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Sehnsucht dies- und jenseits des Fernpasses

Tiroler Grüne plädieren für den Bau einer Bahnverbindung vom Inntal ins Außerfern

Einen Teil seines außergewöhnlichen Reizes verdankt das Außerfern nicht zuletzt seiner relativen Abgeschiedenheit zum Rest des Landes. Eine Romantik aber, die im Alltag schnell verfliegt – besonders für Pendler, denen dann obendrein auch nicht die bittere Ironie erspart bleibt, an vielen Tagen des Jahres den eigenen Heimatort unter der Verkehrslast ächzen zu hören. Eine Klappe für sämtliche Fliegen sehen die Tiroler Grünen: Im Bau eines Bahntunnels, der eine schnelle und umweltfreundliche Verbindung zwischen Inntal und Außerfern mit sich bringen soll. Frühestens aber im Jahr 2040.
28. Juni 2021 | von Manuel Matt
Sehnsucht dies- und jenseits des Fernpasses
Sehen die Vision der Außerfern-Schnellbahn auf dem Weg zu einem realistischen Zukunftsprojekt im Oberland: Die beiden Grünen Bezirkssprecherinnen Dorothea Schumacher (Imst, l.) und Regina Karlen (Reutte, r.) sowie der grüne Landtagsabgeordnete und Mobilitätssprecher Michael Mingler (M.)RS-Foto: Matt
Von Manuel Matt

„Da würden sich Welten auftun“, sagt Regina Karlen. Sie ist Bezirkssprecherin der Grünen für Reutte – und spricht von der „Schnellbahn Außerfern“, der Vision einer Bahntrassierung zwischen Ehrwalder Becken und Ötztal-Bahnhof. Das würde die bisherige Fahrzeit von Reutte nach Innsbruck halbieren und rund eine Million Autofahrten pro Jahr einsparen. Obendrein würde diese Anbindung an den Tiroler Zentralraum auch ein Mehr an Arbeitsmöglichkeiten schaffen und wäre auch touristisch interessant, wirbt Karlen. Hinsichtlich des momentanen Lebens (und Leidens) im Außerfern nimmt sie sich jedenfalls kein Blatt vor den Mund: Die Menschen seien – speziell am Wochenende – vom Rest des Landes abgeschnitten, während ihre Heimatgemeinden geplagt sind von einem „enormen“ Verkehrsvolumen. „Der Auspuff Nordtirols“, nennt’s Karlen, die zwar Erleichterungen mit Maßnahmen wie der Etablierung einer Dosierampel und dem Sperren von Abfahrten für den Ferienreiseverkehr ortet, aber auch damit verbundene Problematiken: Beispielsweise würden Navigationsgeräte mittlerweile jeden Schleichweg kennen, erklärt Karlen – und die Reisenden bei Stau flugs dennoch durch die Ortschaften führen. „Der Verkehr ist einfach die größte Problematik, die wir haben“, schließt die Bezirkssprecherin für Reutte.

DA WIE DORT. Ein Schicksal, das auch jenseits des Fernpasses nicht unbekannt ist. Leidgeplagt sind ebenso Tarrenz oder das Mieminger Plateau, wobei die Forcierung einer Bahnverbindung auch den dort lebenden Menschen Verbesserungen verspricht, sagt Dorothea Schuhmacher. Alles in allem sei’s eine „sehr interessante Hoffnung für den Bezirk“ und überhaupt ein „massiver Qualitätsgewinn. Wir brauchen den Umstieg“, erklärt die Imster Bezirkssprecherin. Positiv streicht die Haimingerin die eben erst etablierte Takt-Verdichtung des öffentlichen Verkehrs im Oberland und den in Aussicht gestellten zweigleisigen Ausbau der Streckenabschnitte Imst-Imsterberg und Ötztal-Roppen hervor: Die Schnellbahn Außerfern „würde da perfekt hineinpassen“. Zu sehen sei’s allerdings als langfristiges Zukunftsprojekt, wobei einige Detailfragen (wie etwa die genaue Streckenführung und Planung von Einmündungen) noch offen seien, räumt Schuhmacher ein. Wie Karlen plädiert sie für Transparenz – und das Einbinden der Bevölkerung, das unbedingt erforderlich sei. 

„MACHBAR & NÜTZLICH.“ Überzeugt von der Idee zeigt sich auch Michael Mingler, Mobilitätssprecher und grüner Abgeordneter im Tiroler Landtag. Dass die Schnellbahn „machbar und nützlich“ sei, untermauere nicht nur das „klare Ergebnis“ der 2018 vorgestellte Machbarkeitsstudie (auch betreffend eines möglichen Bahntunnels), sondern auch eine eben erst veröffentlichte Studie hinsichtlich des Fahrgast-Potentials. Demnach würde das Projekt eine Steigerung bei der Nutzung von öffentlichen Verkehrsmittel auf 28 Prozent steigen (bisher: Neun Prozent) – und auch im touristischen Verkehr würde sich der Anteil bei An- und Abreisen mit der Bahn von vier auf bis zu 21 Prozent steigern. Summa summarum wären das über eine Million weniger Autofahrten pro Jahr, rechnet auch Mingler vor. Das entspreche wiederum täglich dem Fassungsvermögen von etwa acht Railjet-Garnituren, heißt’s in einer entsprechenden Aussendung. 

„LUFTSCHLÖSSER.“ Analysiert wurde übrigens für das Jahr 2035, ist mit der Verankerung doch erst im Zielnetz 2040 zu rechnen und mit dem Baustart frühestens 2030, so Mingler, der auch die zu erwartenden Kosten nennt, die sich momentan nach Grobschätzungen auf rund 1,5 Milliarden betragen würden. „Auf jeden Fall finanzierbar – und potenziell sehr förderwürdig“, so Mingler, der auch die Tiroler Volkspartei (VP) als Koalitionspartner „voll dahinter“ sieht: „Eigentlich kenne ich niemanden, der das Potenzial anzweifelt.“ Zumindest die Außerferner VP-Nationalrätin Elisabeth Pfurtscheller scheint’s etwas anders zu sehen: Zwar grundsätzlich für den Ausbau der Bahn, fordert sie in einer Aussendung von den Grünen „mehr Ehrlichkeit“, habe sie doch das Gefühl, „dass hier manche die Leute mit Luftschlössern ruhigstellen wollen“. Die Menschen im Oberland und Außerfern könnten nämlich nicht noch 30 Jahre auf Entlastung warten, so Pfurtscheller: „Die Menschen stöhnen unter der Verkehrslawine und fordern zu Recht ein, dass die Politik nun handelt. Im Gegensatz zur Bahn liegen die Pläne für Tschirgant- und Fernpassscheiteltunnel mitsamt geologischen Untersuchungen bereits am Tisch. Eine Realisierung wäre zeitnah möglich. Anstatt uns an eine Vision zu klammern, deren Realisierbarkeit in den Sternen steht, sollten wir das Umsetzbare und Realistische nicht aus den Augen verlieren.“

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