Rundschau - Oberländer Wochenzeitung
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Ein Dorf trägt ein Kreuz

20 Jahre Gipfelkreuz Venet

Im Jahr 2002 fiel das Gipfelkreuz am Venet einem Sturm zum ­Opfer und musste erneuert werden. Geplant wäre es gewesen, das neue Kreuz per Hubschrauber auf den Gipfel zu fliegen. Es kam aber anders: Über 180 Fließer trugen das Kreuz gemeinsam zu seinem ­Bestimmungsort. Die unglaubliche Geschichte erzählen Wolfgang Kathrein und Thomas Walch.
8. August 2023 | von Von Kathrin Gruber
Ein Dorf trägt ein Kreuz
Thomas Walch (l.) und Wolfgang Kathrein waren vor 20 Jahren beim Tragen und Aufstellen des Kreuzes dabei. RS-Foto: Gruber
Von Kathrin Gruber

Das Gipfelkreuz am Venet ist ein emotionaler Höhepunkt für alle, die den Gipfel erreichen. Ganz besonders gilt das für jene Fließer, welche das Kreuz vor 20 Jahren zu Fuß bis zum Gipfel getragen und dort gemeinsam aufgestellt haben. „Für viele ist das nach wie vor der schönste Tag in ihrem Leben“, erzählt Wolfgang Kathrein. Er stellte sich damals gemeinsam mit der Bergwacht-Ortsgruppe Fließ und vielen freiwilligen Helfern der unglaublichen Herausforderung, das Kreuz dort aufzustellen, wo es seit nunmehr 20 Jahren als Sinnbild für den Zusammenhalt steht.

ANDERS ALS GEPLANT. Bei einem Sturm vom 27. Oktober 2002 auf den 28. Oktober 2002 wurde das im Jahr 1934 errichtete Gipfelkreuz am Venet umgerissen. „Eine glückliche Fügung, weil es sowieso ersetzt werden hätte müssen“, erzählt Thomas Walch, damaliger Obmann-Stv. der Bergwacht-Ortsgruppe Fließ. Mit einem Hubschrauber hätte das neue Kreuz auf den Gipfel geflogen werden sollen, doch der Wunsch danach, es zu tragen, wurde immer größer. Anfangs gab es große Skepsis, dennoch meldeten sich 180 Personen, welche bereit waren zu helfen. Erst nach einem Probetragen im Tal gab es das Einverständnis für das aufregende Unterfangen.

WENN ALLE ZUSAMMENHELFEN, WIRD DAS UNMÖGLICHE MÖGLICH. „Die schweren Balken und Materialien wurden einen Tag vorher mit einem Lkw bis zur sogenannten „Wonne“ geliefert“, erinnert sich Kathrein. Die 110 Kreuzträger hatten die Aufgabe, das Kreuz, welches aus einem 11,5 Meter langen Stamm und einem fünf Meter langen Querbalken sowie Zubehör mit einem Gesamtgewicht von ungefähr 1.000 Kilogramm bestand, auf den Venet zu tragen. Die restlichen 70 Personen waren für die Verpflegung verantwortlich und errichteten zwei Labe-Stationen. „Die Euphorie war so groß, dass die Träger nur zweieinhalb Stunden brauchten, viel weniger als ge­plant“, freut sich Walch. Das Aufstellen und Komplettieren des Kreuzes stellte allerdings eine große Herausforderung für den damals 34-jährigen Kathrein dar. Mit einem Hubzug wurde das Kreuz von Seilen und Stangen gesichert aufgestellt. Maßstabgetreu nach dem alten Kreuz stand es nun, am 28. Juni 2003, in seiner vollen Pracht vor den Beteiligten. „Das war ein unglaublicher Moment.“ Die Einweihung des Gipfelkreuzes fand am 27. Juli 2003 mit über 450 Leuten am Jakobisonntag statt.

DAS VERMÄCHTNIS DER FLIESSER. Mittlerweile steht das Kreuz seit 20 Jahren als Symbol der Gemeinschaft eines Dorfes auf dem Gipfel des Venet. Es ist ein Vermächtnis, dessen Geschichte die Fließer lange begleiten wird. „Da stehen dann Opas beim Kreuz und erzählen ihren Enkeln, dass sie es damals trugen“, schwärmt Walch und Kathrein ergänzt: „Der Zusammenhalt zeichnet uns Fließer aus.“ Auch das alte Kreuz ist noch auf dem Venet zu finden. Die drei Bänke rund um das neue Gipfelkreuz wurden aus den Stämmen des alten Kreuzes gefertigt. „Die Kreuze, die da sind und erhalten werden wollen, sollen auch erhalten werden“, meint Kathrein zu den momentanen Diskussionen um die Berechtigung der Gipfelkreuze. Wenn man bedenkt, was dieses Kreuz den Fließern bedeutet, ist das mehr als verständlich.
Ein Dorf trägt ein Kreuz
Vor 20 Jahren trugen 180 Fließer das neue Kreuz an den Gipfel des Venet, und zwar so wie früher. 1 000 Kilo Last hatten sie zu tragen, nur gemeinsam war das möglich. Foto: Köhle
Ein Dorf trägt ein Kreuz
Gemeinsam wurde das Kreuz aufgestellt. Foto: Köhle
Ein Dorf trägt ein Kreuz
Geschafft! Das Kreuz stand viel früher als erwartet und die Helfer konnten stolz auf ihr Werk blicken. Foto: Köhle

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