Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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„Ich bin keine Bärenfanatikerin“

Bärenbegegnung in St. Anton – „Stiftung für Bären“-Niederlassung im Bezirk

Gerade rechtzeitig zur Sichtung eines Bären in St. Anton hat die deutsche „Stiftung für Bären“ eine Niederlassung in Landeck gegründet. Dr. Michaela Skuban will in den nächsten zwei Jahren die Tiere und die Bevölkerung im Bezirk begleiten und Aufklärungsarbeit leis­ten.
6. Juni 2023 | von Daniel Haueis
„Ich bin keine Bärenfanatikerin“
Michaela Skuban: „Ich bin Wissenschaftlerin und keine Bärenfanatikerin.“ Foto: Slavo Findo
Von Daniel Haueis

Nach mehr als einem Jahr wurde im Bezirk wieder ein Bär nachgewiesen – am 31. Mai nachmittags hat es in St. Anton im Bereich Stocki/Stockibach/Erzherzog-Eugen-Weg eine glaubhafte Sichtung gegeben. Mutter und Sohn haben das mittelgroße Tier in ca. 20 Meter Entfernung gesehen, als es wohl einem Wild nachgelaufen ist. Die Gemeinde hat Jäger, Almmeis­ter, Bevölkerung etc. sofort informiert. Sensibilisieren, aber nicht Panik erzeugen war das Ansinnen der Gemeinde, weiß Amtsleiter Dr. Wolfgang Jörg. Mögliche weitere Schritte sind vom Land Tirol zu setzen. Der letzte Bärennachweis im Bezirk vor der Sichtung in St. Anton gelang am 2. Mai vergangenen Jahres in Serfaus; fast ein Jahr zuvor, also etwa Mitte 2021, wurde in St. Anton und zuvor in Fiss, Serfaus und Tobadill einer nachgewiesen. Über den St. Antoner Bären ist noch nichts Genaues bekannt, über einen im Lechtal hingegen schon: Knapp 40 Kilometer Luftlinie von St. Anton entfernt wurde im April mehrmals einer nachgewiesen, der nach Schafrissen Mitte Mai in Weißenbach auch mittels DNA belegt wurde. Es soll sich um einen Bären handeln, von dem keine erhöhte Gefahr für Menschen ausgeht. „Nur in einem solchen Fall haben wir die Möglichkeit, sofort zu handeln – denn die Sicherheit der Menschen hat oberste Priorität. Wenn – wie im vorliegenden Fall – Nutztiere betroffen sind, sind uns derzeit aufgrund der EU-rechtlichen Rahmenbedingungen die Hände gebunden“, bedauert LH-Stv. Geisler und drängt auf eine schnellstmögliche Änderung der FFH-Richtlinie.

FACHFRAU FÜR STIFTUNG TÄTIG. Gerade rechtzeitig hat eine Bären-Fachfrau im Bezirk ihre Arbeit aufgenommen: Dr. Michaela Skuban. Die Biologin hat jahrelange Erfahrung mit wild lebenden Bären; ihr Spezialgebiet ist das Verhältnis zwischen Mensch und Bär, allen voran welchen Einfluss der Zwei- auf die Vierbeiner hat. Sie selbst hatte (neben 40 Bärenbesenderungen) dreimal Bärenbegegnungen im Freiland, obwohl sie oft und oft auch alleine im Bärengebiet unterwegs war. „Ich habe in einem alten kleinen Häuschen direkt am Berg gewohnt, und das auch mitten im Bärengebiet“, so Skuban über ihr 16 Jahre langes Studium der Bären in freier Wildbahn in der Slowakei. Seit Mai führt sie als Mitarbeiterin der „Stiftung für Bären“ eine Studie in Tirol durch – die Österreich-Niederlassung der Stiftung wurde in Landeck gegründet, die Biologin lebt im Obergricht. Der Großteil ihrer Arbeit sei die Vernetzung, sagt Michaela Skuban im Gespräch mit der RUNDSCHAU: Land, Jagdverbände, Schäfer, Tourismusverbände u.a.m. will sie informieren und besser verstehen lassen, was der Bär hier tut. Dr. Skuban will die Tiere und die Bevölkerung von Anfang an begleiten, Aufklärungsarbeit leisten und auch ihren Praxisleitfaden unter die Leute bringen (siehe Kästchen: „Praktische Tipps der Fachfrau“).

ANLAUFSTELLE. Skuban betont: „Ich bin Wissenschaftlerin und keine Bärenfanatikerin.“ Und sie zieht eine klare Linie zwischen jenen Tieren, die jetzt halt zurück in den Bezirk kommen, und jenen, die Weidetiere reißen. In einer Zeit, in der sie eine „sehr aufgeheizte Stimmung“ feststellen muss, meint sie: Es sei nicht einfach, mit diesen Tieren zusammenzuleben, „aber es ist möglich“. Die nächsten zwei Jahre arbeitet sie im Bezirk für die in Deutschland beheimatete Stiftung. „Es ist mir sehr wichtig, die Ängste und Probleme der Menschen vor Ort zu verstehen und in meine Arbeit mit einfließen zu lassen. Wir verstehen unsere Aufgabe darin, ein Puzzlestück dazu beizutragen, die Tiere besser und vor allen Dingen neutral zu verstehen und ihr Verhalten zu dokumentieren. Des Weiteren möchten wir gerne als eine Anlaufstelle für sämtliche Bevölkerungsgruppen wahrgenommen werden, die Aufklärung betreibt und Hilfestellungen bietet“, sagt die Biologin. Sie versucht ihre Erkenntnisse aus der Slowakei für Tirol zu übersetzen: „Es gibt ähnlich gelagerte Probleme“, sagt sie – einen Unterschied aber schon: Die Slowaken wollten weniger Raubtiere, die Tiroler anscheinend gar keine.



„Praktische Tipps der Fachfrau“
Den Praxisleitfaden „Wie verhalte ich mich im (Bären-)Wald?“ von Michaela Skuban kann man kostenfrei auf www.baer.de/startseite/downloads herunterladen. Sie hat ihn aufgrund ihrer Erfahrungen mit Bären und Interviews mit Menschen, die Bärenübergriffe erlebt haben, erstellt. Der Folder wird derzeit auch wieder gedruckt, um ihn dann auch verteilen zu können. Vor ihrem Bärenengagement in der Slowakei hat die Biologin übrigens mit Wölfen (Polen) und als Schäferin (Schweiz) gearbeitet. Wer sich mit Michaela Skuban in Verbindung setzen will, kann sich via mskuban_cws@gmx.net oder 067764776736 an die Fachfrau wenden. Auch Sichtungen nimmt sie gerne entgegen, ebenso wie das Land Tirol (www.tirol.gv.at/landwirtschaft-forstwirtschaft/agrar/rechtliche-bestimmungen-in-der-landwirtschaft/beutegreifer/meldung).



SP-Bezirksobmann Lentsch will raschen Abschuss
SPÖ-Bezirkschef LA Benedikt Lentsch fordert den raschen Abschuss des in St. Anton gesichteten Bären, „um eine Tragödie wie im Trentino zu verhindern“. Ein Bär habe genauso wie ein Wolf keinen Platz in unseren Wäldern, erst recht nicht derart nahe an Ortszentren. Durch die Novelle des Jagdgesetzes seien endlich Notwehrmaßnahmen gegen den Bär, aber auch gegen den Wolf möglich geworden. Die Sichtung am Arlberg zeige aber, dass die Hürden zum Abschuss immer noch zu hoch seien, weil sich die EU auf völlig überholte, realitätsfremde Richtlinien versteift habe, so Lentsch, der auf europäischer Ebene mehr Verständnis für die Nöte der betroffenen Regionen einfordert: „Die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU ist nach 30 Jahren hoffnungslos veraltet und bringt immer mehr Menschenleben in Gefahr. Das ist kein Tierschutz, das ist Wahnsinn“, sagt der SPÖ-Bezirkschef.

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