Von Friederike Hirsch
85000 Mädchen und Buben ziehen in königlichen Gewändern durchs ganze Land, bringen Segenswünsche für das neue Jahr und sammeln Geld für Menschen in Not. Im Auftrag der Nächstenliebe machen sie sich auf den Weg und laden zum Teilen mit den Ärmsten ein – für eine Welt ohne Armut und Ausbeutung. Eine davon ist Sophia Grüner aus Sautens. Seit der dritten Klasse Volksschule geht sie von Haus zu Haus und singt für ein friedliches Miteinander. Heute ist sie 17 Jahre alt und füllt die alte Tradition noch immer mit Leben.
Damals.
Das Sternsingen hat seinen Ursprung in vorchristlichen Bräuchen. In den Raunächten wurde in Häusern und Ställen geräuchert, um Mensch und Tier vor dem Einfluss böser Geister zu schützen. Die finstere Zeit der Wintersonnenwende wurde als bedrohlich und lebensfeindlich erfahren. Der Sehnsucht nach Licht, Wärme und Lebenskraft wurde in vielfältigen Bräuchen und Ritualen Ausdruck verliehen. Das Neujahrsansingen gilt als eine der Wurzeln des christlichen Dreikönigssingens. Die Bibel berichtet von „Sterndeutern aus dem Osten“, die der Stern von Bethlehem zur Krippe geführt hat. Sie brachten dem neu geborenen Jesuskind Gold, Weihrauch und Myrrhe. In Erinnerung an diese erste Huldigung des Messias entwickelte sich ab dem Mittelalter der Brauch des Sternsingens.
Heute.
Die beliebte Neujahrstradition überdauerte die Jahrhunderte und wurde 1954 von der Katholischen Jungschar aufgegriffen und mit neuer Bedeutung versehen. Mit der Hilfe unter gutem Stern wird die Friedens- und Segensbotschaft der Geburt Christi in die ganze Welt gebracht. „Es ist einfach schön, wenn die Menschen ihre Türen öffnen und sich freuen, dass wir da sind,“ meint Sophia. „Viele, vor allem ältere Menschen, warten auf uns. Es ist ja auch Begegnung und wir versuchen, uns auch Zeit für ein Gespräch zu nehmen.“ Die große Herausforderung für die Kinder und Jugendlichen sei das erstmalige Singen und Reden vor fremden Leuten. „Im Laufe des Tages wird es besser und man wird sicherer“, sagt Sophia. Für ganz nervöse Kinder werden sogar „Spickzettel“ geschrieben. „Ja, es passiert, dass die Kleinen oder auch die Großen den Text vergessen. Dann kleben wir ihn an die Kassa oder hinter auf den Stern“, lächelt Sophia. Die Bedeutung der Buchstaben und Zahlen erklärt Sophia so: „C+M+B – das dritte ,+‘ steht über dem M – und das aktuelle Jahr schreiben die Sternsingerinnen und Sternsinger mit geweihter Kreide an die Tür. Es bedeutet ,Christus mansionem benedicat‘, übersetzt ,Christus segne dieses Haus‘, und soll Frieden und Segen für das kommende Jahr bringen.“ Früher galt der Dreikönigssegen als Schutz gegen „Zauberey“, geweihtes Dreikönigswasser wurde gegen Krankheiten verabreicht und auf die Felder gesprüht.
Die Spenden.
Bildung für Straßenkinder, Nahrung und sauberes Trinkwasser für Bauernfamilien, Verteidigung der Menschenrechte, wenn Menschen vertrieben und bedroht werden: 500 Sternsinger-Projekte helfen weltweit Armut und Unrecht zu mildern. In 20 Ländern kommen Sternsinger-Spenden zum Einsatz. Eines davon sind dieses Jahr die Philippinen. Dort stehen viele Menschen vor großen Herausforderungen. Über 200 Euro ersingt jedes Sternsingerkind bei seinem Einsatz für eine bessere Welt. Geschätzte 420.000 Kilometer legen die Sternsinger gemeinsam zurück und umrunden damit zehn Mal die Erde. „Schade ist es, wenn die Menschen die Türe nicht öffnen, obwohl jemand zu Hause ist. Die kleinen Sternsinger können das oft nicht verstehen und sind dann schon ein bisschen verstört“, sagt Sophia. Ebenso frustrierend sei es, wenn die Leute die Türe aufmachen und dann meinen: „Singen braucht ihr nicht.“ Sophia meint dazu: „Wir proben ja auch und bereiten uns vor. Natürlich würden wir gern singen.“ Im Gesamten gesehen ist die Begeisterung der Österreicher für ihre Sternsinger groß. An die vier Millionen Kinder und Jugendliche haben in Österreich seit 1954 beim Sternsingen die ersten Erfahrungen mit ehrenamtlichem Engagement gesammelt. Auch Papst Franziskus lobt die kleinen Könige in höchsten Tönen. Für das Oberhaupt der katholischen Kirche sind sie „Anwälte der Armen und Notleidenden“.