisionen. Sein Credo ist Lernen statt Planen. Die Forderung nach Planungssicherheit ist genau der Fehlgedanke, gegen den nur Lernen aus der Situation und unternehmerisches Wollen helfe. „Jeder Schritt nach vorne wird am Ende ein Vorsprung sein.“ Für den Tourismus im Speziellen ruft er zu Resonanz mit dem Gast auf: jeder einzelne Gast mit seinen persönlichen Bedürfnissen muss im Zentrum aller Bemühungen stehen. „Sehen Sie ihn, spüren Sie ihn, treten Sie in eine Beziehung zu ihm. Und fragen Sie sich: Braucht er wirklich den nächsten neuen Lift?“ Aus Gatterers Sicht ist das Zeitfenster zum Umbau der Konzepte noch bis Mitte 2022 offen, und das heißt für ihn: sofort mit dem Umdenken anfangen.

Große Gefühle. Christian Mikunda ist dramaturgischer Berater und setzt folgerichtig auf Inszenierung statt Umdenken. Der Mensch suche „gute Erlebnisse“ und diese Hochgefühle erwartet er vor allem im Urlaub. Für Tirol gilt „Glory“ oder Erhabenheit beim Anblick der mächtigen Natur, „Power“ durch den Sieg gegen die Urgewalten (alle Skywalkes beruhen auf diesem Prinzip), „Joy“ oder Freudentaumel durch gemeinsames Feiern und – ja, leider – Après-Ski. Sein Konzept der sieben Hochgefühle beruht auf einem empirischen System der Emotionen und führte – zumindest vor Corona – zu schönen
Marketingerfolgen.

Kein Preiskampf! Carsten K. Rath, prominenter Hotelier des Luxussegments, rät leidenschaftlich zum Fokus auf den Gast, statt auf den Mitbewerber (Stichwort „Best Practice“) zu schielen. „Zielgruppe ist 90er Jahre, heute müssen Sie jeden einzelnen Kunden wahrnehmen.“ Nur wer wie sein Gast denken kann, findet heraus, was der jetzt gerade braucht. Er rät auch vom zögerlichen Aufsperren mit halber Belegschaft ab, und vor allem vom Preiskampf: „Wer seinen Kunden über den Preis gewinnt, wird ihn auch wegen des Preises wieder verlieren.“

 
„Wir müssen mit dem Umdenken beginnen!“
Der dramaturgische Berater Christian Mikunda.
„Wir müssen mit dem Umdenken beginnen!“
Carsten K. Rath, Hotelier und Management-Berater.

Feedback geben

Feedback abschicken >
Nach oben