Von Lia Buchner
Mit dem letzten Schlag der Kirchenglocken wird es still auf den Stehtribünen in Silz. Die eben noch lachenden Zuschauer, dick eingepackte Kinder mit Zuckerwatte, ein paar Senioren, denen man Stühle nach vorne geschoben hatte, lächeln einander erwartungsvoll zu. Und dann füllt sich der Platz schlagartig mit biblischen Gestalten: Lärmende Marktfrauen mit Hühnern unter dem Arm, römische Soldaten, ein ganzes Rudel Kinder, Bettler, Eselstreiber, Schriftgelehrte und Gaukler bevölkern den antiken Marktplatz.
Die Flucht vor Dem Blutrünstigen König.
Die Geschichte an sich folgt der Weihnachtserzählung der Evangelien: Zur befohlenen Volkszählung kommen auch Josef und die schwangere Maria nach Bethlehem, finden in der überfüllten Stadt nur einen Stall als Herberge. Hirten sind die ersten, die vom geborenen Heiland hören, dann erkundigen sich drei Magier aus dem Morgenland nach dem königlichen Kind, weil sie den leitenden Stern aus den Augen verloren haben. Herodes ist alles andere als begeistert und ordnet an, den Säugling und sicherheitshalber auch alle anderen Kleinkinder töten zu lassen. Die Heiligen Drei Könige finden schließlich Stern und Stall und der Familie Jesu gelingt die Flucht vor den Soldaten des Herodes. Erzählt wird das alles in lose verbundenen Szenen, die sich aus episch buntem Trubel auf der Bühne zu den bekannten biblischen Bildern entwickeln: Josef und Maria im Stall. Die anbetenden Hirten davor. Die Heiligen Drei Könige mit Kamel und Pferd. Die Huldigung des Kindes mit Weihrauch, Gold und Myrrhe. Das ist eine schöne Idee, denn es spart viel Text. Damit liegt der Fokus auf dem, was es zu sehen gibt und macht die wenigen Sprechrollen für das Laienensemble gut bewältigbar.
Staunen.
Und zu sehen gibt es – unglaublich viel. Eine aufwändige orientalische Krippen-Kulisse, phantastische Kostüme, eine ganze Menagerie von Tieren, Jahrmarktatmosphäre mit Feuerschlucker, Bauchtänzerin und Astrologen. In den Massenszenen sind bis zu 120 Darsteller auf der Bühne. Damit das alles funktioniert, haben viele Silzer Hände mitgeholfen: Allein 20 Proben hat die Wiederaufnahme des Spiels gebraucht, das Kamel kommt aus Schwaz, die Kulissen baut der Krippenbauverein, den Engelsgesang stiftet der Kirchenchor.
Resumee.
Dem Team um Autor Josef Sonnweber und Regisseur Emanuel Bachnetzer gelingt eine sehr liebenswürdige Mischung aus Passionsernsthaftigkeit und Monumentalspektakel mit Sandalenromantik. Bachnetzer versucht gar nicht erst, den Anschein einer Krippenspiel-Tradition zu erwecken. Die Inszenierung ist frisch, spektakulär und setzt auf herrlich viel zu schauen und zu staunen. Schöne Ideen, wie die Diskussion zwischen Herodes‘ lichter und dunkler Seite über den geplanten Kindsmord, beleben die Handlung. Nach zehn Jahren Dreikönigsspiel ist der Regisseur nicht sicher, ob er in vier Jahren noch einmal dabei ist. „Es ist ein Riesenspaß, aber frischer Wind kann nicht schaden.“ „Wir haben vor 15 Jahren einen Stein ins Wasser geworfen. Es ist ganz wunderbar, dass er keine Kreise zieht, sondern Wellen schlägt“, ergänzt der Initiator Josef Sonnweber. Dass das ganze Dorf mit Leib und Seele die Dreikönigsspiele mitträgt, ist in jeder Szene – vor und hinter den Kulissen – zu spüren. Nach der letzten Verbeugung der Darsteller (Kamel und Pferd sind einander nicht geheuer), zerstreuen sich die Zuschauer mit strahlenden Gesichtern. Für die Kinder gibt es eine zweite Zuckerwatte.