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Das jähe Ende der Geschichte

Gedenkstätte für Angehörige der Waffen-SS im Imster Putzenwald entfernt

Viel schneller als gedacht ist’s jüngst um die Gedenkstätte für drei Angehörige der Waffen-SS im Imster Putzenwald geschehen: Sie wurde vom Bauhof entfernt, auf Anordnung von Bürgermeister Stefan Weirather. Obwohl’s zuerst noch geheißen hat, dass noch bis Herbst überlegt werden soll, wie mit der Stätte umzugehen sei. Bedauern äußert die Leiterin des Imster Ballhaus-Museums, Sabine Schuchter: Sie hätte sich mehr Zeit für ein Nachdenken gewünscht und eine Umgestaltung zum Mahnmal vorgeschlagen.
24. August 2021 | von Manuel Matt
Das jähe Ende der Geschichte
Die Gedenkstätte wurde entfernt, doch gänzlich verwaist zeigt sich die Stelle im Putzenwald noch nicht…
Von Manuel Matt

Etwa eineinhalb Monate und drei Beiträge in der RUNDSCHAU: Von der ersten Aufmerksamkeit hin zum Auseinandergehen der Meinungen, über vorgeworfene Untätigkeit und Überlegungen zur Umgestaltung, dann das Ausrufen einer Nachdenkpause bis Herbst. Ganz so weit ist es noch nicht mit dem Fallen der Blätter, doch der vierte Beitrag über die Gedenkstätte im Imster Putzenwald für drei Angehörige der Waffen-SS handelt bereits von vollendeten Tatsachen, von der Entfernung der Stätte durch den Imster Bauhof. Von einem plötzlichen Umdenken will Bürgermeister Stefan Weirather auf Nachfrage trotzdem nicht sprechen: „Das wäre ein bisschen falsch. Für mich war von Beginn an – nach Kenntnis, dass es sich um drei SS-Angehörige handelt – klar, dass es weg muss. Dem darf man nicht huldigen.“ Derart deutlich wurde diese Ansicht in Medien nicht wiedergegeben, zumindest nach Wissen der RUNDSCHAU. „Vielleicht hab’ ich es auch nicht klar genug ausgedrückt“, räumt Weirather ein. 

REGER SCHRIFTVERKEHR. Zuletzt war noch der Plan, die Stätte als Mahnmal stehenzulassen samt offizieller, erklärender Zusatztafel und „das Ganze“ aufzuarbeiten, erklärt der Bürgermeister – nach Diskussionen mit Sabine Schuchter als Leiterin des Imster Ballhaus-Museums, dem Tiroler Historiker Horst Schreiber und Barbara Stillebacher-Heltschl als eine der Urheberin einer Zusatztafel, die über die SS-Zugehörigkeit der angeführten Männer aufgeklärt und den Stein erst ins Rollen gebracht hat. „Das war die Grundidee“, so Weirather. Von Anfang an hätte er aber offen gelassen, dass die sofortige Entfernung angeordnet werde, sollte „keine Ruhe“ einkehren. Dem sei dann eben nicht so gewesen: Briefe erreichten die Stadtgemeinde, unter anderem auch vom Mauthausen-Komitee mit dem „dringenden Appell“, die Gedenkstätte „raschest zu beseitigen“. Der Ötztaler Publizist Markus Wilhelm (dietiwag.org), der zuvor in einem offenen Brief von Weirather ebenso eine schnellstmögliche Entfernung gefordert hatte, machte das Schreiben öffentlich – wie auch Stellungnahmen der Historiker Peter Pirker und Sabine Pitscheider sowie der Universitätsprofessoren Ferdinand Karlhofer und Reinhold Gärtner vom Institut für Politikwissenschaft in Innsbruck, die darin durchwegs die Schleifung befürworten. Wilhelm selbst veröffentlichte nach Bekanntwerden der Bürgermeister-Entscheidung ein Bild eines entsprechenden ORF-Beitrags, unter dem Titel „Erledigt“.

SCHULDFRAGE. Berüchtigt ist die Waffen-SS für zahlreiche Kriegsverbrechen und Gräueltaten: Nur noch übertroffen von den zu ihnen gehörenden, aus den Wachmannschaften der Konzentrationslager gebildeten Totenkopfverbände. Die drei Männer, denen die Stätte gewidmet war, dürften Freiwillige gewesen sein – und könnten selbst einem Kriegsverbrechen zum Opfer gefallen sein. Zumindest laut kursierender Erzählung, wonach sie kurz nach dem europäischen Ende des Zweiten Weltkriegs aus einem Lazarett in Zams geflohen und sich in Imst versteckten hätten, wo sie von US-Soldaten aufgegriffen und an eben jener Stelle im Putzenwald erschossen worden seien. Nach „Verrat“ aus der Bevölkerung, wie es heißt, und ohne Prozess. Die „willkürliche Erschießung“ scheine jedoch „unwahrscheinlich“, schreibt der Historiker Peter Pirker. Das deckt sich auch mit den Ausführungen der Ballhaus-Museumsleiterin Sabine Schuchter, die allerlei Gerüchte um die Geschichte sieht, doch nur wenig handfeste Fakten. Nach momentanem Wissensstand dürften die Einheiten, denen die drei Männer angehörten, aber jedenfalls ziemlich sicher in Kriegsverbrechen verwickelt gewesen sein. „Die armen, unschuldigen Opfer waren woanders und Dreck gehört nicht zugedeckt“, sagt Schuchter und bleibt bei ihrer Meinung, dass es hinsichtlich der Gedenkstätte viele Möglichkeiten abseits der Schleifung gegeben hätte. „Schade nur, dass es keinen ergebnisoffenen Prozess, keine längere Diskussion gegeben hat“, bedauert Schuchter. Es hätten beste Absichten geherrscht und auch Klarheit, wie die Stadt zur Waffen-SS steht. Doch was vielleicht falsch verstanden worden sein könnte: Bei der Idee zur Umgestaltung sei’s nie darum gegangen, ein Denkmal für den Widerstand und die Opfer entstehen zu lassen. So ein Ort wäre zwar am allerwichtigsten, an dieser Stelle aber „absurd“, stellt die Museumsleiterin klar. Ein Ort des Lernens hätte es aber werden können, „denn für’s Nachdenken braucht’s etwas vor Augen – und der heutigen Jugend sagt die Waldheim-Affäre nichts mehr“, schließt Schuchter.

DER UNMUT BLEIBT. Einen gewissen Ärger ob der Vorgehensweise vermutet der Bürgermeister in jener Gruppe, die sich der Etablierung einer Erinnerungskultur in Imst verschrieben hat und zuvor beauftragt worden war, Vorschläge zur Gedenkstätte zu liefern. Weitere Gespräche hätte es zwar nicht gegeben, die professionelle Aufarbeitung der nationalsozialistischen Geschichte in Imst sei in ihrer Gesamtheit aber nicht vom Tisch, verspricht Weirather. Mit der ersten Sitzung des Kulturausschusses im September soll das weitere Vorgehen fixiert werden, bis dahin ist Schuchter beauftragt, Möglichkeiten zu prüfen und eine Empfehlung abzugeben. Diesbezügliche Gespräche mit der Kulturabteilung des Landes hätten bereits stattgefunden, sagt Schuchter. Der Stadtchef-Wunsch blieb zumindest letzte Woche noch unerfüllt: „Empörte Imster“ adressierten am Gedenkstätten-Baum ein handschriftliches „Schäm dich“ an Weirather – und der Ex-Ehrenobmann der Imster Freiheitlichen, Willi Grissemann, übermittelte eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft: Wegen der Zerstörung eines Denkmals und auch eines religiösen Symbols, dem darüberliegenden Kruzifix. „Zu Kenntnis genommen“, heißt’s in beiden Angelegenheiten vom Bürgermeister.
Das jähe Ende der Geschichte
…zumindest nicht am vergangenen Freitag: Mit zurückgelassenen Kerzen, Blumen und an den Imster Bürgermeister adressierte Schmähungen. RS-Fotos: Matt

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