„Jagd ist Schauen, Jagd ist Sinnen, Jagd ist Ausruhen, Jagd ist Erwarten, Jagd ist Dankbarsein, Jagd ist Advent, Jagd ist Bereicherung und Hoffnung“, rezitiert Bezirksjägermeister Reinhold Siess den Philosophen Friedrich von Gagern. „Wenn du dir das zu Herzen nimmst, findest du innere Ruhe“, erläutert der passionierte Jäger. Seit April ist er Bezirksjägermeister und leitet den Jungjägerkurs – eine willkommene Gelegenheit nicht nur Wissen, sondern auch Werte zu vermitteln. Zum Beispiel wie man einem Tier respektvoll begegnet. Das zeigt sich nicht nur in der Tradition der Jagd, sondern auch in der persönlichen Haltung. „Der Tod muss einen Wert haben – essen oder präparieren“, lautet das Credo des Jägers.
BILDUNG MIT MEHRWERT. Im Kurs wird umfangreiches Wissen vermittelt. Themen wie Wildkunde und Wildgehege, Naturschutz, Verhütung von Wildschäden, das Waffen- und Schießwesen, jagdliches Brauchtum, Weidmannssprache, das Jagdrecht und die Jagdethik gehören zu den insgesamt 14 Fachbereichen. Aktuell nehmen 99 Personen an der Ausbildung teil, darunter 18 aus Vorarlberg, 21 aus anderen Bezirken und je ein Teilnehmer aus der Schweiz und Italien. Auch der Frauenanteil wächst: 18 Frauen nehmen teil. „Das ist eine gute Geschichte und sehr wichtig. Die Frauen stehen den Männern in nichts nach.“ Von allen Teilnehmern werden geschätzt nur etwa 10 Prozent eine aktive Jagdkarte lösen. „Viele machen die Ausbildung aus reinem Interesse“, erklärt er. „Sie entwickeln ein tieferes Verständnis für natürliche Prozesse und Abläufe. Das ist Gold wert.“ Außerdem hilft es bestehende Klischees und Fehlmeinungen in der Bevölkerung aufzubrechen. „Die Jungjäger tragen den Wert und die Bedeutung der Jagd aktiv in die Gesellschaft“, fügt er hinzu.
JAGD IST KEIN HOBBY, SONDERN AUFTRAG. „Als Hobby tötet man kein Tier“, ist Siess überzeugt. „Wir gehen mit Lebewesen um und handeln im gesetzlichen Auftrag.“ Und dieser Auftrag hat es in sich. Es gibt genaue gesetzliche Vorgaben, wie viele Tiere wann geschossen werden müssen. Wird die Abschussforderung nicht erfüllt, geraten Jäger in Kritik. „Das ist aber nicht so einfach. Ein Bauer geht in den Stall und holt das Tier zum Schlachten. Der Jäger kann das nicht. Auch wenn er die Jagd sehr ernst nimmt, kann es sein, dass das Soll nicht zu 100 Prozent erfüllt wird.“ Auch das Füttern im Winter steht immer wieder in der Kritik. „Wird nicht gefüttert, gibt es zwar weniger Wild, es verhungert aber beinhart.“ Durch die steigende Freizeitnutzung der Natur fehlt es dem Tier immer mehr an Ruhe und Raum. Das hat Folgen für natürliche Prozesse. „Ich kritisiere das nicht, die Zeiten ändern sich einfach und der Mensch nützt die Natur. Aber wir dürfen die Auswirkungen auf das Tier nicht ignorieren. Es braucht das Füttern, um das Tier lenken zu können“, erklärt Siess.
EIN SCHUSS ENTSCHEIDET. Jedem, der Fleisch isst, muss bewusst sein, dass dafür ein Tier sterben muss. Wenn man abgepacktes Fleisch kauft, verliert man dafür oft den Blick. In der Jagd ist das ganz anders. Man tritt in Beziehung mit dem Wild. Dabei begleitet der Jäger es im Jahresablauf, füttert es, beobachtet es und erkennt das Alter anhand der Abwurfstange. „Das Schießen ist nur ein ganz kleiner Teil der Jagd, trotzdem wird sie darauf reduziert“, erklärt Siess. „Man kennt das Tier, und mit dem Schuss entscheidest du, dass du ein Leben auslöschst. Das ist auch wehmütig. Du wirst diesen Begleiter nie wieder sehen. Da hat das Fleisch eine ganz andere Wertigkeit.“ Und auch der eigene Lebensraum wird ganz anders wahrgenommen: „Die Natur wirst du nie so erleben wie in der Jagd“, ist Bezirksjägermeister Reinhold Siess aus ganzem Herzen überzeugt.