Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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„In 100 Jahren um die Welt“

Auf ein ganzes Jahrhundert blickt Agnes Falkner aus Sölden zurück

Die, im Mai 1923 in Sölden, als älteste Tochter, von neun Kindern, geborene Agnes Falkner lernte schon als Kind Verantwortung zu übernehmen, wusste aber ganz genau, dass sie die Welt bereisen möchte. Ihrer Beständigkeit verdankt sie auch ihren „Traumjob“ bei der Bank.
30. Mai 2023 | von Christoph Hablitzel
Gut gelaunt und gesprächig wie immer: „Garber's“ Agnes in ihrem Zimmer im Wohn- und Pflegeheim Sölden. RS-Foto: Hablitzel
Von Christoph Hablitzel

Als die RUNDSCHAU Agnes Falkner einige Tage nach ihrem Jubiläum besuchte, wartete sie bereits in ihrem Reich, im Wohn-und Pflegeheim in Sölden. „Bist du eh ein richtiger Reporter?“, war ihre erste Frage. Nachdem dies geklärt wurde, stand die lustige und redegewandte Sölderin für Fragen und Antworten gerne zur Verfügung. „Ich bin am 6. Mai 1923 in Sölden, als älteste von neun Kindern geboren. Wir waren sieben Mädchen und zwei Buben. Schon früh unterstützte ich meine Mutter bei der täglichen Arbeit. In unserer Pension waren ja fast immer Gäste da“, sagt die rüstige Jubilarin. „Als ich eines Tages meiner Mutter sagte, dass ich gerne Lehrerin werden möchte, war diese gar nicht begeistert und fragte mich ‘was ich mir denn gedenke‘ und hat mich wohl lieber in der elterlichen Pension gesehen. Also musste ich diesen Plan verwerfen.“

ARBEIT BEI DER BANK ALS ZIEL. Doch bald merkte sie, dass die Gastronomie eigentlich nicht so das Wahre für sie ist. „Ich wollte reisen und bei der Bank arbeiten,“ so die primären Ziele der jungen Frau damals. Nach langem Warten und mehreren Bewerbungen bekam sie schließlich den Posten bei der Bank.  „32 Jahre war ich dann bei der Raiffeisenbank in Sölden,“ sagt Agnes Falkner voller Stolz. Auch ihre Pläne, die Welt zu bereisen, setzte sie in die Tat um. Dazu berichtet sie: „In Europa war ich in jedem Land, außer der Türkei, das hat irgendwie nie geklappt, schade“, meint sie rückblickend. Auf Top-Komfort auf ihren Reisen hat sie meist verzichtet. „Drei Wochen war ich mit dem Bus unterwegs, um bis nach Peking zu gelangen -  hat bestens funktioniert“, so die bodenständige Ötztalerin. Auch in Südamerika war sie, natürlich auch in Nordamerika, im „Yosemite Nationalpark war ich auch“, ergänzt sie. Überhaupt war sie gerne mobil. Stets hatte sie einen eigenen PKW, den sie bis zum 95. Lebensjahr noch selber lenkte. Ihre Fahrten durch das Tal blieben meist nicht unbemerkt. Wenn der Verkehr im hinteren Ötztal etwas stockte, meinte der Volksmund schmunzelnd: „Aha - die „Garber's“ Agnes wieder unterwegs.“ Die übrigens nie ernsthaft krank war, oder Operationen innerer Medizin hatte. „Knochenbrüche hatte ich schon, aber bei anderen Beschwerden ging ich immer früh genug zum Doktor“, und zeigt dabei auf ein frühzeitig erkanntes und entferntes Melanom auf ihrem rechten Fuß.

SCHWIERIGE ZEIT. Auch über die schreckliche Zeit, der jüngeren Geschichte unseres Landes, weiß Agnes Falkner einiges zu berichten: „Ich war damals 15 Jahre alt. Mit Erlaubnis meiner Mutter durfte ich mir im Winter in Hochsölden in einem Hotel etwas dazuverdienen und half dort aus. Unser Vater, der sehr fortschrittlich war, hat zu uns immer gesagt, ‘wenn die (Nationalsozialisten) kommen, dann wird's schlimm.“ So erinnert sie sich mit Schaudern an den 13. März 1938, als „der Speisesaal voll war und all die Deutschen, die dort saßen, das ‘Horst Wessels‘ lautstark sangen. Ich wusste ja nicht mal, was das ist, aber dachte sofort an Vaters Worte“, sagt sie und blickt aus ihrem Fenster im Wohn- und Pflegeheim Sölden. „Ich kann von hier aus mein Haus sehen“, sagt die geistig unheimlich fitte 100-jährige. Auch dafür, dass sie jetzt im Heim ist, hat sie selber gesorgt. „Ich habe einfach gemerkt, dass ich im Haus allein nicht mehr sein kann, als ich dann noch unglücklich zu Hause gefallen bin, entschied ich mich hier ins Pflegeheim zu gehen. Es ist gut hier“, sagt sie. „Auch eine meiner Schwestern und meine Schwägerin sind hier. „Da geht sich schon das ein oder andere Schwätzchen aus.“ ergänzt Agnes.
 „In 100 Jahren um die Welt“<br />
Im Ortsteil „Rettenbach“ in Sölden erblickte Agnes Falkner am 6. Mai 1923 die Welt. Foto: Auer

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