Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Erfolgsgeschichte im oberen Lechtal

Trinkwasserkraftwerk in Bach liefert Strom für mehr als 100 Haushalte

Im Februar 1999 riss eine riesige Lawine die Leitung zur Quellfassung von Bach mit. Der Ort war plötzlich ohne Trinkwasser. Was als Unglück begann, wurde durch vorausschauendes Handeln zum Glücksfall für Bach.
30. Mai 2023 | von Von Markus Arzl
Erfolgsgeschichte im oberen Lechtal
Das Maschinenhaus beim Alperschonbach. Foto: Gemeinde Bach
Von Markus Arzl

Die Gemeinde Bach nutzt das Wasser der Quellfassung nicht nur zur Trinkwasserversorgung. Dank der relativ hochgelegenen Brunnenstube kann aus dem Wasser der Quelle Strom für weit mehr als 100 Haushalte gewonnen werden. Simon Larcher, Bürgermeister in Bach, und Umweltausschussobfrau der Gemeinde Reutte, Margit Dablander Reutte, luden am 23. Mai zur Besichtigung der Anlagen. Hochzufrieden mit dem Kraftwerk führte Simon durch die Anlage und beantwortete bei einer anschließenden Brotzeit die Fragen der interessierten Besucher. Den 22 interessierten Personen erschien das Gebäude weder besonders groß noch auffallend. Aus dem gekippten Fenster war ein beständiges Surren zu hören, was allerdings in einigem Abstand vom Rauschen des Alperschonbaches übertönt wurde.
Im Inneren des Gebäudes sitzt eine kleine Turbine, die direkt mit einem Generator verbunden ist. An der linken Wand befindet sich ein großer Schaltschrank, in der rechten Hälfte des Gebäudes ist noch Platz für eine zweite Kombination aus Turbine und Generator. Der Boden vibriert leicht, wenn die Turbine unter Volllast läuft. Der Generator produziert 145 kW Strom, 24 Stunden am Tag, 800 MWh pro Jahr. Damit versorgt sich die Gemeinde Bach nicht nur selbst mit Strom, sondern sie betreibt auch eine Wärmepumpe, um das Gemeindezentrum zu beheizen. Trotzdem bleibt Strom für etwa 110 Haushalte übrig, der als Überschuss in das Stromnetz des EWR eingespeist wird. Die Gemeinde Bach spart sich also nicht nur einiges an Energiekosten, sondern generiert auch einen guten Teil der Einnahmen der Gemeinde aus dem Verkauf des Stroms. Alleine die Einkünfte aus dem Stromverkauf bringen einen dicken Patzen an Einnahmen, die für eine Gemeinde mit wenigen großen Betrieben ein wichtiger Posten im Budget sind. Gerechnet hat sich die Investition in das Kraftwerk längst. Das Kraftwerk hat ganz nebenbei sogar die neue Trinkwasserleitung finanziert.

NUR NEUN MONATE BAUZEIT. Angedacht war der Bau des Trinkwasserkraftwerkes bereits 1999, ernsthaft gestartet wurde aber erst im Sommer 2013 – mit dem Bau des Forstweges zur Rohrbachquelle. Dabei wurden auch zwölf Hektar Wald neu erschlossen. 2014 wurden im Forstweg die Leitungen verlegt und die neue Brunnenstube gebaut. Schon am 7. März 2015 lieferte das Trinkwasserkraftwerk der Gemeinde Bach ersten Strom.

DIE WASSERQUALITÄT. Die Rohrwaldquelle hat eine hervorragende Wasserqualität und schüttet besonders weiches Wasser mit Härtegrad vier. Viele Nutzer befürchteten eine Beeinträchtigung des Trinkwassers durch die Turbine. Das Wasser wird zweimal pro Jahr vor und hinter der Turbine geprüft. Eine Verringerung der Wasserqualität durch das Kraftwerk wurde nie festgestellt.

KATASTROPHENSCHUTZ. Wenn im Netz der EWR kein Strom vorhanden ist, steht auch das Kraftwerk Bach. Das soll nun geändert werden. Die Umrüstung des Kraftwerks auf Schwarzstartfähigkeit und Inselbetrieb ist bereits in Vorbereitung. Die Umsetzung wird durch Fördergelder unterstützt. Denn im Katastrophenfall könnte das durch ein unabhängig laufendes Kraftwerk beheizte und beleuchtete Gemeindezentrum Bach zum Zufluchtsort für Bürger von angrenzenden Gemeinden werden. Noch sicherer wird es, wenn auch die Seitenwandquelle gefasst und in das Kraftwerk integriert ist. Dies soll absolut unabhängig von der Rohrwaldquelle geschehen, sodass auch bei deren komplettem Ausfall die Gemeinde weiterhin mit Trinkwasser und Strom versorgt werden kann – natürlich mit weniger Überschussleistung.

TECHNISCHE DETAILS. Der Höhenunterschied zwischen Brunnenstube und Kraftwerk beträgt 490 Meter, der Druck im Kraftwerk 48 Bar.  Die Rohrleitung ist DN 200 und 2,2 Kilometer lang. Die Rohrbachquelle hat eine Schüttung von 30 Litern pro Sekunde. Aktuell werden nur etwa fünf Sekundenliter für die Trinkwasserversorgung gebraucht. Um das Gemeindezentrum mit eigenem Strom versorgen zu können, wurden 4,4 Kilometer Kabel bis ins Gemeindezentrum verlegt.

WARTUNGSAUFWAND. Die Betriebskosten des Kraftwerks belaufen sich auf etwa 300 bis 600 Euro pro Jahr, ein großer Teil davon sind die Internetkosten. Reparaturen waren bisher keine nötig. Alle 15 Jahre muss die Turbine neu gelagert werden. Die Schaufelblätter selbst halten wesentlich länger, da sie nur mit sauberem Wasser ohne Verschmutzungen oder gar Steinen in Berührung kommen.

DOPPELNUTZUNG ERSCHEINT SINNVOLL. Die Besucher des Kraftwerkes konnten dank der Einladung von Bgm. Simon Larcher und GR Margit Dablander viel über diese Art der Doppelnutzung von Trinkwasserfassungen lernen, die durchaus sinnvoll erscheint, da alle Investitionen und Eingriffe in die Natur, wie Quellfassung, Wegebau und Rohrverlegung praktisch gleich sind und doppelt genutzt werden. Bei entsprechender Schüttung und Höhendifferenz zwischen Quelle und Turbine ist ein solches Kraftwerk finanziell sehr lukrativ. Ein Unterschied zu einer konventionellen Quellfassung dürfte das kleine Turbinenhaus und das Stromkabel zum Kraftwerk sein. Ein weiterer, dass alles Wasser der Quelle durch das Druckrohr ins Tal fließt. Überwasser, das wie bei konventionellen Quellfassungen als Bäche den Berg hinab fließt und zu manchen Tageszeiten fast die gesamte Schüttung ausmacht, gibt es bei der Nutzung in einem Trinkwasserkraftwerk so nicht. Auch ein Trinkwasserkraftwerk ist also ein Eingriff in die Natur und in die Landschaft. Mit Bedacht eingesetzt kann dieser aber durchaus eine Menge Sinn machen.

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