Von Lia Buchner
Dieser Margarete von Tirol geht es vom ersten Augenblick an kompromisslos um ihre Unabhängigkeit, als Herrscherin, als Frau, als denkender Mensch: „Wer lesen kann, muss nicht glauben“. Sie ist eine einzige Demütigung für die Männerwelt. Als Zwölfjährige antwortet sie ihrem Kindgatten Johann von Böhmen auf sein stolzes „Musst mir jetzt gehorchen“ mit einem überlegenen „Halt’s Maul, Du bist ein Kind. Ich schwör’s, ich mach Dir das Leben zur Höll‘.“ Als junge Frau sperrt sie den ungeliebten und wohl unpotenten Ehemann aus Schloss Tirol aus und macht sich auf die Suche nach einem besseren Mann. Sie findet ihn in Ludwig, Sohn des Wittelsbacher Kaisers, und ehelicht ihn – nächste Demütigung – gegen den ausdrücklichen Willen des Papstes. Die bezaubernde Margarete. Sie versteht ihre Rolle als Landesherrin durchaus politisch, will nicht nur „Brutkasten der Nation“ sein, sondern „mehr wagen im Leben“. Als ihr Exmann Krieg gegen sie anzettelt und ihr Schloss angreift, kämpft sie „brüllend vor Wut“ gegen die männliche Übermacht, „mit eigener Hand, wie es heißt“. Das ist die größtmögliche Freiheit. Und ihr Sieg die größtmögliche Demütigung. „Du hast gewütet auf dem Schlachtfeld und gemordet, du hast ein Bildnis geschaffen, das bleibt, Margarete.“ Monster Margarete.
In jedem Moment Wahrhaftig. Aus der großen Ensembleleistung ist allen voran Lisa Schrammel als Margarete zu nennen. Sie trägt das gesamte Stück, klar, kraftvoll, zauberhaft, getrieben, dämonisch, in jedem Moment wahrhaftig. Helmuth A. Häusler als Hauptmann gelingt mit seinem Monolog nach der Schlacht eine der stärksten Szenen des Abends. Heinz Weixelbraun gestaltet seinen Papst als herrlich albernen, gefährlichen Kerl, Klaus Huhle gibt den Rudolf von Habsburg knochentrocken und ironisch. Die große Susi Wirth berührt als Puppenspielerin und Zerrbild der Margarete allein mit ihrer Stimme.
Hinreißend schöne Bilder. Das Regieteam um Susanne Lietzow hat ganze Arbeit geleistet. Kostüm, Bühne und Licht schöpfen die Dimensionen, die die Telfer Kuppelarena bietet – aber auch fordert – voll aus. Lediglich die Musik hat ein wenig ratlos gemacht: Lisa Schrammel kann singen, und zwar richtig gut. Aber was fügt ein Lied von Almenrausch und Edelweiß ihrer wunderbaren Margarete hinzu? Susanne Lietzow inszeniert sehr klar und ausbalanciert. Sie baut enorm ästhetische Bilder, immer hält sie das Tempo, ist berührend, witzig, albern, zynisch, aber nie untergriffig. Trotz Überlänge hat dieser Abend nie Längen.
Christoph Nix. Das Schlusswort gebührt dem, der das alles ermöglicht hat: Christoph Nix hat als künstlerischer Leiter der letzten beiden Jahre eine Qualität von Theater nach Telfs gebracht, die man hier so noch nicht gesehen hat. Und möglicherweise so auch nicht mehr sehen wird. Bei allen persönlichen Dissonanzen im Leitungsteam der Tiroler Volksschauspiele: An Reibungsflächen springen Funken, und so entsteht großes Theater. Danke für diesen Flächenbrand.
Schöner Einfall: Susi Wirth als Margaretes Zerrbild und Lisa Schrammel als Margarete (v.l.). Foto: Victor Malyshev
Lietzow lässt bei aller Ironie den Figuren ihre Würde: Heinz Weixelbraun als alberner, aber hochgefährlicher Papst. Foto: Victor Malyshev