Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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„Ich habe ein tolles Team“

5. März 2019 | von Nina Zacke
Für zwei Wochen war das WM-Stadion in Seefeld fast sein Zuhause: Der Breitenwanger Günter Csar hatte als Rennleiter der Nordischen Kombination alles bestens im Griff. RS-Fotos: Gerrmann
Sie sorgte für optimale Verhältnisse für die Sportler an der WM-Schanze in Seefeld: die Tretmannschaft aus Breitenwang.

Besuch vor Ort: Bei der WM in Seefeld konnte sich Kombinations-Rennleiter Günter Csar auf die Hilfe vieler Breitenwanger verlassen


Die RUNDSCHAU muss noch einen Moment warten. Kein Wunder: Harald V., seines Zeichens König von Norwegen, hat schließlich Vorrang. Und es gebietet ja auch die Höflichkeit, einem 82-Jährigen den Vortritt zu lassen. Aber diese Anekdote zeigt auch eins: wie wichtig der Breitenwanger Günter Csar bei der nordischen Ski-WM in Seefeld, die am Sonntag zu Ende ging, war.

Von Jürgen Gerrmann

„Rennleiter Nordische Kombination“ – so lautete die offizielle Bezeichnung für die Funktion des gebürtigen Zillertalers bei dem Ereignis, das die Wintersport-Fans aus aller Herren Länder für knapp zwei Wochen nach Tirol blicken ließ. Was das bedeutet? „Ich bin für alles, was den Sport zutrifft, zuständig – vom Zeitplan über die Koordination bis zur Wettkampfleitung“, erklärt er in seinem kleinen Büro im Erdgeschoss des Funktionsbaus im Skisprung-Stadion.
Gemeinsam mit zwei Assistenten des Welt-Skiverbandes FIS muss er da zum Beispiel entscheiden, aus welcher Luke des Turms die Springer starten müssen oder wie auf wechselnde Winde reagiert wird.
Als die Nordischen Kombinierer in der zweiten Wettkampf-Woche von der großen Anlage am Bergisel zur Normalschanze in Seefeld wechseln, sind die Rahmenbedingungen beim zweiten Training am Dienstagmorgen nicht ideal. Sicher, die Sonne strahlt vom Himmel, dass es eine Pracht ist – aber oben machen die Winde mehr Probleme, als es beim Zuschauen unten den Anschein hat.
Breitenwanger Großeinsatz.

Doch das ficht Günter Csar nicht an. Im Gegenteil. „Zu perfekt ist auch nix“, sagt er. Er scheint sich eher zu freuen. Denn so können sich er und seine Mannschaft auch auf widrige Umstände vorbereiten und testen, was bei welchen Verhältnissen das Richtige ist.

Sie sorgte für optimale Verhältnisse für die Sportler an der WM-Schanze in Seefeld: die Tretmannschaft aus Breitenwang.


„Ich habe ein tolles Team um mich“, freut sich der einstige Weltklasse-Kombinierer, der 16 Jahre lang dem österreichischen Nationalkader angehörte und daher aus eigener Erfahrung bestens weiß, worüber er entscheiden muss und was dabei eine wichtige Rolle spielt.
Ladies first: Da ist zunächst seine Tochter Anna-Lena, die als Wettkampf-Sekretärin unter anderem die Sitzungen der Jury exakt protokolliert.
Aber auch noch andere Breitenwanger sind ganz vorne an der Wettkampf-Front: Daniel Hosp muss als Chef am Anlauf alles koordinieren und unter anderem dafür sorgen, dass der Schnee akkurat aus der Spur geblasen wird. Tobias Angerer ist Chef der Tretmannschaft, zu der auch Florian Fiegl, Manfred Kerber, Roland Kramer, Bernhard Pfurtscheller, Gerhard Häsele und Christoph Waldner gehören. Sie alle verfügen als Schanzenpräparatoren über eine zehnjährige Erfahrung beim legendären Seefeld-Triple.
39 war Csar, als er 2005 zum ersten Mal als Technischer Delegierter bei der FIS eingesetzt wurde: Bei der nordischen WM in Oberstdorf gehörte er der Jury an. Seinen ersten olympischen Einsatz absolvierte er 2010 in Vancouver. Wie viele Wettkämpfe er seither begleitet und geleitet hat, das vermag er auf Anhieb gar nicht zu sagen. Aber sicher ist eins: „Es war nie Routine. Man muss mit Herzblut dabei sein. Jeder Wettkampf beginnt wieder bei Null. Es ist eine komplett neue Situation. Und man gibt alles, damit es ein fairer und spannender Wettkampf wird.“
Karrierestart in Seefeld.

Günter Csars eigene große sportliche Karriere hat übrigens auch mit Seefeld zu tun: 1985 konnte er sich als 18-Jähriger zum ersten Mal auf einer WM-Bühne präsentieren. Mit eher begrenztem Erfolg: Mit Klaus Sulzenbacher und Werner Schwarz wurde er in der Mannschaft Siebter. Und vor dem Einzelstart wurde er angewiesen, seine Ski mit dem damaligen rot-weiß-roten Top-Mann Sulzenbacher zu tauschen, weil der das vermeintlich schlechtere Material hatte. Dem Jungspund blieb daher nur Rang 33, aber dem Mit-Favoriten half es auch nicht viel: Nach dem Springen fiel er vom 4. auf den 18. Platz zurück, weil er den neuen Skating-Stil nicht trainiert hatte. Wie kolportiert wird, weil er dessen Verbot erwartet hatte. Heute kann Csar drüber lachen: „Es war trotzdem eine tolle Erfahrung damals. Ich bin als junger Bub die ganze Zeit mit offenem Mund durch die Gegend gelaufen und hab nur noch gestaunt.“
Überhaupt sei Seefeld ein ganz spezieller Ort für die nordischen Wintersportler: Nicht nur der Siitonen-Schritt (also das Skaten) wurde da zum ersten Mal erlaubt, in der Kombination feierte dort auch die Gundersen-Methode ihre Weltcup-Premiere. Sie war es vielleicht, die dieser Sportart letztlich das Leben rettete und sie sogar zu einem Publikums-Magneten machte: „Die Zuschauer können immer erleben, wer grade vorne ist, wer aufholt oder zurückfällt. Es gibt Kopf-an-Kopf-Rennen, spannende Zweikämpfe. Das ist doch toll!“
Obgleich Csar bei der ersten WM in Seefeld „etwas überfordert“ war, wie er selbst meint, so wurde sie doch zum Startschuss für eine fantastische Karriere: Schon drei Jahre später gewann er mit Sulzenbacher und seinem Cousin Hansjörg Aschenwald (dem Vater des zweimal mit Team-Silber dekorierten Skispringers Philipp) in Calgary Olympia-Bronze und holte 1991 im Fleimstal mit Sulzenbacher und Klaus Ofner Mannschafts-Gold: „Das war schon ein Highlight. Wir haben ganz souverän gewonnen. Und dann stehst du auf dem Stockerl und dann hörst du die Hymne! Davon hast du immer geträumt. Aber in Wahrheit ist es viel schöner!“ Ob er noch heute davon träumt? „Nein, davon träum ich nimmer, der Blick geht nach vorne.“
Kombinations-Hotspot Breitenwang.

Und dennoch hat er seine Wurzeln nicht vergessen: „In Breitenwang hatten wir Kombinierer auch immer tolle Wettkämpfe.“ Sogar zwei Weltcups. Und eine Junioren-WM, bei der der heutige ÖSV-Sportdirektor Mario Stecher 1994 den Titel holte. Trainiert wurde der übrigens vom heutigen Bürgermeister Hanspeter Wagner.
Breitenwang sei immer ein fantastischer Veranstalter gewesen: „Gehupft sind wir auf der Schanze im Dorf und gelaufen bei der Fischzucht in Lähn.“ Aber die Entwicklung sei eben immer mehr in Richtung der großen Zentren gegangen. Und da es eben nur zwei Weltcups in Österreich gebe, seien letztlich Seefeld und Ramsau vorbeigezogen. Wobei es schön sei, dass die Verbindung zwischen Breitenwang und dem nordischen Sport immer noch existiere – durch den TSV-Cup der Schüler.
Hochachtung vor Werner Ginther.

Voller Hochachtung spricht er auch von einem Reuttener: „Werner Ginther war von der ersten Stunde an mein Wegbegleiter – als Koordinator beim Alpencup (dem heutigen Kontinental-Cup), viele Jahre aber auch als Technischer Delegierter bei der FIS.“ Da habe er ihn quasi mit eingelernt: „Ich bin in große Fußtapfen getreten und versuche, seinen Weg weiterzuführen. Es ist toll, dass er sein Wissen nie horten wollte, sondern immer geteilt und weitergegeben hat.“ Und davon hat Günter Csar sicher auch bei der WM in Seefeld profitiert.
Nach der WM wird er übrigens nicht arbeitslos: Immerhin zählt der 53-Jährige zum Exekutive Board der FIS für die Nordische Kombination und sitzt dort dem Ausschuss für Regeln und Kontrolle vor, der die Weichen für die Zukunft stellt. In welche Richtung? „Momentan geht es in erster Linie um Verfeinerungen. Wir haben gute Formate, gute Einschaltquoten im Fernsehen. Aber wir sind auch immer offen für Neues. Wenn's an der Zeit ist, unsere Disziplin interessanter zu machen, wird was gemacht. Stillstand ist Rückschritt.“ Und auch hier gelte: „Den Blick nach vorn!“
Entsetzt von Doping-Affäre.

Einen Blick zurück gab's dann allerdings erstmal am Tag nach unserem Besuch bei Günter Csar: Die Doping-Razzia brachte die schlechte alte Zeit wieder zurück. Der Breitenwanger erfuhr davon übrigens auch erst durch den Rundfunk. Also eine kurze telefonische Nachfrage: Wie war das für ihn? „Ich war geschockt. Nie hätte ich mit so was gerechnet. Keiner will so was.“ Grundsätzlich sei die WM in Tirol einfach toll gewesen: „Aber durch das ist leider ein negativer Beigeschmack dazugekommen.“
Finale.

Für ihn selbst ist wie für die Sportler übrigens die Saison noch nicht beendet: Für ihn steht noch das Weltcup-Finale auf dem Programm. Vom 15. bis 17. März. In Schonach im Schwarzwald.

 

 

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