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„Geisterspiele sind ein absolutes No-Go“

TFV-Vize-Präsident Wolfgang Suitner zur aktuellen Situation im Tiroler Fußball

Ein zweiter Lockdown könnte den Amateur-Fußball hierzulande wohl gänzlich zerbröseln. Sowohl in finanzieller als auch in gesellschaftlicher wie familiärer Hinsicht. Aufgrund der steigenden Corona-Zahlen fühlen nicht wenige Verantwortliche die erneuten Maßnahmen der Bundesregierung quasi als Damokles-Schwert über den Vereinen schweben. Die RUNDSCHAU befragte zur aktuellen Situation den Vize-Präsidenten des Tiroler Fußballverbandes (TFV) Wolfgang Suitner.
29. September 2020 | von Albert Unterpirker
„Geisterspiele sind ein absolutes No-Go“
Wolfgang Suitner: „Es gibt große Solidarität.“ RS-Foto: Unterpirker
Albert Unterpirker

RUNDSCHAU: Wie geht der TFV mit der ganzen Corona-Situation um – zuerst der Lockdown, jetzt immer wieder neue Maßnahmen –, wie groß ist die Herausforderung?
Wolfgang Suitner: Riesig! Aber unsere Leute in der Geschäftsstelle, die mit vielen Fragen konfrontiert werden, machen einen super Job – speziell jetzt wegen der neuen Situation mit der erneuten Verschärfung bei den Zuschauer-Zahlen und anderer Bedingungen. Die Schwierigkeit ist nur: Der TFV ist keine Behörde – und das ist manchmal schwierig, den Vereinen zu vermitteln. Wir sind nicht diejenigen, die Vorschriften erlassen. 

RS: Die Vereine haben mit der Covid-19-Situation teilweise schwer zu kämpfen – wie empfindet man beim Verband den Zusammenhalt bei den Clubs?
Suitner: Sehr positiv! Es gibt eine große Solidarität, auch bezirksübergreifend. Man hilft sich in Bezug auf Covid-Konzepte auch gegenseitig. Es wird sehr kameradschaftlich agiert – da gibt es kein Kirchturmdenken.

RS: Stichwort Spielabsagen: Wie geht man damit um?
Suitner: Das Wichtigste ist, dass diese Spielabsagen im Rahmen bleiben, damit die Meisterschaft halbwegs regulär abgehalten werden kann. Ich mache mir weniger Sorgen um das Frühjahr, sondern mehr über die jetzige Situation mit den steigenden Zahlen. Dann muss man auch schauen, dass man die abgesagten Spiele so gut wie möglich nachholt, um im Frühjahr keinen Stau zu produzieren.

RS: Man hört immer wieder: Die Tests dauern zu lange. Sickert das auch beim TFV durch?
Suitner: Das ist ein großes Problem, nicht nur beim Fußball, auch in der Arbeitswelt. Aber wir beim Fußball sind von derselben Problematik betroffen, dass man entsprechend lange warten muss. Man muss schauen, dass man von diesen langen Testzeiten wegkommt!

RS: Nicht nur bei den Vereinen, Funktionären und Spielern herrscht vielerorts eine riesen Unsicherheit – nicht nur aus finanziellen, sondern auch familiären und gesellschaftlichen Gründen –, dass wieder alles abgesagt wird und die Bundesregierung einen zweiten Lockdown ausspricht. Wie sieht man das beim TFV?
Suitner: Da möchte ich wirklich dagegensteuern, denn der allgemeine Tenor – auch in der Politik ist der: Einen zweiten Lockdown wird’s nicht mehr geben. Nicht nur bezogen auf die Wirtschaft, sondern auch auf den Sport, weil die gesellschaftliche Bedeutung des Amateursports einfach zu groß ist. Du brauchst den Amateursport jetzt auch aus psychologischen Gründen, nicht zuletzt deshalb, weil auch die Kinder davon betroffen sind.

RS: Stichwort „Zuschauerbesuch“ – die Vereine sorgen sich da extrem, dass womöglich überhaupt keine Zuschauer mehr zugelassen werden. Auch bezüglich Kantinenbesuch wird’s immer problematischer mit den verordneten Maßnahmen. Was würde das für Vereine bedeuten: Keine Zuschauer mehr, und/oder Kantine auch keine mehr?
Suitner: Da brauchen wir gar nicht drüber zu reden: Geisterspiele im Amateurbereich wären ein absolutes No-Go, ...

RS: Dann kann man’s gleich lassen?
Suitner: So ist es. Und zur Kantine: Das ist natürlich ein großes Problem und es ist klar, dass die Vereine da verunsichert sind. Es ist ja eine Frage der Rentabilität. Manche Kantinen-Betreiber sagen, dass unter gewissen Umständen eine Kantine nicht zu führen ist.

RS: Für manche Beobachter sind die Angaben von Zuschauer-Zahlen bei einzelnen Spielen nicht nachvollziehbar. Würde bei einem Fußballspiel jemand kontrollieren kommen – das wäre dann ein Worst Case, oder?
Suitner: Dieses Thema gibt es immer. Natürlich ist damit zu rechnen, dass man irgendwann mal kontrolliert wird. Nur, wir haben im Amateurbereich ja keine geschlossenen Stadien. Die Vereine gehen da eh sehr vorbildlich zum Beispiel mit Durchsagen um. Aber das im Endeffekt dann auch zu exekutieren, ist für die Vereine sehr schwer.

RS: Geht der Verband mit allen Maßnahmen, die von der Bundesregierung – runtergebrochen auf den Amateurfußball – beschlossen werden, konform? Oder gibt’s von Vereinen gar  Rückmeldungen im Sinne von: „Jetzt ist mal genug!“?
Suitner: Diese Rückmeldungen hörst du momentan überall und der allgemeine Tenor ist, dass jetzt die Meinung vorherrscht, dass gewisse Dinge nicht mehr alleine auf den Schutz der Gesundheit zurückzuführen seien – sondern einfach auch einen politischen Hintergrund haben. Ich bin nicht immer glücklich, weil ständig verschärfen und schrauben – es geht um einen sinn- und verantwortungsvollen Umgang mit dieser Thematik, zum Beispiel was das Abstandhalten und das Tragen von Masken betrifft. Man muss das aber schon auch mal in Relation sehen. Ich will das in keinster Weise herunterspielen, aber diese Panikmache, die teilweise auch von Seiten der Regierung betrieben wird, da halte ich nichts davon.

RS: Apropos Nachwuchs: Wenn man etwa beim Nachwuchs mit Absagen von Spielen und Veranstaltungen beginnt oder gar alles absagt – ist das, wenn Kinder keinen Sport mehr machen dürfen, nicht de facto ein „geistiger Lockdown“ für Familien?
Suitner: Im Moment hat man die Wahl zwischen einer schlechten oder ein noch schlechteren Möglichkeit. Die ganz schlechte ist, alles absagen zu müssen, und die weniger schlechte ist zu sagen: Okay, wir leben mit diesen Vorgaben so gut wie möglich. Aber es ist im Moment sehr schwierig.

RS: Wie schaut’s derzeit eigentlich mit der Hallen-Saison im Winter aus?
Suitner: Dazu gibt es derzeit viele Gespräche. In der Halle sind ja die Maßnahmen nochmals verschärft. Auf Basis des momentanen Standes ist an die Durchführung von großen Turnieren beziehungsweise Hallen-Veranstaltungen – wie zum Beispiel die Tiroler Hallen-Nachwuchsmeisterschaft – fast nicht zu denken. 

RS: Welchen Appell gibt der TFV-Vizepräsident für die Vereine aus?
Suitner: Erstmal ein riesiges Dankeschön dafür, was unsere Funktionäre, ehrenamtliche Helfer, Mitarbeiter und Trainer jede Woche und Tag für Tag leisten, um diesen ganzen Betrieb aufrechtzuerhalten. Bitte auch mit den vorgeschriebenen Maßnahmen so vernünftig wie möglich umzugehen. Es macht keinen Sinn, sich da jetzt dagegenzustemmen. Wir müssen schauen, dass wir so gut wie möglich über den Herbst kommen. Ich kann nur an die Eigenverantwortung eines jeden Einzelnen appellieren. Und positiv und motiviert bleiben – wir kommen gemeinsam über die ganze Sache drüber.

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