Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
Artikel teilen
Artikel teilen >

In Kontakt – und dennoch räumlich getrennt

Alten- und Pflegeheime: Vom Umgang mit den Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus und der Aussicht auf Lockerung

Moderne Kommunikationsmittel lassen Menschen einander über jede Distanz nicht nur hören, sondern auch sehen. Dass dies aber niemals vollwertiger Ersatz für direkte Gegenwart sein kann, macht die aktuelle Situation in Alten- und Pflegeheimen schmerzlich bewusst: Seit Wochen raten Behörden aufgrund der Corona-Pandemie von Angehörigenbesuchen ab – zum Schutz der Bewohner, die vielmals dennoch die Sehnsucht plagt. Freilich auch im Bezirk Imst.
27. April 2020 | von Manuel Matt
In Kontakt – und dennoch räumlich getrennt
Vom Umgang mit den Einschränkungen für Angehörigenbesuche in Alten- und Pflegeheimen: Die RUNDSCHAU im Gespräch mit der
Leitung der SeneCura-Häuser im Ötztal und des Imster Betagtenheims Foto: SeneCura
Von Manuel Matt

Das Vorgehen der einzelnen österreichischen Bundesländer unterscheidet sich für gewöhnlich in vielerlei Angelegenheiten – so auch momentan bei den Alten- und Pflegeheimen: Während beispielsweise Salzburg bereits ab 4. Mai wieder Besuche von Angehörigen ermöglichen will, bleibt hierzulande die Empfehlung, dies nur in begründeten Ausnahmefällen zuzulassen. „Das macht es für uns, für mich nicht leicht – weil die Menschen in Tirol natürlich ebenso wieder ihre Angehörigen wiedersehen möchten“, sagt Karlheinz Koch, der in Oetz und Haiming die Einrichtungen von SeneCura leitet – mit 84 Standorten der größte private Betreiber von Alten- und Pflegeheimen in Österreich. 

HINTER GLAS... Gelten soll die Tiroler Empfehlung in dieser Form noch mindestens eine Woche, dann würden österreichweite, noch aber in Ausarbeitung befindliche Vorgaben seitens der Bundesbehörden folgen. „Das wird schwer durchzuhalten sein, diese Abschottung“, vermutet Koch, wenn auch zumindest in der Palliativversorgung – also der Betreuung von Sterbenden – trotz Pandemie und strengen Schutzvorkehrungen ein Abschied im Kreise der Familie möglich ist. „Das muss auch möglich sein“, betont der Heimleiter. Sämtlichen Bewohnern stehe hingegen jederzeit ein eigener Tabletcomputer für Videotelefonie zur Verfügung – und da für Heimleiter ein gewisser Ermessensspielraum bestehe, gebe es dank hausinterner Cafés noch eine weitere Möglichkeit, sollte jemand besonders unter dem Ausbleiben von Besuch leiden: Der Bewohner sitzt im Innenraum, der Besucher draußen, während die trennende Glasscheibe natürlichen Schutz vor möglicher Infektion bietet und zumindest ein Sehen von Angesicht zu Angesicht zulässt, ergänzt durch Kommunikation per Telefon. Das brauche aber Unterstützung durch Pflegepersonal, weshalb ein solcher Besuch angemeldet werden müsse. „Das wird für uns wahrscheinlich der Weg sein – zumindest bis neue Richtlinien folgen“, so Koch, der dann auf Klarheit und länderübergreifenden Charakter hofft. Bis dahin bittet der Heimleiter auch bei Angehörigen um Verständnis: „Wir tun niemanden etwas z’Fleiß, alles passiert aus guter Absicht – und es ist gut, dass Entscheidungen zögerlich, aber sorgfältig getroffen werden.“ Was jedenfalls für die bisherigen Schutzmaßnahmen spricht: Bisher gab es – nach zweifacher Testung – keinen einzigen Corona-Fall in den Ötztaler SeneCura-Einrichtungen, weder auf Bewohner-, noch auf Mitarbeiterseite.

...UND VON BALKONEN. Von einem derartigen Fall weiß hingegen Edgar Tangl vom Betagtenheim am Imster Sonnberg zu berichten: Ein Zivildiener im Haus wurde positiv auf Covid-19 getestet. Dass kein einziger Bewohner oder anderer Mitarbeiter angesteckt wurde, untermauere aber die Effektivität von strikter Hygiene, Masken und Handschuhen – und lege nahe, dass Besuche unter solchen Vorraussetzungen samt Distanz und aller Vorsicht in absehbarer Zeit und limitierter Zahl durchaus möglich sein können, so Tangl. „Künstliche Besuchszonen“ mit Glasscheiben – speziell Plexiglasscheiben wie in Supermärkten – sieht der Leiter des Betagtenheims hingegen skeptisch: „Ich glaube, das schreckt eher ab. Selbst möchte ich meinen Angehörigen auch nicht hinter einer Glasscheibe sehen.“ Momentan wird am Sonnberg auf Kontakthalten mit Angehörigen per „WhatsApp“-Gruppe und auf Wunsch auch über Videotelefonie gesetzt. Manchmal plauschen Bewohner aber auch in sicherem Abstand vom Balkon aus mit ihren Angehörigen, erzählt Tangl schmunzelnd. Vor dem Setzen zukünftiger Schritte gelte es jedenfalls, die künftigen Empfehlungen des Landes abzuwarten, wobei Tangl „überraschend großes Verständnis“ für die Maßnahmen ortet, die sinnvoll seien: „Bewohner und Mitarbeiter lassen sich kontrolliert testen – alle anderen sind zwangsläufig eine unsichere Komponente.“ Aktuell ist das Heim übrigens in vier Wohnbereiche unterteilt, zwischen denen für alle strenge Trennung mit nur wenigen Ausnahmen gelte, wobei aber jeder Bereich über eigene Terrassen und Gärten verfüge. Ansonsten herrsche regulärer Betrieb samt Beschäftigungsangebot – um trotz Pandemie die „Wärme eines Zuhauses“ zu bewahren, so Tangl. „Eingesperrt“ werde übrigens niemand, jeder könne prinzipiell jederzeit wie sonst auch das Heim verlassen. Dann bestehe allerdings Quarantänepflicht – außer nach kurzen Spaziergängen oder Arztbesuchen mit Schutzausrüstung, erklärt der Heimleiter, wobei die entsprechenden Stationen aber momentan leer seien. Eines bringen die Maßnahmen letztlich auch mit sich: Keine Grippe und kein Schnupfen plagt die Bewohner. „Ein schöner Nebeneffekt“, schließt Tangl.

Addendum: Kurz vor Redaktionsschluss erreichte Tiroler Heimleiter von Bundesseite eine „Empfehlung zur schrittweisen Lockerung der aufgrund der Covid-19-Pandemie erlassenen Besuchsbeschränkungen in Alten- und Pflegeheimen“, die ab 4. Mai gilt.
In Kontakt – und dennoch räumlich getrennt
Informieren über die Situation in den Einrichtungen, die sie leiten: Karlheinz Koch (SeneCura Oetz und Haiming, l.) und Edgar Tangl (Betagtenheim Imst, r.) Fotos: SenCura, Betagtenheim Imst

Feedback geben

Feedback abschicken >
Nach oben